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„Neues Zentrum machbar!“

„3falt – Kunst, Kultur, Kreativität“ – das Projekt zur Erprobung einer kulturellen Neu- bzw. Umnutzung der einstigen Harburger Dreifaltigkeitskirche in der Neuen Straße – geht zuversichtlich ins Jahr 2019. In der Pressemitteilung hierzu heißt es:

„Obwohl die Probephase der Initiative SuedKultur sowie des Stadtentwicklungsvereins Stadtkultur Hafen e.V. noch nicht beendet ist, zeigt sich für alle Beteiligten: eine Neunutzung als genreübergreifendes Kulturzentrum von und für die Harburger Kultur ist nicht nur möglich sondern heiß begehrt.

Mathias Lintl vom Verein Stadtkultur Hafen e.V.: „Es ist unglaublich, was an verschiedenen Formaten in diesen Räumen alles möglich ist. Auch wenn unsere derzeitigen Möglichkeiten  derzeit aufgrund des Zustandes des Gebäudekomplexes recht eingeschränkt sind, ist die Nachfrage und der Ideenimpuls für diesen Gebäudekomplex enorm hoch. Konzerte, Kino, Theater, Tanz, Kunst, Begegnungen und Kurse jeder Art –  es scheint kaum etwas zu geben, was nicht schon angefragt oder erprobt wurde. Und es zeigt sich: Harburg fehlt genau so ein Zentrum, in dem man unwillkürlich aufeinander trifft und Neues entwirft.“

3falt bei der Music-Night.

Heiko Langanke, Projektleiter der mittlerweile ins zwölfte Jahr gehenden Initiative SuedKultur, der mittlerweile rund 50 Kulturinstitutionen des Süderelbe-Raumes angehören: „Ein kulturelles Haus der Vielfalt steht schon lange auf der Agenda der SuedKulturler. Mit der „3falt“ kommt auf einmal ein Ort mit konkreten Räumen in greifbare Nähe. Und ob es nun Hoch- oder Subkultur ist, von Literatur über Tanz und Theater, Film oder Konzerten – es entsteht beinahe zwangläufig ein spannendes Programm für alle Kulturneugierigen. Und aktuelle Themen wie Integration oder Inklusion kommen ganz nebenbei zur Verwirklichung. Es müsste eben ein wenig am Gebäude getan werden.“

Doch noch mal zur Entwicklung:

Ausgangslage:

Als es Ende Nov. 2017 die ersten konkreten Gespräche mit der Eigentümergemeinde Trinitatis Harburg über eine kulturelle Erprobung der Dreifaltigkeitskirche gab, um über eine mögliche Weiternutzung des Gebäudekomplexes zu diskutieren, war die Gemeinde noch in Verhandlungen mit einem interessierten Investor. Dieser hatte ein Angebot abgegeben und erbat bis Ende Februar 2018 Bedenk- & Prüfzeit. Nachdem aber auch diese Interessensbekundung zurückgezogen wurde, kamen erste konkrete Gespräche über eine kulturelle Testphase zustande. Ende April 2018 schließlich wurde es konkret und der Kirchenkreis HH-Ost erarbeitete eine Vereinbarung in Form einer Anhandgabe, die dann zum Mai von den Parteien Trinitatis-Gemeinde Harburg, dem Verein Stadtkultur HH e.V. und der Initiative SuedKultur unterzeichnet wurde und eine Probe- und Erkundungsphase bis Ende Feb.2019 vorsieht.

Zum Juni 2018 kam es schließlich zur Schlüsselübergabe und erstmaliger In-Augenscheinnahme des  Komplexes. Kurz vor den Sommerferien.

Jazz-Duo Jakubowsky / Bahlmann am 2. Nov. in der 3falt.

Um zumindest eine erste Einschätzung aller bei SuedKultur zusammengeschlossenen Kulturschaffenden vornehmen zu können, wurde kurzerhand eine Art „Kulturtag“ am 14. Juni anberaumt. Dort fanden Lesungen, verschiedene Konzerttests, Tanz- & Theaterproben statt, die auch der Öffentlichkeit zugänglich waren aber vor allem den Kulturschaffenden einen ersten Eindruck über die Möglichkeiten einzelner Räume und ihrer Beschaffenheit gaben. Schon hier war das Fazit durchweg positiv: erste konkrete Ideen wurden notiert, diskutiert und erarbeitet und sollten dann in Einzelformaten nach den Sommerferien konkreter erprobt werden.

