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Rechtsfreie und Hansestadt Hamburg

Hamburg merkt man den Stolz an, sich als Freie und Hansestadt zu titulieren. Doch mit der Freiheit ist bald Schluß – zumindest für einige Tage …

Mit einem Offenen Brief wenden sich das Komitee für Grundrechte und Demokratie [1], der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein [2], die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen [3], die Humanistische Union [4] und die Liga für Menschenrechte [5] an die Regierungsfraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie befürchten, dass die Stadt Hamburg anlässlich des G20-Gipfeltreffens Anfang Juli 2017  in einen Ausnahmezustand versetzt wird. In einer Demokratie darf weder das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt, noch die Bewegungsfreiheit der Bürger und Bürgerinnen massiv eingeschränkt werden.

Der Brief im Wortlaut [6]:

„Sehr geehrte Abgeordnete der Regierungsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft,

mit dem G20-Gipfel am 7./8. Juli 2017 haben Sie sich ein schwer zu handhabendes Treffen hochrangiger Politiker*innen in die Stadt geholt.
Die Politik der G20 wie auch die Politik der Vertreter*innen vieler Staaten rufen breite Proteste hervor. Regierungen müssen grundsätzlich eine solche Kritik an ihrer Politik aushalten, denn Demokratie lebt von der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Meinungs- und Versammlungsfreiheit zählen zu den „unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens“.
Mit Sorge hören wir, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der Stadt Hamburg während und vor dem Gipfel außer Kraft gesetzt werden soll. Am Wochenende, 8./9. April 2017, wurde bekannt, dass der gesamte Innenstadtbereich (die so genannte Blaue Zone) nicht für Versammlungen zur Verfügung stehen soll. Auch das für solch große Versammlungen einzig geeignete Heiliggeistfeld solle für alle Versammlungen gesperrt werden. Dies bedeutete die Abschaffung des Versammlungsrechts.
Auch wenn danach andere Signale gesandt wurden und Justizsenator Till Steffen (Grüne) am Dienstag, 11. April 2017, bekannt gab, dass es kein Demo-Verbot in der Hamburger Innenstadt geben wird, bleiben unsere Sorgen bestehen. Zu befürchten ist, dass neue Wege der massiven Einschränkung gesucht und neue Verbote möglich gemacht werden könnten.

keinen Ausnahmezustand in Kauf nehmen

Eine Stadt, die sich ein solches Gipfeltreffen in die Stadt holt, darf damit nicht einen Ausnahmezustand in Kauf nehmen, der zur Aussetzung grundlegender Freiheitsrechte der Bürger*innen führt. Würden Grundrechte nur in guten und unkomplizierten Zeiten gelten, wären es keine Grundrechte und hätte ihre verfassungsmäßige Garantie keinerlei Wert. Sicherheitsinteressen des Staates können die Grundrechte, die Freiheitsrechte der Bürger*innen sind, nicht verdrängen. Demokratie verliert jede Substanz, wenn Sicherheitsinteressen die verfassungsmäßigen Freiheitsrechte aushebeln.

Wir, bundesweit aktive Bürgerrechtsorganisationen, fordern Sie auf, ernsthaft dafür Sorge zu tragen, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit, wie auch Bewegungsfreiheit für die Bürger*innen, während dieses Gipfels gewährleistet werden. Als Abgeordnete sind Sie der Demokratie verpflichtet.
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist Garant einer demokratischen Grundordnung. Orientierung gibt noch immer das Bundesverfassungsgericht, das in seinem Brokdorf-Beschluss formulierte, dass „das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, (…) seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers“, gilt.
Wir werden das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auf die uns jeweils zur Verfügung stehende Weise verteidigen und die Entwicklungen genau beobachten. Wir fordern Sie auf, uns über den Fortgang zu informieren.

gez.: Dr. Elke Steven (Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., ElkeSteven@grundrechtekomitee.de)

– Humanistische Union e.V.
– Internationale Liga für Menschenrechte e.V.
– Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
– Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
– Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.“

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