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Albert Schäfer – Ende der Legende

Ihm zu Ehren wurde das in Vergessenheit geratene Matthiae-Mahl wieder belebt, ein Film gedreht und in Harburg ein Weg benannt. Zu viel der Ehre …

„Sebastian Justke – ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen und die Stadt Hamburg 1933-1956“ ist ein beeindruckendes Werk, das vom Autor Sebastian Justke sorgfältig recherchiert und detailliert präsentiert wird. Das Buch bietet einen tiefen Einblick in die Geschichte der Stadt Hamburg während der Zeit des Nationalsozialismus und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Vor allem wird gut dargestellt, wie auch eine Mittäterschaft entstehen kann, in dem Netzwerke, eigene Profitinteressen und vor allem die Eigendarstellung geschickt genutzt werden. Schäfer, der 1933 in die Harburger Phoenix Gummiwerke eintrat, konnte schnell das Geschäft der Kriegswirtschaft nutzen, später dann auch der „Ostgebiete“. Den Einsatz von Zwangsarbeiter*innen aber auch das geschickte Lenken eigener Führungskräfte in den Netzwerken des Nationalsozialismus legen gut aufgearbeitet dar, wie die Wirtschaft nicht als eine Wirtschaft im Nationalsozialismus agierte, sondern die Wirtschaft des Nationalsozialismus war.

Die Karriere des Unternehmers Albert Schäfer begann im deutschen Kaiserreich, setzte sich fort in der Weimarer Republik, erhielt einen neuen Schub in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur und endete schließlich in der neuen Demokratie der jungen Bundesrepublik. Besonderes Augenmerk verdienen die Jahre von 1933, als Albert Schäfer die Leitung der Phoenix Gummiwerke AG in Harburg übernahm, bis 1956, als der Unternehmer nach zehn Jahren aus dem Amt des Präses der Hamburger Handelskammer schied.

Als Vorstandsvorsitzender war Schäfer verantwortlich für die Firmenpolitik der Phoenix AG, was während der nationalsozialistischen Herrschaft die Umstellung auf Kriegswirtschaft, die „Arisierung“ von Unternehmen, den Einsatz von Zwangsarbeiter*innen sowie die Beteiligung an der Ausbeutungspolitik in den besetzten Gebieten Europas einschloss. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägte Schäfer die öffentliche Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Hamburg mit. Vielfache Ehrungen, die 1956 ihren Höhepunkt in der öffentlichen Inszenierung seines 75. Geburtstags und dem zu diesem Anlass wiederbegründeten Matthiae-Mahl fanden, ließen ihn auch selbst zum Gegenstand der städtischen Erinnerungskultur werden. Das Bild vom Ehrbahren Kaufmann hatte hierin einen zentralen Platz.

Der Nationalsozialismus selbst und seine „zweite Geschichte“ bilden damit den roten Faden des Buchs. Die Studie zur Unternehmerbiografie Albert Schäfers leistet einen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des „Dritten Reichs“, der Hamburger Stadtgeschichte sowie zur Erforschung der Erinnerungskultur und Geschichtspolitiken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Das Buch beschäftigt sich mit dem Leben und der Karriere von Albert Schäfer, einem einflussreichen Hamburger Kaufmann, der in den turbulenten Jahren des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges eine wichtige Rolle spielte. Nach dem 2. Weltkrieg schaffte er es nicht nur sich mit dem sogenannten „Persilschein“ frei von nationalsozialistischem Verdacht zu machen, sondern wurde Präses der Hamburger Handelskammer, verschaffte dieser die Erzählung alter demokratischer Werte im Handeln der „ehrbaren Kaufmänner“ und hat es bis heute geschafft, einen Mythos hanseatischen Handelns aufrecht zu erhalten. Denn anlässlich seines 75. Geburtstages wurde ein schon 200 Jahre nicht mehr praktiziertes Matthiae-Mahl wieder aufgesetzt und gilt fälschlicherweise noch heute als „das älteste noch begangene Festmahl der Welt“. Es findet Anfang März 2023 auch dieses Jahr wieder im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses statt.

Dem Autor Justke ist es gelungen, ein facettenreiches Bild von Schäfer und seinem Unternehmen zu zeichnen, das sich kritisch mit den komplexen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen jener Zeit auseinandersetzt und viel Stoff bietet, weitere Forschungen zu betreiben.

Insgesamt ist „Sebastian Justke – ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen und die Stadt Hamburg 1933-1956“ ein informatives und ergänzendes Werk, das nicht nur Historiker*innen, sondern alle Leser*innen, die an der Geschichte des Nationalsozialismus und ihren weitreichenden Verästelungen interessiert sind, anspricht. Das Buch ist sorgfältig recherchiert, gut geschrieben und seine Einblicke in die komplexe Geschichte des Dritten Reiches und der Nachkriegszeit sind von nachhaltigem Wert.

Sebastian Justke – ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen und die Stadt Hamburg 1933-1956, Forum Zeitgeschichte, Metropol Verlag, 2023, ISBN 978-3-86331-687-7; Preis: 24,- €

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