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Die virtuelle Mitgliederversammlung

Das Vereinsleben liegt brach und doch braucht es wesentliche Entscheidungen. Aber wie, wenn selbst Mitgliederversammlungen ausfallen? Online geht´s …

Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ hat die Möglichkeit einer virtuellen Mitgliederversammlung geschaffen. Es bleiben aber viele Fragen offen.

Die schriftliche Beschlussfassung ist zwar durch das Gesetz vereinfacht worden. Weil aber auch hier ein Beteiligungsquorum von 50 % vorgesehen ist, kommt diese Form der Beschlussfassung für viele Vereine nicht in Frage. Möglich ist aber jetzt auch eine virtuelle Versammlung ohne Satzungsgrundlage.

Artikel 2, § 5 Abs. 2 des Gesetzes regelt für Mitgliederversammlungen, die 2020 stattfinden:

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,

  1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
  2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

Die Regelung erlaubt also:

In allen Fällen bedeutet „schriftlich“ in Textform. Das schließt eine elektronische Form ebenso ein wie Fax.

Für die virtuelle Versammlung gelten ansonsten die allgemeinen und Satzungsvorgaben:

Welche Technik?

Technische Vorgaben macht das Gesetz nicht. Es sind alle Verfahren zulässig, bei denen sich die Mitglieder in Wort- oder Textform beteiligen können. Dabei wird es leicht zu einer Vermischung von virtueller Versammlung und schriftlicher Beschlussfassung kommen können, für die das genannte Beteiligungsquorum gilt. Eine virtuelle Versammlung wird also live stattfinden müssen, d.h. per Videokonferenz, Telefonkonferenz oder Chat. Die bloße Beschlussfassung ohne Diskussion wird dagegen als schriftliche Beschlussfassung gelten.

Die Sicherstellung, dass nur Mitglieder teilnehmen, ist durch ein internetübliches Authentifizierungsverfahren ausreichend gewährt (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27.09.2011, I27 W 106/11). Die virtuelle Versammlung sollte also in einem passwortgesicherten Online-Raum mit vorheriger Mitteilung des Passworts erfolgen. Die Teilnehmer sollten ihre Identität durch Verwendung des Klarnamens kenntlich machen.

Die Anforderungen an das Authentifizierungsverfahren sind demnach grundsätzlich nicht sehr hoch.

Es bleibt aber das Problem, dass Beschlüsse anfechtbar sind, wenn Nichtmitglieder bei der Stimmabgabe beteiligt waren. Besonders bei der Beschlussfassung sollte also auf ein sicheres Verfahren geachtet werden. Denkbar wäre z.B., dass für die Stimmabgabe eine zusätzliche Authentifizierung erfolgt, etwa in Form eines Codes, der nur einmal benutzt werden kann – analog zu den Transaktionsnummern beim Online-Banking.

Ein vielfach geäußert Einwand gegen Online-Mitgliederversammlungen ist der Verweis auf den Grundsatz, dass die Teilnahme an der Versammlung keinem Mitglied unangemessen erschwert werden darf. Wenn die Satzung keine Regelung trifft, kommen virtuelle Versammlung nicht in Frage, wenn Mitglieder wegen fehlender technischer Ausstattung oder Kenntnisse nicht teilnehmen können.

In der Praxis wird man also abklären müssen, ob es hier Einwände von Mitgliedern gibt, weil diese die Beschlüsse sonst anfechten können.

Fazit

Die rechtliche Neuregelung lässt viele Fragen offen und sichert leider noch keine rechtsicherte Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung. Zu empfehlen ist sie vor allem dann, wenn keine Bedenken von Seiten der Mitglieder zu erwarten sind. Es empfiehlt sich nach wie vor die virtuelle Mitgliederversammlung in der Satzung zu regeln.

Quelle: Vereinsknowhow, Vereinsinfobrief Nr. 382 (8/2020 vom 29.04.2020)

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