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Schmerzbilder als Wegweiser

Chronischen Schmerzen machen mürbe, müde und rauben Energie. Es fehlen Worte und Hoffnung gebende Perspektiven. Mit der Kunst können wir dem Schmerz einen Ausdruck geben.

von Ulrike Hinrichs

Der Schmerz ist ein quälendes aber auch spannendes Phänomen. Er zieht alle Aufmerksamkeit auf sich, damit wir gefährliche Situationen sofort erkennen und handeln können. Biologisch gesehen ist Schmerz daher eigentlich positiv. Schmerzen  signalisieren dem Gehirn, dass etwas im Körper nicht stimmt.

Bei chronischen Schmerzen dagegen hat sich das schmerzverarbeitende System des Körpers verändert, so dass der Körper Schmerzsignale gibt, auch wenn keine akute Gefahr besteht. Aus wiederkehrenden Schmerzerfahrungen finden Veränderungen im zentralen Nervensystem statt, die als Schmerzgedächtnis [1] bezeichnet werden. Das Warnsystem des Körpers reagiert auch dann mit Schmerz, wenn eigentlich gar keine Gefahrenquelle vorliegt. Das bedeutet aber nicht, dass der chronische Schmerz eingebildet ist. Das Nervensystem unterliegt einem erlernten Fehlalarm. Bei chronischen Schmerzen leiden Betroffene oft so sehr, dass sie keinen Ausweg mehr sehen. Denn der Schmerz hört einfach nicht auf und webt sich in das gesamte Leben ein. Chronischer Schmerz raubt den Schlaf, mindert die Leistungsfähigkeit, belastet Beziehungen, übermalt alle anderen Gefühle und mindert die Lebensqualität enorm. Folgen der Belastung sind all zu oft sozialer Rückzug und Einsamkeit. Auf der anderen Seite kann der Schmerz immer auch als Wegweiser dienen und uns zum Fühlen zwingen. Mich beeindrucken die Ähnlichkeiten zwischen künstlerischem und körperlichem Ausdruck. Oft spricht der Schmerz eine Sprache, die wir nicht auf Anhieb verstehen, da sie – wie auch der künstlerische Ausdruck – eher bildhaft symbolisch ist. Schmerzen kommen aus dem sprachlosen Raum, Worte können sie kaum erfassen. Im künstlerischen Ausdruck können wir den Schmerz übersetzen. Das Kunstwerk als Bote wandelt den Schmerz in eine andere Form, vermittelt dabei neue Einsichten und zeigt Kräfte und Ressourcen auf. Kunst ist eine Sprache der fühlenden intuitiven Seite in uns. Der künstlerische Ausdruck macht unbewusste Themen sichtbar, die einen Weg in die Zukunft weisen können. Mit dem Kunstwerk bekommen wir einen erweiterten Blick auf unsere Symptome und Schmerzen. Ab Februar 2021 startet im Kulturhaus Süderelbe eine neue Gruppe für Menschen mit (chronischen) Schmerzen. Künstlerische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.  Leitung: Ulrike Hinrichs, Kunsttherapeutin, Künstlerin, www.lösungskunst.com [2]

Infos zum Kurs: Kulturhaus Süderelbe [3] 

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