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Scheinbare Ruhe

John Pütz sitzt wie wir alle zuhause und macht sich so seine Gedanken …

Es ist ruhig in diesen Tagen. Genau genommen: zu ruhig.

Alle scheinen entspannt, haben Zeit, geben sich Zeit. Das merkt man an der plötzlichen Umsicht. Durch den Mindestabstand von 1,50 Meter scheint auf einmal der Blick geweitet. Mancher nimmt wahr, das da noch jemand gerade in den Drogeriemarkt geht, nimmt sein Tempo raus und gewährt dem anderen freundlich Vorfahrt (oder heißt es dann Vor-Gang? Ach nein, Vor-Tritt!).

Ja, eine gewisse Freundlichkeit – an der Kasse. Man bedankt sich, nach dem Zahlen. Quasi als Danke, dass man zahlen durfte. Denn geschenkt ist ja schon die Zeit, die man noch haben darf auf diesem Planeten. Oder wie meinen die das?!

Freundlich gegenüber der Postbotin, die mancher überhaupt das erste Mal wahrnimmt. Naja, jetzt, wo man weiß, dass all das die Helden des Alltags sind – da will man sich des Lobes nicht allein verschleißen. Und wer weiß, wofür es noch gut sein wird.

Wenn die Regierung erst komplett daniederliegt – so wie die immer und überall ohne Maske vor den Mikros und Journalisten stehen. Das geht ganz schnell und die ganze Regierung ist dahingerafft. Aus. Vorbei. Ein Land ohne Führer – da haben wir uns schon dran gewöhnt. Aber ganz ohne Führung? Da wären dann bestimmt die Helden des Alltags die natürlich Nachrückenden, oder? Hat´s doch schon mal in Österreich gegeben. Expertenregierung oder so.

Ganz oben wäre da bestimmt der Christian Drosten. Klar. Und für die Stadt Hamburg haben wir ja das RKI und seine Mannen. Und für Harburg wäre es dann eben die Kassiererin aus dem Discounter ohne Mehrwertsteuer (obwohl die immer auf dem Kassenbon ausgewiesen ist. Wollte ich denen eh mal sagen) und die Postbotin. Die überbringt dann die Nachrichten der Kassiererin.

Die hat keine Ahnung von so was, sagen Sie?

Ist doch wurscht, wie man jetzt schon sieht. Es wurde doch gerade erst der Chef vom Harburger Gesundheitsamt beurlaubt. Das heißt, man sagt, sein Urlaub habe er schon lange geplant. Aber ob er den wirklich auf Balkonien nehmen wollte? Wie auch immer. Seinen Job macht jetzt eine Halbtags-Ärztin. Und? Sehen Sie, kein Unterschied! Ist völlig wurscht, wer da sitzt und ob er was tut.

Und an den Erkrankten im Seniorenheim hätte sowohl er als auch sie ganz- oder halbtags auch nichts ändern können. Ist eben so.

Dann könnte es auch die Kassiererin machen.

Und wir würden sie freundlich grüßen und die Postbotin würde uns kleine Zettel in unsere Kästchen werfen, auf denen notiert steht, was uns Harburger auf den Tagesweg mitgegeben wird. Etwa: „einen schönen Tag, lieber Harburger! Und es würde uns freuen, wenn Sie auch heute wieder Ruhe und Gelassenheit haben, anderen den Vortritt ließen und Zeit für Um- und Nachsicht hätten! Ihre Alltagsheldin von der Kasse“

Da will man es sich jetzt also nicht verderben.

Deswegen, glaube ich, deswegen sind die alle so ruhig! Zu ruhig, genau genommen.

 

Euer John Pütz

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