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Heino gehört (leider) zu Deutschland

Heino hat´s mal wieder krachen lassen. Eine alte LP als Präsent an eine NRW-Ministerin enthält SS-Lieder wie „Wenn alle Untreu werden“ oder „Ich hatt‘ einen Kameraden“. Der Aufschrei ist groß. Aber was genau ist der Skandal?

Heino wird dieses Jahr 80. Und er kann es immer noch: die Nation spalten. Ist ja irgendwie Zeitgeist und ein Gespür für eben diesen hat er all die Jahre bewiesen. Nun schenkte er der nordrhein-westfälischen Ministerin Ina Scharrenbach eine Platte, die seine Frau Hannelore noch im Keller gefunden haben will. Darauf einige Lieder, die einst jeder SS-Kamerad zu singen wusste und die sich auch nach dm zweiten Weltkrieg noch erstaunlich lange in manchem Gemüt hielten.

Insgesamt fünf der 24 Lieder auf Heinos Doppel-Album sind laut „Westdeutscher Zeitung“ (WZ) in allen Auflagen des SS-Liederbuchs wiederzufinden. Keines der Stücke sei jedoch indiziert oder verboten. Scharrenbachs Ministerium teilte mit, Heinos Geschenke – insgesamt zwei Schallplatten und vier CDs – seien „bei der Übergabe nicht unter dem Aspekt der politischen Korrektheit überprüft worden“. Die Ministerin verwahre sich aber strikt dagegen, „in irgendeiner Weise mit der nationalsozialistischen Ideologie in Verbindung gebracht zu werden“. Und was sagt der schwarz-braune Haselnussknacker? „Die Lieder können doch nichts dafür, wenn sie instrumentalisiert worden sind“.

Eichen-Astrein! So kannte man ihn. Tenor: „Das wird man ja wohl noch singen dürfen …!“

Es waren vor allem die 80er Jahre, als Heino sich einen Ruf erarbeitete, an der er heute lückenlos anzuknöpfen schafft. 1983 und 1986 tourte er durch das damals noch am Apartheidsystems festhaltende Südafrika – trotz eines UNO-Embargos und trotz eines Kulturboykotts vieler internationaler Künstler. 1977 sang Heino auf Bitte des damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Hans Filbinger auf einer für Unterrichtszwecke produzierten Schallplatte alle drei Strophen des Deutschlandliedes. Filbinger selbst stürzte ein Jahr später darüber, dass er zuvor NS-Marinerichter war und vier Todesurteile fällte. Heino sang weiter.

Heimat-Botschafter

All das ist also nicht ganz fremd und unbekannt, beschäftigt man sich mit dem blonden Germanen. Wichtiger scheint daher die Frage, wieso dies so in den Hintergrund geraten konnte, als Heino 2013 mit dem Studioalbum Mit freundlichen Grüßen sich neu erfand und in Lederkutte und mit Gothic-Kette antrat, die Jugend zu erobern. Das Album beinhaltete zwölf Coverversionen bekannter deutschsprachiger Pop-, Hip-Hop- und Rocklieder. Nach dem Motto: „Heino traut sich was!“ wurde die Veröffentlichung von umfangreichen Werbemaßnahmen begleitet, so dass schon kurz nach Erscheinen das Album so oft aus dem Internet heruntergeladen wurde wie kein Werk eines deutschen Interpreten zuvor. Zeitweilig stand es auf Platz 1 der deutschen Album-Charts. Die meisten Medien jubelten. Verweise auf die Vorgeschichten – selten bis gar nicht. Selbst die Macher des Metalfestivals ´Wacken Open Air` luden ihn ein und er spielte gemeinsam mit Rammstein den Song Sonne, den er auf dem Album Mit freundlichen Grüßen gecovert hatte.

Ist Erfolg also doch so erotisch, dass Ruhm keine (moralischen oder gar politischen) Grenzen kennt?

Oder passt der Ausspruch von Fußball-Manager-Legende Reiner Calmund besser? „Wenn Du Erfolg hast, kannst Du einen Haufen auf die Straße machen und alle staunen noch und jubeln – ´schau mal, der dampft sogar´!“ Hinsichtlich der braunen Farbe vielleicht ein recht passendes Bild.

Interessanter ist aber, einen Blick auf die von Heino beschenkte Ministerin zu werfen. Denn es ist das „Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung“, das nach der Abwahl der rot-grünen Regierung von der neuen CDU-geleiteten Führung um Ministerpräsident Laschet erstmals neu und im Sommer 2017 installierte wurde. Und Heino war als einer der „Heimat-Botschafter“ eingeladen. Wo also könnte man ein solches heimatbezogenes Geschenk besser platzieren? Und es spricht Bände, dass man seitens des Ministeriums das Geschenk „nicht unter dem Aspekt der politischen Korrektheit überprüft“ hatte. Denn was ist „politische Korrektheit“ im neuen Heimatministerium?

Und was ist das eigentlich für ein Ministerium, das es nun auch gleich auf Bundesebene und mit blau-weiß-bayrischer Färbung gibt?

Unsichtbare Wurzeln

Ina Scharrenbach: „Heimat sind aus meiner Sicht unsichtbare Wurzeln, die jeder und jede von uns in sich hat.“ Dem Eindruck, das Ganze solle vielleicht doch nur eine Art Geheimwaffe gegen Wutbürger darstellen, eben gegen die AfD, entgegnete Scharrenbach den Kopf schüttelnd: „Für mich ist das keine Rückwärtsbetrachtung, von dem, was irgendwann war. Oder, dass es Personen gibt, die dann sagen: Heimat ist nur für Inländer. Die gibt es ja auch. Und dann sage ich immer relativ offen: Nein, das ist es nicht. Weil: Jeder Mensch, auch die, die zuwandern, bringen eine Geschichte mit sich. Eine Heimat mit sich.“ Und Scharrenbach weiter: „Heimat sind aus meiner Sicht unsichtbare Wurzeln, die jeder und jede von uns in sich hat.“

Naja. Alles in allem doch recht unausgegoren. Wissen die eigentlich, worauf sie sich da einlassen? In Zeiten des rechten Populismus darf man gewiss sein, dass Heinos Geste kein Einzelfall bleiben wird (und schon jetzt nicht ist!). Und unser Bundes-Heimatminister Seehofer hat ja auch schon bewiesen, dass die Nutzung des Heimat-Begriffs problemlos an vergangen geglaubte Denktraditionen anzuknüpfen vermag.

Man schafft also ein Ministerium für Heimat und wundert sich dann, dass der Begriff Heimat „instrumentalisiert“ wird – wie Heino sagen würde. Eher unglaubwürdig. Wahrscheinlicher ist, dass genau dies gewollt war und ist. Wehret den Anfängen …

 

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