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Eine Reise von 111 Jahren

Harburgs Geschichte kann man nun auch in virtual reality erleben – und ganz analog. Dabei macht es richtig Spaß und schlau zudem. Ein Rundgang mit der Geschichtswerkstatt.

Es ist grau und für den Frühling eigentlich noch zu frisch. Was kann man da besseres unternehmen als einen Spaziergang – und dazu noch mit Unterhaltungswert?

Treffpunkt ist der Harburger Hauptbahnhof. „Hauptbahnhof?“ Ach so. der historische Rundgang führt und zurück ins Jahr 1907. Als Harburg an der Elbe noch eine eigenständige Stadt war und zwei Jahre zuvor der Bahnhof im Hafen vom neuen Hauptbahnhof abgelöst wurde. Eine Zeitreise.

Begrüßt werden wir von Fabian und Kirstin. Wir, das sind etwa 40 Zeitreisende, die um 111 Jahre sanft zurück katapultiert werden. 1907 ist Fabian Tagelöhner. Eigentlich aus Lüneburg, aber um Arbeit zu bekommen, ist Harburg Anfang des 20. Jahrhunderts als eine der größten Städte der Region besser geeignet. Und erreichbar eben über die Zugverbindung vom Süden her. Kirstin ist angestellte Köchin in der Herberge „Heimat“ – dort, wo das Harburg Center steht und auch bald wieder Geschichte ist.

Die beiden sind samt Kleidung in diese historischen Rollen geschlüpft und ins letzte Jahrhundert. Und sie führen so selbstverständlich durch das einstige Harburg, als sei es noch die Industriestadt mit rauchenden Gummiwerken, gründerzeitlicher Aufbruchstimmung und dem Stolz des aufstrebenden Bürgertums. Man kommt zum Bekleidungshaus Meier an der Moorstraße, Ecke Wilstorfer. Dort gibt es moderne und erschwingliche Kleidung für Damen, Herren, Knaben und Mädchen- und: „Touristen und Radfahrer“, wie Angebotszettel des Bekleidungsgeschäftes anpreist. Vor oder kommt man zum Kriegerdenkmal – erinnernd an die Gefallenen der Kaiserreichskriege um 1870/71 – in die Erste Wilstorfer Straße (heute Lüneburger) zum Hotel „Deutsches Haus“, zum jüdischen Warenhaus Horwitz und vom gerade erbauten „neuen“ Rathaus und bis zum Sand. Ganz in die Vergangenheit zurückgeworfen, wird der Blick auf die Gebäude gelenkt und was man nicht zu sehen vermag, wird per Bild – ganz analog – hochgehalten oder herum gereicht.

„Was da heute draus geworden ist“

Und die Zeitreisenden aus dem 21. Jahrhundert sind schnell gebannt. Hört man noch zu Beginn ein „schlimm schlimm, was da heute draus geworden ist“, wandelt sich die Stimmung bald in ein „oh, wie toll das gewesen ist“. Eine sympathische Art, Städteplanungen Harburgs  erträglicher zu machen. Die Reisenden achten auf die einstige Straßenbahn und ein Gast erzählt beim historischen Schlender, dass die Gebrüder Vering ja „jetzt“ wohl eher im fernen Wilhelmsburg aktiv seien und dort einen Kanal zu bauen gedenken.

Ein Stadtspaziergang durch Harburg auf den Spuren eines historischen Reiseführers von 1907, der wahrlich vom Verlag Lühmann seinerzeit herausgebracht wurde und die Stadt anpries. Fabian Pleiser und Kirstin Rachow machen diese Rundgänge mit Humor und Geschick und einem steten Augenzwinkern im Rahmen des Geschichtswerkstätten-Programms ‘Kiek mol’. Und wer Harburg wirklich kennen und verstehen will, sollte sich den einen oder anderen Rundgang als alternativen Sonntagsspaziergang unbedingt erlauben. Sie sind kostenfrei – sollten aber dennoch mit einer Spende gewürdigt werden. Denn die zwei Stunden sind kurzweilig, humorvoll und erkenntnisreich. Vielleicht sollte auch manch´ Regent des Bezirks sich mal aus anderer Perspektive seinen „Tatort“ anschauen.

Die nächsten Stadtrundgänge:

Die Geschichtswerkstatt Harburg in Kooperation mit der Initiative “Gedenken in Harburg” lädt zu einem Rundgang zu verschiedenen Gedenkorten in Harburg ein.
Treffpunkt /Start: Haupteingang Harburger Rathaus,  Harburger Rathaus Platz 1, 21079 Hamburg

Eine Wanderung durch Wilstorf im Rahmen des Programms ‘Kiek mol’
Treffpunkt: Bushaltestelle Reeseberg, bei den Basaltsäulen, Winsener Str. 21, 21077 Hamburg

Treffpunkt: Geschichtswerkstatt Harburg, Kanalplatz 16, 21079 Hamburg

Mehr Informationen zur Geschichtswerkstatt Harburg unter www.geschichtswerkstatt-harburg.de [1].

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