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Kultur politisch

Ohne Kulturpolitik kein Kulturbetrieb: Oft sehen sich Kulturschaffende vor allem als Abhängige der Kulturpolitik. Die Juli-Ausgabe des „Kultur Management Network“-Magazins will den Knoten der kulturpolitischen Prozesse entwirren und zeigen, wie Kulturschaffende ihre eigenen Kulturpolitiker werden können.

Kulturpolitik tickt auf jeder Ebene anders, wird von verschiedenen Faktoren und Personengruppen beeinflusst. Dem gegenüber fühlen sich viele Kulturbetriebe hilflos. Doch Kulturpolitik ist stärker auf Ihren Input angewiesen als es auf den ersten Blick vielleicht scheint. „Also nur Mut!“ rufen die Magazin-Macher*innen einem zu, um selbst aktiv und kreativen Einfluss auf die politische Seite von Kultur zu nehmen – und damit auch auf den eigenen Arbeitsalltag.

Das Magazin führt einige Interviews um beispielhaft verschiedenen Genres und Strukturprobleme aufzuzeigen. Auch unser Elphi-Leiter Lieben-Seutter berichtet aus seinen Erfahrungen noch ohne Prunkbau. Daraus für die alltägliche Kulturarbeit abzuleiten, dürfte jedoch abwegig sein.

Ein Interview macht aber auf jeden Fall Spaß: Dr. Wolfgang Bordel, studierter Physiker und promovierter Philosoph, ist heute Intendant des Theaters Anklam. 1993 trieb er die Privatisierung des Theaters An­klam voran und wurde Intendant und Geschäfts­führer der Vorpommerschen Landesbühne GmbH. Er empört sich, warum Kultur im Diskurs immer als „freiwillige Aufgabe“ begriffen werde – also nach dem Motto „es zwingt Sie ja niemand dazu“. Dem hält er entgegen: „Der Mensch lebt nicht, um zu arbeiten – das mag uns Luther eingeredet haben wollen. Aber er geht nur arbeiten, dass er sich ein Leben mit Kultur und Freizeit ermöglichen kann; dass er ins Kino, ins Schwimmbad, in die Kirche gehen kann. Der Mensch möchte dort sein, wo man sich mit anderen Menschen trifft, wo Leben und Spaß existiert. Wir zahlen Steuern, dass wir ein gutes Leben führen können und nicht dafür, dass wir noch drei Panzer mehr kaufen. Also warum wird Kultur zu einer freiwilligen Aufgabe erklärt?“ Deshalb sei Kulturpolitik in einem Land so schwierig, in dem nicht einmal ein Prozent des Haushaltes der Städte, Gemeinden, Kommunen, Landkreise für Kultur ausgegeben würde. Da könne „man nicht Kulturpolitik betreiben, denn was soll denn da politisch diskutiert werden? Eigentlich ist Kultur von der Finanzpolitik abhängig, in der Konsequenz sollten wir mit Finanzministern sprechen, die haben das Geld – nicht die Kulturminister.“

Und weil es so schön ist: „Es wird allerorts darüber gesprochen, dass wir eine „Kulturnation“ sind. Demgemäß müssten eigentlich alle Politiker eine Kulturverpflich­tung unterzeichnen, die vorschreibt, dass sie ihr Gehalt erst bekommen, wenn sie auch Kultur wahrnehmen, sie also regelmäßig ein Schwimmbad, ein Kino, eine Bibliothek besuchen. Denn sie müssen doch wissen, was die Menschen berührt.“

Fazit: Lesenswert ist die Magazin-Ausgabe allemal, wenngleich es an Praxis doch etwas fehlt. Denn ein Problem wird zwar thematisiert: nämlich dass Politik das Sujet Kultur nach wie vor als „Spielwiese“ und nicht grundlegende Infrastruktur begreift. Zumal die meisten Politiker*innen selbst kaum Kultur wahrnehmen – also im Grunde Laien, Dilettanten sind. Aber ob und wie man es ohne sie bewerkstelligen kann, bleibt weitestgehend unerschlossen. Und auch wenn man Politik versucht einzubeziehen: muss man sich dann hinunterbeugen oder können sich Politiker*innen aufrichten? Vermutlich fehlt es an praktischen positiven Erfahrungen. Aber das kann sich ja ändern. Wenn man eben Mut hat.

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Quelle: www.kulturmanagement.net [1]

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