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Heino Jaeger´s Weg nach Stade

2022 sorgte Heino Jaeger in Hamburgs Süden für Aufsehen. Nun findet ein Teil seines Nachlasses ein Zuhause – in Stade …

Bis zum 5. März 2023 war die Ausstellung zum Werk von Heino Jaeger (1938, Harburg – 1997, Bad Oldesloe) im Museum für Stadtgeschichte in Harburg zu sehen. Genau ein Jahr zuvor nahm sie im Kunsthaus Stade ihren Anfang, das die erste große Retrospektive des Künstlers initiiert hatte. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen, der gerade in der zweiten überarbeiteten Auflage veröffentlicht wurde und im Kunsthaus Stade sowie in Harburg erworben werden kann.

Ein wichtiger Leihgeber der Schau war der frühere Galerist Heino Jaegers, Christian Zwang. Er hatte auch inhaltlich zur Entstehung der Ausstellung beigetragen und in diesem Zusammenhang erstmals den Wunsch geäußert, seine private Jaeger-Sammlung an ein Museum abgeben zu wollen. Bisher verfügt lediglich das Archäologische Museum Hamburg / Stadtmuseum Harburg über Werke des Künstlers. Die meisten Arbeiten Jaegers befinden sich in Privatbesitz.

Schon im Vorfeld der Stader Ausstellung hatten die Museen Stade eine Arbeit von Heino Jaeger in ihre Sammlungen übernommen. Es handelt sich um das „Panorama der Jahrtausende“, ein wichtiges Zeitzeugnis der 1970er-Jahre, welches von Jaeger und seinem Freund Harold Müller im Auftrag des damaligen Helmsmuseums gestaltet wurde. Nun kommen 155 Werke des Künstlers in Form von Zeichnungen, Gemälden, Aquarellen und Radierungen hinzu. Sämtliche Werke stammen aus dem Nachlass des im Oktober 2022 verstorbenen Galeristen Christian Zwang, dessen Wunsch – die Sammlung an ein Museum abzugeben – zusammen mit seinem Sohn Thomas Zwang realisiert werden konnte. Den Ankauf finanzierte die Hamburger HERMANN REEMTSMA STIFTUNG. „Wir freuen uns, dass die Kunst von Heino Jaeger endlich einen Platz gefunden hat“, wie Dr. Sebastian Giesen, Geschäftsführer der Stiftung, mitteilt.

„Die Sammlung Zwang bildet das gesamte Werk Heino Jaegers von den späten 1960er-Jahren bis Mitte der 1980er Jahre ab. Alle wichtigen Sujets und Techniken sind vertreten. Es ist nun die größte Museumssammlung des Künstlers, die den öffentlichen Zugang zu seinem einzigartigen Werk sicherstellt. Dies schließt an die mit Ausstellung und Katalog bereits umfassend begonnene Auseinandersetzung zu Jaeger an und bietet zahlreiche neue Möglichkeiten“, so Dr. Sebastian Möllers, Direktor der Museen Stade. Bei den Museen Stade wird der Neuzugang in ein längerfristiges Engagement münden. Es sollen Mittel akquiriert werden, um ein digitales Werkverzeichnis zu erstellen und eine Internetseite über den Künstler zu launchen.

Einen kleinen Auftakt macht die aktuell produzierte T-Shirt-Edition mit drei Motiven Jaegers aus der neuen Sammlung der Museen Stade, welche nun in den Shops der Museen Stade angeboten wird.

HEINO JAEGER

Heino Jaeger war Künstler, Komiker und Nonkonformist. Die Rundfunksendungen, mit denen er in den 1960er- und 70er-Jahren eine breite Aufmerksamkeit erreichte, machten ihn zum Vorbild vieler Satiriker*innen. Obwohl das bildkünstlerische Werk die größte Konstante seines Schaffens darstellt, ist es nahezu unbekannt und wurde mit der Ausstellung im Kunsthaus erstmals umfassend vorgestellt. Dabei wirbt die erlauchte Fangemeinde von Jaeger stetig für sein Werk und jüngst wurde seine Biografie als Roman von Rocko Schamoni veröffentlicht. Die Motive von Jaegers Arbeiten reichen von volks- und naturkundlichen Objektzeichnungen über vermeintlich klassisch anmutende Landschaften, von Straßenszenen hin zu Interieurs. Personen werden häufig technisiert dargestellt und treffen in seinen Zeichnungen und Gemälden auf Tiere oder Mischwesen. Jaegers Kindheitserlebnisse aus der Kriegs- und Nachkriegszeit werden ebenso in seinen Darstellungen sichtbar. Dabei sind die Zurschaustellung des Alltäglichen einerseits und die gleichzeitige Infragestellung eines Normalzustandes andererseits der Kern seiner künstlerischen Arbeit.

