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Das musikalische Prekariat

Zum wiederholten Male äußert sich der Deutsche Musikrat besorgt über die prekäre Situation freischaffender Musiker*innen. Und die Deutsche Jazzunion lädt zur Teilnahme an einer weiteren Studie …

In seinem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Kulturpolitische Mitteilungen“ der Kulturpolitischen Gesellschaft geht Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, von der – rhetorischen – Frage aus: Was wäre das Musikland Deutschland ohne die Freischaffenden in allen Sparten, sei es vor, hinter oder auf der Bühne, in den schaffenden und nachschaffenden wie in den musikpädagogischen Berufen? Es gäbe sie nicht, diese kulturelle Vielfalt, die unser Land immer noch auszeichne. Doch die kürzungs- und schließungsbedingten Risse in der kulturellen Infrastruktur legten immer deutlicher offen, dass dieses Fundament bröckle. So habe die „Eiszeit-Studie“ des Deutschen Musikrates nicht nur die poröse finanzielle Situation der Freischaffenden einmal mehr verdeutlicht, sondern auch gezeigt, dass im Nachwuchsbereich mit einem Rückgang von etwa 50 Prozent an Menschen

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gerechnet werde, die aufgrund unklarer beruflicher und finanzieller Perspektiven einen Musik- oder musikpädagogischen Berufen ergriffen.

Höppner macht in seinem Beitrag klar, dass es nun gelte, dieser beispiellosen Krise mit deutlich verbesserten Rahmenbedingungen bei den sozialen Sicherungssystemen und den Erwerbssituationen zu begegnen. Er appelliert: Wenn die gerade im Musikbereich sehr früh angelegte Qualifizierung keine entsprechende finanzielle wie ideelle Wertschätzung erfahre, werde es zu einer Deprofessionalisierung in den musikpädagogischen und künstlerischen Feldern kommen, die sich eben nicht durch zeitlich befristete Projekte oder den Einsatz von Quer- und Seiteneinsteigenden in den Schulen beheben lasse. Künstlerische Vielfalt, musikpädagogische Wirksamkeit und soziale Gerechtigkeit bedingten einander. Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Kulturpolitische Mitteilungen“ finden Sie hier [2], den vollständigen Beitrag von Höppner darin auf den Seiten 42 und 43.

Aich professionelle Jazzmusiker*innen sind, wie viele andere Kunstschaffende, in der gegenwärtigen Pandemie extremen wirtschaftlichen und sozialen Belastungen ausgesetzt. Eine Reihe von ersten Befragungen und Fachbeiträgen zeigt, dass neben den hohen Erwerbseinbußen und eingeschränkt verfügbaren Ressourcen insbesondere die mit den Tätigkeitsbeschränkungen verbundene Distanz zum Publikum und der Mangel an Spiel- und Auftrittsmöglichkeiten erhebliche psychosoziale Belastungen mit sich bringen.

Mit der aktuellen Jazzstudie 2022 möchte die Deutsche Jazzunion dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die Situation von Jazzmusiker*innen in Deutschland zu entwickeln. Neben der generellen Lebens- und Arbeitssituation von Jazzmusikerinnen und -musikern sowie den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die künstlerische und wirtschaftliche Situation und das persönliche Wohlbefinden ist die Gewinnung von Daten, anhand derer der Status quo von Gleichberechtigung und strukturellen Benachteiligungen besser verstanden und transparent gemacht werden kann, ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie. Die Jazzstudie 2022 ist eine deutlich erweiterte Anschlussstudie an die Jazzstudie 2016 [3] und wird im Rahmen des Projekts „Insight Out“ von der Initiative Musik gGmbH aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. Alle Informationen und den Teilnahmezugang finden Sie hier [4]

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