- Tiefgang - https://www.tiefgang.net -

Erste-Hilfe aus der Kreativapotheke

Von Trostpflaster bis Zaubertrank, kreative Hausmittel gibt es viele. Eine Wundermedizin stellt das  Mandala dar.  Was bedeutet es eigentlich und worin steckt seine magische Kraft?

Von Ulrike Hinrichs

Mandala. Vielleicht mag Ihnen das Thema abgegriffen erscheinen. Überall auf der Welt überfluten unzählige Mandala-Ausmalbücher den Markt. Ich habe mir eines in Istanbul im Buchladen gekauft, aber auch bei Tedi um die Ecke gibt es welche im Billigsortiment.

Vom Mandala geht eine magische Faszination aus. Der Mediziner Rüdiger Dahlke konstatiert, dass das Mandala im Bereich der Seele ein Allheilmittel sei und beschreibt es als archetypisches Muster des Lebensweges (S. 36). Mandalas geben Orientierung in Zeit und Raum. Sie harmonisieren den Energiefluss. Als absolut rotationssymmetrisches Muster strahle das Mandala die höchste Form von Harmonie aus, so Dahlke (S. 43). Die Natur zeigt exemplarisch eine unendliche Zahl natürlicher Mandalaformen, vom Wassertrudeln bis zum Seestern, von der Schneeflocke bis zum Schneckenhaus, von Blättern, Blüten und Spinnennetzen bis zu Baumringen, von Körperzellen bis zur Iris der Augen, von Gestirnen bis zum gesamten spiralförmig aufgebauten Universum. Das Wort Mandala stammt aus der indischen Kultursprache Sanskrit und bedeutet Kreis. Das Weltverständnis, das sich hinter diesem magischen Kreis verbirgt, ist ein holografisch ganzheitliches (siehe dazu ´Tiefgang`: „Mit der Kunst die Intuition einfangen [1]„). In tradierten Symbolen zahlreicher Religionen finden wir Mandalas. Im Christentum steht die Rose als ein Mandala für die Jungfrau Maria, die mit dem Rosenkranz angebetet wird. Im Islam zieren Ornamente in Form von Mandalas die Moscheen. Im Buddhismus ist es die Lotusblüte, der eine heilige Bedeutung zukommt. Und im Taoismus steht das Ying Yang Zeichen für die sich aufeinander beziehenden Polaritäten. Der Kreis lebt vom Mittelpunkt, wird durch ihn definiert. „Der Punkt und der Kreis – Gott und die Welt – das Eine und das Viele – das Unoffenbare und das Offenbare – Inhalt und Form – das Metaphsyische und das Physische – viele Begriffspaare, die alle das Gleiche meinen“, beschreibt es Dethlefsen (S. 6).

Das Mandala kann als Urmuster des Daseins bezeichnet werden, das wir im künstlerischen Gestalten bewusst oder unbewusst erleben. Damit spiegelt das Mandala ein tradiertes universelles Feld. Es stellt nach der fernöstlichen Logik das gesamte Universum dar. Es bringt Schutz und Beruhigung in angstbesetzten Situationen, vermittelt Sinn, Ziel und eine Richtung bei dem Gefühl der Desorientiertheit. Das Mandala verschafft ein Gefühl der Ordnung und sinnvollen Strukturiertheit in aufgewühlten Gefühlslagen und chaotischen Situationen und schafft ein generelles Gefühl von Faszination und Neugierde.

Mandala – Frau, 91 Jahre

Auch in meinen Kreativgruppen erlebe ich immer wieder die Magie des Mandalas. Das abgebildete Kunstwerk, das wie ein gestricktes universelles Netz erscheint, stammt von einer 91-Jährigen aus meiner Seniorengruppe (siehe: ´Tiefgang`: „Zusammen sind wir Wald“ [2]). Sie kann kaum noch hören, auch das Halten der dicken Buntstifte fällt ihr schwer. Nach einer langen Corona-Pause haben wir kürzlich wieder die kreative Arbeit aufgenommen. Beim Mandala-Malen waren die Teilnehmer*innen völlig versunken in die Kreise, Muster und Farben. Die fokussierte Energie war zum Greifen. Es wurde anders als üblich kaum gesprochen, nachgefragt oder vorzeitig gerufen „ich bin fertig, was soll ich jetzt malen?“ Die Gruppe hatte die Arbeit als besonders entspannend erlebt.

Nehmen Sie ein Ausmalbuch nur als Impulsgeber und malen sie Ihr persönliches Mandala frei Hand. Es kommt gerade nicht auf zirkelgenaue Kreise oder mit dem Lineal gezogene Striche an, im Gegenteil. Blicken Sie in die Natur, jeder Strudel und jede Rosenblüte ist perfekt, gerade weil sie nicht mit dem Zirkel erschaffen wurden. Perfektionismus tötet ihre Kreativität und nimmt die Freude am Gestalten (siehe ´Tiefgang`: „Perfektionismus ist der Todfeind der Intuition“ [3]).

Literatur:

 

Related Post

Druckansicht [4]     [5]