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Jazz: Kultur statt Info

Viele Jazzfans waren schon immer irritiert: beim NDR lief Jazzmusik auf dem Kanal NDR-Info – wo sonst alle Viertelstunde Nachrichten laufen. Also da, wo  man es nicht erwartet. 2021 nun wechselt die Jazzredaktion zum Kanal NDR-Kultur.  

 In der Mitteilung des NDR heißt es:

„Swing, Soul, Funk, Bebop, HipHop – und noch so vieles mehr: Jazz ist Kopf und Bauch, Kunst und Entertainment, lustvolles Experiment, grenzenlose Spielfreude und geniale Virtuosität. All das gibt es ab Januar in Play Jazz! auf NDR Kultur.

Der Jazz kommt nach Hause zu NDR Kultur! Ab Januar gibt es fünfmal in der Woche ein vielfältiges Programm. Montags bis freitags ab 22.35 Uhr spürt die Redaktion neue Schätze auf, informiert über die lokalen, regionalen und internationalen Jazzszenen und unternimmt Ausflüge in die mehr als 100-jährige Geschichte des Jazz.

Neue Jazz Alben, Konzert- und Festival-Tipps, dazu Interviews mit und Porträts von Protagonisten der Szene: Was bisher auf NDR Info in Sachen Jazz lief, finden Sie nun bei NDR Kultur.

Montag, Mittwoch und Freitag berichtet das „Play Jazz! – Magazin“ aus der gesamten Welt des Jazz. Mitreißende Liveaufnahmen aus Clubs und von Festivals finden sich dabei ebenso wie frische Album- und Konzerttipps und neue Projekte der NDR Bigband. Dazu gibt es spannende Reisen in die Geschichte des Jazz und hautnahe Reportagen aus der norddeutschen Szene.

Am Dienstag gibt es in „Play Jazz! – Konzert“ Liveaufnahmen des NDR aus dem Rolf-Liebermann-Studio, aus Clubs und von Festivals im Sendegebiet – beispielsweise von JazzBaltica, Elbjazz, Eldenaer Jazz Evenings, See More Jazz und der Jazzwoche Hannover.

Jeden Donnerstag gibt es orchestralen Jazz in „Play Jazz! – NDR Bigband“. Dann spielt das international renommierte Ensemble. Vorgestellt werden Studioaufnahmen, Konzerte und CD-Veröffentlichungen. Einmal im Monat präsentiert das „NDR Bigband Magazin“ aktuelle Projekte.

Darüber spricht NDR Kultur Moderatorin Petra Rieß mit Jazzredakteur Stefan Gerdes.

Stefan, wann und wie bist Du zum Jazz gekommen?

Stefan Gerdes: Zu Hause war ich umgeben von Musik. Da lief praktisch alles von den Beatles bis Beethoven. Mit zehn Jahren habe ich meine erste Gitarre bekommen und so ein bisschen Bob Dylan nachgespielt. Und dann habe ich mit ungefähr 13 Jahren zum ersten Mal John McLaughlin gehört, den englischen Jazzgitarristen, und der hat mich buchstäblich umgehauen.

Ich bin in Jever groß geworden, in Friesland, und bin nach der Schule immer sofort nach Hause geradelt, denn um die Mittagszeit lief Jazz im NDR.

Das muss man sich mal vorstellen: Werner Burkhardt hat damals neue Platten vorgestellt und ich bin dann nach dem Mittagessen sofort in die Metropole Wilhelmshaven und habe mein ganzes Taschengeld für die neue Platte von Keith Jarrett auf den Kopf gehauen. In Wilhelmshaven gab es in den 1970er-Jahren schon das Pumpwerk. Das war so etwas wie die kleine Schwester der Fabrik in Hamburg. Und da hab ich sie dann alle gesehen: Joachim Kühn, Joe Henderson, Archie Shepp. Man kann sagen, das Radio und die Konzerte haben mich zum Jazz gebracht. Und ich wollte als Schüler schon zum Radio, und speziell zur Jazzredaktion.

