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Der schwimmende Musikclub

Club, kulturelle Experimentierwerkstatt oder doch nur ein alter Fischkutter? Die MS Stubnitz ist jedenfalls ein Stück von Hamburgs Hafenkultur geworden. Und bleibt es. Zumindest technisch.

Das 55 Jahre alte frühere DDR-Fischereischiff hat nach einem einwöchigen Aufenthalt in der Norderwerft in Hamburg seine 11. Klasse-Erneuerung – eine Art TÜV – erhalten. „Wir freuen uns massiv, dass die Stubnitz diese äußerst aufwendige und abnahmepflichtige Instandsetzung erfolgreich bewältigt hat“, erklärte am Dienstag auf einem Pressegespräch Felix Stockmar aus dem Vorstand des Kulturvereins MS Stubnitz, einem der beiden Trägervereine des Gesamtprojektes. Das 1992 von einem Künstlerkollektiv zu einer Kulturplattform umgewidmete Motorschiff hatte die Werft zunächst mit Auflagen verlassen, die zurück auf dem Liegeplatz noch abgearbeitet werden mussten.

Die Stubnitz lag vom 7. bis zum 14. Oktober in der Werft, um für die alle fünf Jahre anstehenden Neuzulassung eines Seeschiffes in der internationalen Fahrt überprüft zu werden. „Wir haben in die nötigen Instandsetzungen in diesem Jahr bisher rund 430.000 Euro investieren müssen“, sagte Urs Blaser, Vorstand des Trägervereins. „Die Gelder können zu einem großen Teil aus bereitstehenden Förderungen für unser Denkmal vom Bund (BKM), und der Freien und Hansestadt Hamburg abgerufen werden. Allerdings nur soweit wir aus Spenden und Eigenmitteln einen Teil dazu beisteuern können“, unterstrich Blaser. Das Projekt MS Stubnitz ist daher weiterhin auf Spenden angewiesen. „Es helfen uns insbesondere Patenschaften mit monatlichen Beiträgen – egal ob klein oder groß – um gegenüber dem Bund und der Freien und Hansestadt Hamburg zu zeigen, dass hinter dem technischen Denkmal und dessen kultureller Nutzung eine Öffentlichkeit steht“, so Herr Blaser weiter.

Um die Lebenserwartung der Stubnitz als Kulturschiff und Industriedenkmal für weitere 10 Jahre solide zu erhalten, müssen über das kommende Jahr zusätzliche intensive Instandsetzungsmaßnahmen unternommen werden. Um die Fördermittel abzurufen sind weiterhin Spenden nötig. Jeder gespendete Patenschafts-Euro bewegt sieben Euro öffentlichen Zuschusses für das Denkmal. „Unser Ziel erreichen wir, wenn wir insgesamt über 500 Patinnen und Paten werben können, die bereit sind, über zwei Jahre einen Dauerauftrag von durchschnittlich 10 Euro pro Monat beizusteuern“, erklärt Blaser. Denn aus dem Kulturbetrieb, der sich größtenteils selber tragen muss, fließt nur sehr wenig Geld in die Instandhaltung. Seit dem Start der Patenschaftsaktion zum Jahresende 2018 haben sich bereits 122 Patinnen, Paten und SpenderInnen gefunden, die das Projekt im Schnitt mit monatlich je 23 Euro unterstützen. Durch diese Patenschaften und zusätzlichen Einnahmen aus Corporate-Events an Bord ist es möglich geworden, die große Hürde der 11. „Klasseerneuerung“ zu nehmen.

„Die Stubnitz soll eines der Industriedenkmäler bleiben, bei denen glücklich gelungen ist, mit einer neuen, kulturellen Nutzung, die Tradition und Geschichte des Denkmals zu bewahren“, so Blaser, und daraus soll weiterhin „quicklebendige Zukunft gestaltet werden“.

Die Stubnitz ist unter den Traditionsschiffen in Deutschland einzigartig. Das gut 80 Meter lange und 2500 Tonnen schwere einstige Kühl- und Transportschiff gehört zu den wenigen Industriedenkmälern dieser Größe, die eine Erlaubnis erhalten konnten, weiterhin an der internationalen Seefahrt teilzunehmen. Ohne die Zulassung wäre ein Kulturbetrieb in dieser Form nicht möglich. „Die Stubnitz bleibt damit nicht nur ein Denkmalschiff, sondern auch fit, um mit ihrer unverwechselbaren atmosphärischen Raumarchitektur und Akustik weiterhin als fester Bestandteil des Hamburger Kulturbetriebes mitzuwirken“, betonte Stockmar. In den drei großen Veranstaltungsräumen mit Barbetrieb sowie auf dem Achterdeck mit Decksbar finden pro Jahr mehr als 300 Konzerte und Veranstaltungen statt. „Die Stubnitz ist 2020 bereits zum 7. Mal Spielstätte des Elbjazz-Festivals und gehört mit ihrem mehrfach durch den APPLAUS-Preis ausgezeichneten Programm als unabhängige Spielstätte, neben der Elbphilharmonie und der Halle 424, zu den herausragenden Kulturträgern der Hamburger Hafencity und zur Kulturszene der Hansestadt“, betonte Stockmar nicht ohne Stolz: Das partizipative Projekt MS Stubnitz wird auf seiner kulturellen Seite nahezu ausschließlich über ehrenamtliche Arbeit am Leben erhalten.

Rund 20 freiwillige HelferInnen kümmern sich aktuell um die „alte Lady“, davon zehn bis fünfzehn sogar rund um die Uhr, um den Betrieb an Bord aufrecht zu erhalten. Seit 1992 ist die Stubnitz Plattform für Recherche, Präsentation und Dokumentation innovativer Musik und Kultur aus aller Welt. Weit über 6000 Konzerte wurden bislang sowohl in Audio- als auch in Videoform aufgenommen und in einem Medienarchiv aufbewahrt. Es dokumentiert einen audiovisuellen Konzertraum, der in 12 Ländern und 22 Hafenstädten der nordeuropäischen Hemisphäre in einem Zeitraum von bislang 27 Jahren gastierte. Durch ihre beispiellose Geschichte ist die Stubnitz eine interkulturelle und internationale Netzwerk-, Ideen- und Begegnungsplattform. Teile der ehrenamtlichen Besatzung sind ehemalige Seeleute, die früher mitunter Jahrzehnte auf dem damaligen Fischereischiff zur See fuhren.

Quelle: MS Stubnitz [1]

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