Erste Problemstellungen wurden auch schon erkannt wie etwa Brandschutzpläne, eingeschränkte Erprobungen durch mangelnde Kenntnis über die bestehenden Denkmalschutzauflagen aber auch fest installierte Kirchenbänke oder veraltete Strominfrastruktur, nötiger Schwingboden im Tanz- & Theaterraum etc.pp.

Ab September dann startete nach und nach eine Art „Programm“: am Tag des offenen Denkmals zeigte der Publikumsverkehr großes Interesse am Gebäude sowie dem Architektenehepaar Spengelin, das sich für den Nachkriegsbau verantwortlich zeichnete und auch der Harburger Stadtgeschichte. Denn bis 1944 war der vorherige Kirchenbau auch Hauptkirche von Harburger an der Elbe und Wilhelmsburg. Also ein durchaus relevanter Standort.

Die Ausstellung „wir in Harburg“ dann offenbarte erste Möglichkeiten für breiter angelegte Kunstdarstellungen. Kunstkurse in den Außenbereichen  und im Gemeindehaus verdeutlichten die neuen Möglichkeiten für viele Kreative, denen es an (zentral gelegenem) Raum im Bezirk mangelt.

Der erste Harburger Comic-Kulturtag aber auch die Tanz- & Theaterproben verwiesen auf mögliche neue Kulturformate und –angebote, die durch großzügigere Räume überhaupt erst möglich wurden. Die SuedKultur Music-Night wie auch der Harburger Kulturtag verdeutlichten den großen und sofortigen Zuspruch beim lokalen Publikum und den Raumbedarf bestehender lokaler Akteure. Ein Konzert zweier indischer Musiker offenbarte die spirituelle Ruhe, ein nachfolgendes Jazz-Duo und auch eine öffentliche Probe eines lokalen Kammerorchesters unterstrich die außergewöhnliche Klangstruktur des Kirchenschiffes.

Reges Interesse an ´70 Jahre Grundrechte` …

Im Verlauf des Herbstes wurden auch Formate erprobt, die im Süden Hamburgs selten sind oder auch nicht über den nötigen Raum verfügen. So wurden verschiedene Kino- und Film-Formate ausgetestet aber auch ein Adventsmarkt und die Größe von Leinwandfläche und die Möglich-keiten der Raumgestaltung samt Filmdarstellung mit Rückprojektion überraschten positiv.

Parallel wurde eine Online- aber auch Print-Werbeplattform geschaffen, von der alle einzeln erprobenden Akteure profitierten und zugleich für das interessierte Publikum eine Programm entstand, das an Vielfalt und Spannjung schnell seinesgleichen im Bezirk suchte. Auch hier zeigten sich schnell Synergien und vor allem eine mediale Wahrnehmung durch die inspi-rierende Unterschiedlichkeit der Programmpunkte. Ob Hoch- oder Subkultur, ob Kunst oder Musik, Tanz oder Theater ob für Jung oder Alt – die Programmfacetten selbst beeindruckten und verdeutlichten zugleich, dass hier ein kulturelles Vakuum gefüllt wird.

Zudem erweisen sich die Netzwerkstrukturen der lokalen Initiative SuedKultur als durchaus stabil, da für die Tests notwendige technische Infrastruktur problemlos und schnell zur Ver-fügung gestellt wurde: eine bereit Unterstützung aller Mitgliedsorganisationen für das Modell-projekt konnte aufgebracht werden und Hilfestellungen etwa bei GEMA- und Filmrechte-Anforderungen, Catering, Fachwissen wie Spielstättenverordnung, Brandschutz, Barrierefreiheit oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gingen schnell und sachkundig in verschiedene und kompetente Hände. Ob Marias Ballroom, die Akademie für Musik und Kultur, das Stadtmuseum Harburg, die Geschichtswerkstatt, das Kulturhaus Süderelbe, das Stellwerk oder der Irish Pub Old Dubliner  – wo Hilfe gebraucht wurde, war Hilfe da.

