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Der Wunsch nach Normalität

Jugendliche, die aus Krisengebieten nach Deutschland geflüchtet sind, wollen nicht „Opfer“ sein sondern suchen Spaß und Normalität. Eine Studie hilft beim Perspektivwechsel.

Dies ist ein erstes Ergebnis einer systematischen Untersuchung der Lebenswelt junger Geflüchteter an der Universität Siegen. Die Stiftung Ravensburger Verlag, von der die Pilotstudie „Junge Geflüchtete in den Angeboten der Jugendarbeit“ unter Leitung des Erziehungswissenschaftlers Professor Dr. Thomas Coelen gefördert wird, hat nun erste Ergebnisse der Studie veröffentlicht.

Jugendliche und junge Erwachsene, die aus Krisengebieten nach Deutschland geflüchtet sind, wollen in Jugendzentren und anderen Angeboten der Jugendarbeit nicht als „Opfer“ in die Kategorie Flucht eingeordnet werden. 16- bis 22-jährige Geflüchtete formulieren „normale“ Ansprüche an Jugendhäuser: Freundschaften schließen, Fußball, Basketball oder Billard spielen, Spaß haben, Ablenkung von Langeweile – aber auch die deutsche Sprache trainieren und potenzielle Hilfe für Behördenkontakte finden.

Dies ist ein erstes Ergebnis einer systematischen Untersuchung der Lebenswelt junger Geflüchteter unter Leitung des Erziehungswissenschaftlers Professor Dr. Thomas Coelen an der Universität Siegen. Bislang gibt es nur sehr wenige empirische Studien zur Lebenswelt junger Geflüchteter.

Forschung zur Lebenswelt junger Geflüchteter

Wie nutzen Minderjährige und junge Erwachsene mit einer Fluchtgeschichte die Angebote der Offenen Jugendarbeit? Wie nehmen sie diese wahr, und welche Sicht haben (sozial-)pädagogische Fachkräfte auf die Situation der Geflüchteten? Mit Förderung der Stiftung Ravensburger Verlag geht das Siegener Forschungsteam aus Erziehungswissenschaftler/-innen im Fachgebiet Jugendbildung, Sozialisations- und Lebenslaufforschung diesen und weiteren Fragen im Umfeld der Flüchtlingsthematik nach.

Ziel: Handlungsorientierung für die praktische Jugendarbeit

Die Ergebnisse der auf zwei Jahre (bis Ende 2018) angelegten qualitativen Pilotstudie mit problemzentrierten Interviews in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sollen dem Forschungsdialog dienen und Handlungsorientierung für die praktische Jugendarbeit bieten. Die bislang interviewten Jugendlichen wurden teils mehrfach interviewt (qualitative Erhebung), ebenso Fachkräfte der Jugendarbeit (repräsentative Erhebung).

Erste Ergebnisse der Interviews mit 16- bis 22-Jährigen präsentiert das Forschungsteam am 8. März 2018 im Rahmen eines Werkstattberichts bei der Fachtagung „Die Offene Kinder- und Jugendarbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ an der Hochschule Düsseldorf.

Mitmachen: Spaß haben, Freunde finden, Sport treiben

Diejenigen Jugendlichen mit Fluchtgeschichte, die aus eigenem Antrieb regelmäßig Jugendtreffs aufsuchen, hatten von den Angeboten meist durch Freunde oder Gleichaltrige, Jugend- oder Sozialarbeiter erfahren. Sie reagierten positiv auf Sportangebote wie Fußball, Basketball, Volleyball, Tennis und Badminton. Sie wollten „mitmachen“, „Spaß haben“ und erhofften sich Ausflüge und ähnliche Aktivitäten. Eine wichtige Motivation lautet „Freunde finden“, eine andere, der Langeweile (v. a. an ländlichen Wohnorten) zu entkommen. und an der Schnittstelle zu relevanter Politik und Forschung.

Zugleich erhoffen sie sich bei Bedarf von Jugendarbeitern konkrete Hilfe bei Behördenkontakten bzw. empfinden eine potenziell vorhandene Unterstützung („wenn ich sie brauche“) als vorteilhaft und beruhigend. Ebenso möchten sie ihre Deutschkenntnisse in Gesprächen verbessern („man kann nicht nur mit einem Buch lernen“). Bemerkenswert ist, dass einige Jugendliche während des Aufenthalts im Jugendtreff die Aufgabe übernehmen, selbst andere geflüchtete Jugendliche durch Dolmetschen deutscher Aussagen in ihre Muttersprache und umgekehrt zu unterstützen.

Wissenschaftliche Abschlusstagung im November 2018 in Frankfurt

Im aktuellen Fokus des Forschungsprojekts stehen Interviews mit weiteren Jugendlichen. Darunter befinden sich auch junge Geflüchtete, die eine negative Einstellung zu Jugendtreffs haben und Angebote der Jugendarbeit nicht annehmen. Über dieses und weitere Ergebnisse des Forschungsprojekts informiert eine wissenschaftliche Abschlusstagung im November in Frankfurt.

Weiterführende Links

Weitere Informationen zum Pilotprojekt [1] stehen auf den Seiten der Uni Siegen zur Verfügung. Außerdem sind auf den Seiten der Stiftung Ravenburger Verlag Ausführungen von Prof. Dr. Thomas Coelen zu der Frage „Wie verbringen junge Geflüchtete ihre freie Zeit in Deutschland?“ [2] zu finden.

Kontakt zum Forschungsteam:
Professor Dr. Thomas Coelen, Jennifer Buchna Universität Siegen, Fachgebiet Sozialisation, Jugendbildung, Lebenslaufforschung
E-Mail: thomas.coelen@uni-siegen.de

 

Quelle: Stiftung Ravensburger Verlag

https://www.ravensburger.net/stiftung/aktuelles/flucht/index.html [3]

 

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