Biografie

geboren am 01.01.1938 in Harburg
Vater: Hein (Heinrich) Jaeger (*1901), Fotograf. Mutter: Elli Jaeger (*1904), geborene Grzegorek, Schneiderin. Schwestern: Marion (*1928) und Edith (*1930)

1943 Übersiedlung nach Dresden

1944 Einschulung in Dresden

1945 Zeuge des Luftangriffs auf Dresden im Februar 1945

1945 im Mai Rückkehr nach Hamburg-Harburg

1945-1953 Volksschule in Hamburg-Harburg

1950 Selbstmord des Vaters

1953-1956 Ausbildung zum Musterzeichner für Stoffdruck bei Maria May, Landeskunstschule Hamburg

1956-1959 Studium in der Klasse Freie Grafik und Illustration bei Alfred Mahlau bis zu dessen Emeritierung, Hochschule für bildende Künste, Hamburg (HFBK)

1959-1961 Studium in der Klasse für Schrift-Grafik bei Werner Bunz, HFBK

1959 studienbegleitende Tätigkeiten: Reisebegleiter und Entwurfszeichner für Prospekte und Plakate bei Scharnow-Reisen GmbH KG, Briefträger, Textilentwerfer, Vermesser / Wetterbeobachter auf Feuerschiff Elbe 1, Hilfsbäcker in Brotfabrik, Kautschukverwerter bei den Balatroswerken, H. Rost & Co, Musterzieher in Seifensiederei

ab 1960 freiberufliche Tätigkeiten als Zeichner von Stadtplänen und Lehrfilmen, angestellt als Zeichner im ehemaligen Museum für Völkerkunde, Hamburg (heute: MARKK. Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt)

1960-1968 Reisen mit Künstlerfreunden, darunter Michael Mau, Alexander Knispel, Hanns Witteck u.a. nach England, Belgien, Dänemark, Frankreich, ehem. Tschechoslowakei

zahlreiche Ausflüge in Norddeutschland

1965-1968 Zeichner im Landesmuseum Schleswig-Holstein

1966 erste eigene Wohnung in Hamburg-Harvestehude

1967 Zeichner im ehemaligen Helms-Museum (seit 2009 Archäologisches Museum Hamburg / Stadtmuseum Harburg)

1967 Umzug nach Hamburg-St. Pauli

1967 Reise mit Joska Pintschovius nach Frankreich und Besuch in Basel bei Jürgen von Tomëi, deutsch-schweizerischer Karikaturist und Grafiker

1968 Umzug nach Hamburg-Eppendorf

1970-1972 Erarbeitung des „Panoramas der Jahrtausende“ für das damalige Helms-Museum mit dem Freund und Kollegen Harold Müller

1970-1973 Reisen mit Joska Pintschovius u.a. nach Dänemark, England, Belgien

1972 Umzug nach Hamburg-Eimsbüttel, die Souterrainwohnung war ein ehemaliges Tapetenlager

1975 Reise und Versuch einer Auswanderung nach Thailand, Rückkehr noch im selben Jahr

1977 Umzug in die Hamburger Innenstadt

1981 bestellt das Vormundschaftsgericht einen Gebrechlichkeitspfleger für Heino Jaeger

1984 Totalverlust der Wohnung in der Hamburger Innenstadt durch selbstverursachten Brand

1984 Psychiatrieaufenthalt, daran anschließend wohnhaft in verschiedenen Sozialeinrichtungen und stationären Wohngruppen

1986 Umzug nach Bad Oldesloe, in die sozialpsychiatrische Facheinrichtung Haus Ingrid

am 07.07.1997 verstirbt Heino Jaeger an den Folgen eines Schlaganfalls

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