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Wertvoll für den Süden

Literaturtage nur zum passiven Konsum? Das reicht dem neuen Leitungsteam der Harburger VHs nicht und so bietet sie etliche Kurse rund ums Wort. Wir haben nachgefragt …

In den vorherigen Jahren holte die VHS in Kooperation mit der Bücherhalle prominente Gäste wie Heinz Strunk und Carmen Korn nach Harburg zu den Literaturtagen. Im diesjährigen Programm finden sich zudem Angebote, die dazu einladen, vom Zuhörer zum aktiven Teilnehmer zu werden. Wir fragten beim Leitungsteam der Region Harburg/ Finkenwerder, Ilker Ipek und Julia Hoffmann, nach, was für eine Idee dahintersteckt.

Tiefgang (TG): Die SuedLese entstand, um der Literatur eine besondere Bühne zu bieten und das Interesse an Büchern zu fördern. Die Hamburger Volkshochschule war von Anfang an Kooperationspartner. Welche Gründe waren dafür ausschlaggebend?

Ilker Ipek: Wir waren von Anfang an von genau dieser Idee der Suedlese begeistert. Die Suedlese bringt Institutionen und Kulturschaffende zusammen und es entstehen neue Kooperationen, neue Ideen und neue Angebote für die Menschen im Stadtteil. Das ist für den Süden Hamburgs sehr wertvoll.

TG: Betrachtet die VHS Lesen und Schreiben ganz grundsätzlich als Kernkompetenzen, die es explizit zu fördern gilt?

Ilker Ipek: Die Hamburger Volkshochschule betrachtet Lesen und Schreiben als unabdingbare Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Die VHS bietet seit 1986 Kurse an, in denen Menschen das Lesen und Schreiben lernen. Darüber hinaus finden Teilnehmende in unserem offenen Programm Lesungen, Schreibwerkstätten, Literaturgesprächskreise und vieles mehr.

TG: Welche Erfahrungen werden bei deren Vermittlung gemacht? Welche Rolle spielt die persönliche Ansprache?

Ilker Ipek: Im Bereich Grundbildung ist eine persönliche Ansprache sehr wichtig. Für viele ist der erste Schritt zu einem Kurs aus vielerlei Gründen nicht einfach. Wir freuen uns aber immer wieder zu sehen, mit welcher Freude die Teilnehmenden die Kurse besuchen nach dem sie den ersten Schritt gemacht haben.

TG: Susanne Bienwald wird dieses Mal als Autorin keine Lesung mit einem ihrer Bücher machen, sondern versuchen, gemeinsam mit Teilnehmenden dem Geheimnis guter erster Sätze auf die Spur zu kommen. Ist dies ein eigens erdachter Ansatz anlässlich der SuedLese?

Ilker Ipek: Die konkrete Planung für die Kurse hat meine Kollegin Frau Hoffmann koordiniert. Sie kann die Fragen zu den konkreten Angeboten viel besser beantworten.

Julia Hoffmann: Die Idee zu diesem Kurs hat Susanne Bienwald eigens für die Suedlese entwickelt! Gerade die ersten Sätze sind ja die entscheidenden. Daher war Ihre Überlegung, einen Kurs anzubieten der sich besonders dem Einstieg in eine Erzählung widmet. Die Veranstaltung lautet daher auch: Erste Sätze finden – eine ganz besondere Textwerkstatt. („Hut ab“, sagte der Verleger nach dem Lesen des ersten Satzes.).

TG: Bei einem anderen Angebot werden Buchstaben selbst zum sinnlichen Erlebnis. Kalligraphie erinnert an die ursprünglich hohe Kunst der Schriftsprache, die wesentlich zur Weitergabe von Wissen beiträgt, also Bildung im eigentlichen Sinn.

Julia Hoffmann: Die Bedeutung der Schrift für die Bildung ist natürlich fundamental. Bei diesem Kurs geht es uns auch darum in Zeiten des digitalen Wandels, in denen ein großer Teil der Kommunikation im Alltag digital stattfindet ein Angebot vorzuhalten, welches genau auf die Kunst der analogen Schrift setzt. Ich denke, dass diese Kurse wirklich ein Ausgleich zum digitalen Alltag bieten und daher bei unseren Teilnehmenden sehr beliebt sind.

TG: Ähnlich ist das Angebot „Handlettering“. Hier kann man etwas über die Bandbreite der Schrifttypen erfahren und mit der Wirkung experimentieren. Welche Zielgruppe wird hiermit erfahrungsgemäß besonders angesprochen?

Julia Hoffmann: Unsere Kurse richten sich ganz nach unserem Motto „Bildung für alle!“ an eine sehr breite Zielgruppe. Jede oder jeder kann an diesen Kursen teilnehmen.

TG: Speziell etwas für Jüngere ist das Angebot „Comics zeichnen“, denn diese Form der Literatur erfreut sich besonders bei Kindern und Jugendlichen großer Beliebtheit. Früher eher belächelt und oftmals unterschätzt, genießt sie mittlerweile bisweilen Kultstatus, auch in erwachsenen Kreisen. Die Verknüpfung der Elemente Bild & Sprache bietet sehr viel kreativen Spielraum.

Versteht sich die VHS als Brückenbauerin, wenn sie Mittel und Wege zeigt, wie schon junge Menschen kulturschaffend sein können?

Ilker Ipek: Wir denken, dass Maßnahmen der kulturellen Bildung besonders wichtig für die Persönlichkeitsbildung und Selbstmotivation der Jugendlichen sind. Aus diesem Grund veranstaltet die Junge VHS seit Jahren den talentCAMPus. Das ist ein Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 18 Jahren. Er richtet sich besonders an Kinder und Jugendliche, die wegen ihrer finanziellen, familiären oder sonstigen Situation bildungsbenachteiligt sind.

TG: „Stadtgeschichten“ schulen die eigene Beobachtungsgabe und sollen dazu verlocken, diese in Worte zu fassen. Durchaus denkbar, dass Teilnehmende auf den Geschmack kommen und weiterentwickeln, was beim Verfassen kurzer Texte seinen Anfang nahm. Vielleicht wird der eine oder andere noch Geschichte schreiben…

Julia Hoffmann: Genau das passiert tatsächlich in unseren Kursen. Die tollen Ergebnisse sehen wir jedes Jahr in der Veranstaltung „Hamburg schreibt – ein VHS-Leseabend“. In dieser Veranstaltung bekommen Teilnehmende aus unseren Schreibkursen und Literaturwerkstätten die Möglichkeit ihre Texte einem breiten Publikum vorzustellen. Das ist wirklich eine tolle Sache.

TG: Alle diese Angebote laden dazu ein, sich selbstwirksam mit dem Akt des Schreibens auseinanderzusetzen, also aktiv zu werden, statt nur Zuschauer bzw. Zuhörer zu sein. Eine schöne Idee, die SuedLese um einen zusätzlichen Aspekt zu erweitern. Diese Ergänzung dürfte den Besuchern und Besucherinnen noch mehr Lust auf Literatur machen und auch einmal mehr aufzeigen, wie vielseitig die Hamburger Volkshochschule ist!

(das Interview für ´Tiefgang` führte Sonja Alphonso)

Das Kursangebot der Volkshochschule während der Literaturtage findet sich im SuedLese-Programmheft [1] auf den Seiten 63-67.

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