Das Projekt ´Artothek` im Rahmen des 3falt-Kulturtages Mitte Juni 2018. (Foto: Jürgen Drygas)

Und bei aller Improvisation in der technischen und logistischen Infrastruktur zeigte sich bei fast allen Akteuren, dass hier künftig noch viel mehr möglich ist. Terminanfragen häuften sich frühzeitig bis weit ins Jahr 2019 hinein. Und dabei sind hier nur die kulturellen Anfragen und keine durchaus unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwertbaren Anfragen  (Bezirksamtswahlen, Jahrestag Eritraergemeinde, Techno-Party-Veranstalter, Firmeneventanfragen, Raumnutzungs-anfragen z.B. Verbraucherschutzverein oder DRK).

Die Nachfrage an Raum ist für die Beteiligten daher unstrittig. Die Planungen in die kalten Winterzeit hinein bei völlig unklaren Erwartungen an anstehende Betriebskosten bzw. Möglich-keiten der Beheizbarkeit etc. konnten das Potenzial dabei nicht mal in Ansätzen ausloten.

Aber: das Gebäude ist in eben einem Zustand, der einer ersten Herrichtung bedarf, um über-haupt umfangreich nutzbar zu sein. Kaputte Fensterisolierungen, verdreckte Heizschächte, ver-altete oder schadhafte Beleuchtungseinrichtungen, die eingeschränkte Nutzbarkeit der WCs oder der Stromleitungen stehen dem ebenso im Weg wie unklare Bedingungen über künftige Eigentumsfragen oder auch mögliche nutzbare Raumkapazitäten.

Ganz nebenbei erlebten die Akteure, dass sich durch den langen Leerstand des Gebäudekom-plexes eine starke Vermüllung im Umfeld, teils Drogenhandel und Szenetreffs in den nicht ein-sichtigen Bereichen eingebürgert hatten. Seit der regelmäßigen Reinigung aber auch der häuf-igen Nutzung des Gebäudekomplexes tags wie abends ließen diese Effekte relativ rasch nach.

Und so sehen die Akteure die im Konzept zur Stadtteilentwicklung angedachte „Reaktivierung der ehemaligen Klangkirche Hamburgs“ als mehr als realistisch.

„Auch dass Räume nicht gratis zu haben sind, ist allen beteiligten völlig klar. Einnahmen aus rein kultureller Nutzung im obersten fünfstelligen Bereich sind realistisch. Es müssten nur mal Nägel mit  Köpfen gemacht werden“, so Heiko Langanke zur Planungslage im Hintergrund.

Dabei geht es vor allem darum, dass die Gemeinde Trinitatis signalisiert hat, das Gebäude nicht weiter im Besitz behalten zu wollen. Wohl aber das Grundstück. Bisher gab es einige Gespräche mit der Stadtentwicklungsgesellschaft STEG und Bezirksmitarbeitern, um auch über Möglichkeiten im Rahmen des RISE-Stadtentwicklungsprogramms Eissendorf-Ost zu erörtern, konkrete Ergebnisse aber ließen auf sich warten.

Aber auch der eingebundene Harburger Architekt Carsten Lünzmann, der jüngst mit der Neugestaltung des Eingangsbereichs zum Harburger Stadtpark sowie der dortigen Freiluft-Bühnengestaltung auffiel, ist zuversichtlich: „Die Auflagen des Denkmalschutzamtes sind für dieses Projekt keine Belastung sondern eher bereichernd, da beiderseits die sakrale Baukunst der Architekten Spengelin, das Ineinandergreifen von Baustilen über fast vier Jahrhunderte sowie die zentrale Stadtgeschichte Harburgs immer auch Kulturthemen sind, die inspirieren aber auch neue Inter-pretationen ermöglichen. Dass eine Kirche natürlich anders beheizt wird als eine Konzerthalle,  eben so nicht über Barrierefreiheit und Sanitäranlagen nach heutigem Standard verfügt, ist ebenso logisch wie aber heutzutage mit Solardächern und Wärmedämmung ganz andere Möglichkeiten bestehen, kostensparend solche Gebäude zu betreiben.“ Fördermöglichkeiten aber seien da.

Filmprojekt „Newcomers“ samt Gespräch …

Und was erwartet die Harburger in 2019?

Projekt minimal music

 Detailinfos unter: http://www.sued-kultur.de/?cat=57 [4]

Gefördert wird 3falt u.a. vom Fonds Soziokultur, Saga Stiftung Nachbarschaft, dem Beirat der Integrierte Stadtteilentwicklung Harburg Innenstadt / Eißendorf-Ost und der Bezirksversammlung Harburg.“

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