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Die Geisteshaltung des Künstlerpaares Bossard

Über die Vergangenheit des Künstlers Joann Bossard  im Nationalsozialismus wurde lange geflüstert oder ganz geschwiegen. Damit ist nun auch in Jesteburg Schluss.

In einer Pressemitteilung der Kunstsätte Bossrad heißt es nun:

„Vor dem Hintergrund einer seit 2019 kontrovers geführten Debatte über die Vergangenheit des Künstlers Johann Bossard hat die Stiftung Kunststätte Johann und Jutta Bossard das Institut für Zeitgeschichte (IfZ), MünchenBerlin mit einem ersten Gutachten zum Verhältnis der Bossards zum Nationalsozialismus beauftragt. Im September des vergangenen Jahres begann Privatdozent Dr. Tobias Hof mit seiner Forschungsarbeit im Rahmen dieses Gutachtens. Die Ergebnisse präsentiert der Historiker jetzt an der Kunststätte Bossard einer interessierten Öffentlichkeit.

Eine durch einen externen Wissenschaftler unabhängige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage zur Geisteshaltung des Ehepaares Bossard zur Zeit des Nationalsozialismus schafft die Möglichkeit der professionellen Distanz aller mit der Thematik beteiligten Personen im Umfeld der Kunststätte Bossard. „Der Stiftungsrat der Kunststätte und das Museumsteam sehen die externe Forschung als Chance, wichtige positive Impulse für die museale Weiterentwicklung zu erhalten“, so der Landrat des Landkreises Harburg und Stiftungsratsvorsitzender Rainer Rempe.

Privatdozent Dr. Tobias Hof legt mit seinem Vorgutachten eine rund 100 Seiten umfassende Abhandlung vor, die drei thematische Schwerpunkte setzt. Es geht um die Person Johann Bossard und seine Lebensstationen, sein Werk und seine Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule in Hamburg, um Bossards Weltanschauung sowie seine politischen Äußerungen. Über die Untersuchung im Zeitraum des Nationalsozialismus hinaus, wirft Hof auch einen Blick auf die Nachkriegszeit und die Frage nach dem Umgang der Deutschen mit dem Erbe des Nationalsozialismus.

„Bossards Position ist ambivalent zu sehen“, fasst Tobias Hof die Ergebnisse seiner Vorstudie zusammen. „Einerseits steht er zweifelsfrei in einer Denktradition und Vorstellungswelt, aus der sich auch der Nationalsozialismus bediente. Bossards völkisch-mythische Weltbilder sind in hohem Maße anschlussfähig an entsprechende Vorstellungswelten des Nationalsozialismus. Auch hoffte er, dass es den Nationalsozialisten gelingen werde das „deutsche Volk“ zu „neuer Größe“ zu führen – ein Prozess, an dem er sich 1933/34 auch selbst aktiv beteiligen wollte. Andererseits war Bossard kein aktiver Unterstützer der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik. Mit Blick auf die zentrale Frage des Holocaust konnte in den bislang eingesehenen Dokumenten weder Anzeichen gefunden werden, dass Bossard den rücksichtslosen Ausbau zur Diktatur noch eine Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, und damit einen der Kernpunkte nationalsozialistischer Ideologie, befürwortete. Zugleich blieb Bossard seiner völkisch, national-konservativen Weltanschauung verbunden, in der auch antisemitische Tendenzen üblich waren.“

Für dieses erste Forschungsprojekt wurde ein Bearbeitungszeitraum von drei Monaten veranschlagt. Dr. Tobias Hof sieht aus diesem Grund das Gutachten als einen ersten Zugang zur Fragestellung, den es im Rahmen weiterer Detailforschungen zu erweitern gilt. Für die Studie konzentrierte er sich auf eine umfassende Sichtung der für Bossard relevanten Literatur zur Geschichte der Kunst und Kultur im Nationalsozialismus, zur Geschichte des Okkultismus und der völkischen Bewegung im deutschsprachigen Raum sowie zum Leben und Wirken von Bossard selbst. Er stellt heraus, dass es schwierig sein wird, weiteres relevantes Quellenmaterial in anderen Archiven in großer Anzahl zu finden. Dennoch sieht es Dr. Tobias Hof als wichtig an, Bossards Werk und sein Weltbild konsequent in einen breiteren gesellschaftlich-politischen Kontext einzubetten und ebenfalls die Person Jutta Bossard in eine Forschung mit einzubeziehen.

Der Historiker schlägt in seiner Studie der Kunststätte vier weitere Forschungsschwerpunkte vor: einerseits die Forschung zum Privatleben des Ehepaares Bossard im Nationalsozialismus, um aus dieser Perspektive heraus ein Verständnis von der nationalsozialistischen Diktatur zu gewinnen, andererseits die Einordnung, welche Rolle Bossards schweizerische Abstammung für sein Weltbild und seine Beurteilung politischer Ereignisse hat. Eine weitere Forschungsperspektive wäre die Erweiterung des Quellenmaterials zu Bossards Netzwerk um seine Freunde Wohlthat und Offergeld sowie die Untersuchung zu Künstlern und Bossard im Besonderen als Teil einer völkisch geprägten Generation.

Das Gutachten dient als Grundlage einer weiterzuführenden Diskussion über Bossards Vergangenheit und Wirkung, die mehr Raum für Differenzierung geben sollte. Stiftungsratsvorsitzender Rainer Rempe bestätigt: „Zum jetzigen Zeitpunkt halten wir die Forschung für nicht abgeschlossen. Sie wird in jedem Fall weitergeführt, orientiert an den von Dr. Hof vorgeschlagenen Schwerpunkten.“ Die Kunststätte Bossard möchte neben der weiteren Forschung insbesondere die Überlegungen zur Vermittlung und Ausstellung der Studienergebnisse einbeziehen. Heike Duisberg-Schleier, Leiterin der Kunststätte Bossard, erklärt: „Wir verfolgen einen multiprofessionellen Ansatz mit einem Forscherteam bestehend aus einem Historiker vom IfZ und weiteren Experten, die sich mit der Erstellung von Ausstellungs- und Vermittlungskonzepten beschäftigen.“

Zurzeit prüft das Team der Kunststätte die Fördermöglichkeiten und Umsetzungschancen dieses Wunsches. „Wir sehen in den Ergebnissen der Forschung die Chance, den Blick auf diese Zeit zu schärfen und die Weltanschauungen und geistigen Strömungen am Beispiel des Künstlerehepaares Bossard vor Ort an der Kunststätte vermitteln zu können“, so Duisberg-Schleier. Bis dahin wird die Ausstellung „Reden wir über Bossard“ im Seecontainer auf dem Gelände der Kunststätte überarbeitet und präsentiert die Ergebnisse der Vorstudie. Ein Umbau ist bis zum Sommer geplant. Des Weiteren wird die Beschilderung auf dem Gelände auf die neuen Forschungsergebnisse angepasst und auch die Themenführungen im Museumsalltag werden um die neuen Erkenntnisse ergänzt. Die im vergangenen Jahr etablierte Diskussionsreihe „Reden wir über Bossard“ wird fortgeführt. Vier weitere Veranstaltungstermine stehen bereits fest. Die Vorstudie von Dr. Tobias Hof ist auf der Homepage der Kunststätte Bossard als Download und in gedruckter Form an der Museumskasse erhältlich.

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