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Kultur und Politik – passt das überhaupt?

2017 ist Bundestagswahlkampf und das heißt: alle Parteien schießen aus allen Rohren und zu so ziemlich allen Themen. „Die Linken“ sogar zur Kultur. Wir schauen mal hin.

Kultur ist eines der Themen, für die fast jede*r Politiker*in nur Gutes über hat. An den Taten gemessen merkt man aber: der Ausspruch unseres Ex-Kanzlers Schröder, Kultur- und Familienpolitik sei „Gedöns“, ist real. Lippenbekenntnisse auf der einen, aber wenig Kulturetat geschweige denn –konzept auf der anderen Seite verweisen darauf, dass offenbar der Glaube herrscht, mit Kulturpolitik sei eben kein Blumentopf zu gewinnen.  So stellte die Frankfurter Allgemeine [1] erst im NRW-Wahlkampf wieder fest: Im Wahlkampf sind sich alle Parteien in Nordrhein-Westfalen in einem einig: Kulturpolitik ist Nebensache.“

„Mit Kultur kann man Politiker jagen“

Und FAZ-Redakteur Andreas Rossmann resümierte vorausschauend: „Mit Kultur kann man die Politiker in NRW jagen: Vor der Wahl liegt das ganze Elend offen zutage. Dass die Kulturpolitik an Rhein und Ruhr marginalisiert wird, verheißt für das Land nichts Gutes.“ (FAZ [2]vom 12. Mai 2017)

Und so wie in NRW ist es auch beim Bundestagswahlkampf kein Thema und in Hamburg mag die Elbphil-harmonie ein zeitungsfüllendes Thema sein. Im Kulturausschuss hingegen finden sich nicht mehr ganz so viele Ambitionen. Und selbst im Kulturausschuss im Bezirk Harburg fand sich bei einem letzten Workshop-Treffen von Kulturschaffenden, Verwaltung und Politik ein einziger Vertreter einer politischen Fraktion. Von den Grünen. Kultur ist schön und gut, aber andere Dinge eben wichtiger.

Eigentlich erstaunlich, da ja mit wenig Mitteln schnell Begeisterung und Elan erreicht werden könnte und kann. Eine Veranstaltung sticht daher gerade etwas heraus aus dem Nichts all der zur Zeit uns anschreienden Wahlplakate. (Wahlplakate sind es natürlich nicht. Die dürfen ja erst wenige Wochen vor der Wahl hängen. Aber viel mehr Plakate werden es wohl zumindest in der Anzahl auch nicht mehr werden können.) Denn die Bürgerschaftsfraktion der Linken lädt genau zum Thema Kulturpolitik am Donnerstag, 13. Juli 2017 um 19.30h in den Medienbunker ins „Übel & Gefährlich“ [3]in die  Feldstraße 66 ein. Thema „Die Rahmenbedingungen der Kulturpolitik“. Und interessant ist dabei vor allem, dass in der illustren Diskussionsrunde Klaus Lederer,  Kultursenator von Berlin und eben in der rot-rot-grünen Regierung für die Linken sitzen wird.

Berlins Kultursenator am Tisch

Reine Oppositionspolemik dürfte hier also nicht möglich sein und seine bisherigen Aktionen (Ablehnung des bereits vom Bund durchfinanzierten Konzeptes eines ´House of Jazz` mit Trompeter Till Brönner oder der ´Kreuz`-Streit um das Berliner Stadtschloss) lassen ja eine gewisse „neue Linie“ erkennen. Ebenso am Tisch: Amelie Deuflhard, künstlerische Leiterin von Kampnagel sowie Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher für die Hamburger Linken-Fraktion. Er fiel zuletzt durch Forderungen nach freiem Eintritt zu Dauerausstellungen in Hamburger Museen auf wie auch zur Forderung einer Kulturtaxe bei nachts im Hafen liegenden Kreuzfahrtschiffen.

Smart stehend für Kultur: Berlins Senator Klaus Lederer

 

Und worum soll es gehen? Der Titel jedenfalls lautet „Kultur | Politik – Was geht?“

Aus der Vorankündigung:

„ ´In der Kulturpolitik (geht es) darum, gute Rahmenbedingungen für die künstlerische Arbeit herzustellen.`

Klingt nach einem guten alten Deal? Geht so Kulturpolitik? Geht so! Wie steht‘s mit dem Zutrauen zwischen Kulturpolitik und Kulturszene? Was erwarten Kulturschaffende von der Kulturpolitik? Was erwarten Kulturpolitiker*innen von Kulturschaffenden? Wer ist wofür zuständig und wofür nicht? Gibt es für alle Beteiligten jenseits der ausgetretenen Pfade noch Ansätze für wahrnehmbare, konkrete Veränderungsprozesse?

In Punkto auskömmliche Förderung kommen Kulturpolitiker*innen und Kulturschaffende traditionell selten auf einen Nenner. Diskussionen über kulturpolitische Visionen hinterlassen bei allen Beteiligten gerne einen staubigen Beigeschmack: Am Ende geht’s immer um‘s Geld und davon gibt‘s eh nie genug.

Aber wie steht es eigentlich um den kulturpolitischen Status Quo? Diverse Bücher, Blogs und Podien haben das gängige kulturpolitische Setting ausführlich in Frage gestellt: Es galt neue Finanzierungsmodelle zu finden, mehr Markt zuzulassen, weniger Kanon festzuschreiben und verstärkt von den Nutzer*innen her zu denken. Kulturinstitutionen haben derweil ihren Betriebscharakter geschärft, Behörden ihre Controlling-Abteilungen ausgebaut und Künstler*innen sich nebenbei zu Betriebswirt*innen ausgebildet.

Alle haben sich irgendwie weiterentwickelt aber wohin?

Gerungen wird nach wie vor um die wettbewerbsfreien Zonen. Gestritten wird immer noch, und erfreulicherweise wieder mehr, für faire Arbeitsbedingungen, über den Zugang zu den Institutionen oder über den gesellschaftspolitischen Wert einer öffentlich gewollten (bspw. (post-)kolonialen) Erinnerungskultur.

Vieles davon findet sich durchaus in den großen zyklischen Verlautbarungen der Kulturpolitik wieder: In Kulturhaushaltsdebatten, Wahlprogrammen oder Koalitionsverträgen. Aber die skeptisch gerunzelte Stirn vieler Kulturakteure bleibt. Was nützen die aufrichtigsten Versprechen, wenn gar kein Verfahren zur Hand ist, mit dem man etwas ausrichten kann? Wenn der Ausbau der Projekt- und Fondsförderung an der Arbeits- und Bewältigungsrealität von Kulturschaffenden vorbeigeht?

Oder wenn eine Schuldenbremse die Logik von Tarifausgleich und Bedarfsanmeldungen aushebelt? Sobald Kulturpolitik kraftlos in ein deklaratorisches Stadium zurücksinkt, ist das Zutrauen fix dahin. Ist das so? Und wenn ja, was tun und wie geht das?“

(Quelle: linksfraktion-hamburg.de [4])

Termin: Do., 13. Juli 2017 um 19.30h im „Übel & Gefährlich“, Feldstraße 66, 20 359 Hamburg

(21. Jun. 2017, HL)

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