Das klingt nach einer Liebesgeschichte, die ein Leben lang dauert. Du bringst jetzt den Jazz mit vielen neuen Sendungen zu NDR Kultur. Welche Sendungen erwarten uns denn?

Gerdes: Ich glaube, wir kommen mit einer sehr schönen Mischung aus bereits Bewährtem und Neuem. Wir haben ja künftig die Sendestrecke abends immer von kurz nach halb elf bis Mitternacht. Und die haben wir zweigeteilt, das heißt in der ersten Stunde hören wir „Play Jazz!“. Da gibt es dreimal die Woche das Magazin mit Berichten aus dem Sendegebiet, neuen CDs und dann natürlich die NDR Bigband – dieses Weltklasse-Ensemble hat einen eigenen Sendeplatz am Donnerstag. Und das freut mich riesig. Denn jetzt haben alle Ensembles des Norddeutschen Rundfunks ihren Sendeplatz bei NDR Kultur. Und unsere Konzertreihe, unsere Konzertsendung, die gehört künftig auch zu NDR Kultur. Da senden wir Mitschnitte von allen Festivals und aus den Clubs im Norden.

Und für die letzte halbe Stunde vor Mitternacht haben wir uns für NDR Kultur etwas ganz Besonderes ausgedacht: Diese Reihe heißt künftig „Round Midnight“. Da wollen wir ein bisschen tiefer graben, Hintergrundgeschichten erzählen, durchaus auch politische Geschichten. Oder mal schauen, wie sich Jazz zu anderen Genres verhält, zu Samba, Tango oder klassischer Musik. Und wir erzählen die Geschichten berühmter Jazz-Songs oder sogenannter Standards. Da hab ich auch gleich eine Empfehlung: Am 5. Januar widmen wir uns dem Titel, der dieser Reihe den Namen gegeben hat, nämlich Thelonious Monks Komposition „Round Midnight“.

Du hast jetzt schon die NDR Bigband erwähnt, die ihren Platz in den neuen Sendungen haben wird. Aber es gibt ja im Jazz beim NDR noch mehr: Die Live-Konzerte liegen Dir besonders am Herzen, glaube ich.

Gerdes: Ja, wenn ich ehrlich bin, ist das ein bisschen das Sahnestück meiner Arbeit. Diese Konzertreihe im Rolf-Liebermann-Studio gibt es ja schon seit über 60 Jahren. Und ich habe jetzt schon seit 20 Jahren das große Vergnügen, diese Reihe zu kuratieren, das heißt, die Künstler einzuladen. Und das hat eine große Tradition, denn dort haben Karrieren wie die von Keith Jarrett oder Jan Garbarek mit angefangen. Ich bin mir dessen sehr bewusst und versuche auch heute, Künstlerinnen und Künstler einzuladen, die genau in diesem Moment kurz vor ihrem Durchbruch stehen. Der italienische Pianist Stefano Bollani, die Franzosen Vincent Peirani und Émile Parisien, die junge Schlagzeugerin Eva Klesse, die waren alle genau in dem Moment bei uns.

Und das hatte ich eigentlich auch für diese Saison geplant, aber die ist durch Corona buchstäblich an die Wand gefahren. Ich musste zwölf Bands ausladen beziehungsweise in das neue Jahr umparken. Und wenn ich mir so das Frühjahr anschaue, dann wird mir schon ein bisschen Angst und Bange. Aber ab April könnte es vielleicht etwas entspannter werden. Das ist mir auch sehr wichtig, denn dann kommt ein Musiker, auf den ich mich sehr freue: Das ist Pablo Martin Caminero aus Madrid. Der hat klassischen Kontrabass in Wien studiert und spielt heute mit seiner Band eine unglaublich raffinierte Mischung aus Jazz und Flamenco. Das wäre ihr erstes Konzert außerhalb von Spanien – also drücken wir die Daumen für April!“

Quelle: www.ndr.de/kultur/musik/jazz [1]

 

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