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Hamburgs großer Stolperstein

Der Umgang mit Geschichte ist nicht immer einfach. Der Gedenkort des Hamburger Stadthauses zeigt dies. Und es scheint, man lernt.

Als vor einigen Jahren klar war, dass ein Investor aus dem Hamburger Stadthaus, im Nationalsozialismus berüchtigte Zentrale der Gestapo, ein Shopping-Center machen will, warne die Proteste groß. Als (kostengünstige) Lösung wurde letztlich ein Gedenk- und Lernort installiert, der durch eine private Buchhandlung „Lesesaal“ getragen werden sollte. Da dies alleine die Gemüter nicht besänftigte, wurde zudem auf dem Gehweg vor dem Gebäude eine Kunstinstallation ermöglicht, die symbolisch die historischen Brüche darstellen soll.

Nun meldete die Buchhandlung im Rahmen der Pandemie Insolvenz an und das Thema kam unwillkürlich erneut auf den Tisch der Politik. (siehe Tiefgang „Ende des Dreiklangs“ [1] vom 29. Jan. 2022)

Nun hat die Hamburger Bürgerschaft schnell gelernt: der dortige Gedenkort zur Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wird erhalten bleiben – und sogar ausgeweitet. Dafür hat sich die Bürgerschaft am 2. Feb. 2022 ausgesprochen. Wie der NDR berichtete, kündigte Kultursenator Brosda an, der Gedenkort Stadthaus solle nun ein „großer Stolperstein“ in Hamburgs Zentrum werden. Der NDR ergänzte: „Die Linksfraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem die Betreiberin des Cafés mit Lesesaal schließen musste. Das Konzept dieses Gedenkformats sei damit endgültig gescheitert, sagte der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch. Er forderte die Einrichtung eines zentralen Lern- und Gedenkorts für die Opfer des Nationalsozialismus, „aber auch für die Mitglieder des Widerstands“ an selber Stelle.“ (NDR vom 3.2.: „Hamburger Stadthaus soll zum „zentralen Stolperstein“ werden“ [2])

Hierauf reagierten mittlerweile die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen positiv und teilen mit: „Wir freuen uns über den breit getragenen Beschluss der Hamburger Bürgerschaft, die Verantwortung für den Gedenkort Stadthaus zu übernehmen. Wir begrüßen, dass der Kultursenator sich für die Übergabe der gesamten Fläche an die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte einsetzt. Damit wird aus dem Scheitern des Konzepts, Erinnern und Gedenken zu privatisieren die richtige Konsequenz gezogen: Erinnern und Gedenken müssen öffentliche Aufgaben bleiben!

Damit gibt es endlich eine Chance, zu einem tatsächlichen Gedenk- und Lernort im Stadthaus zu kommen. Der Kultursenator hat öffentlich angekündigt, die Kulturbehörde wolle den Gedenkort nun zusammen mit den Verfolgtenverbänden weiterentwickeln. Daran beteiligen wir uns gern.

Nun hat der Senator in der Bürgerschaft schon verkündet, im Fokus des Gedenkorts müssten die Täter:innen stehen. Auch aus unserer Sicht ist es wichtig, in der ehemaligen Zentrale des Nazi-Terrors in Hamburg zu fragen, wie es möglich war, dass innerhalb weniger Monate aus der Polizei der Weimarer Republik das Werkzeug dieses Terrors werden konnte. Allerdings: wir halten daran fest, dass auch der Widerstand gegen diesen Terror in die Mitte der Stadt zum Stadthaus gehört. Die Beschränkung auf die Täter an diesem Ort ist eine nicht nachvollziehbare und eindimensionale Sicht der Geschichte, die wir als Opferverbände so nicht hinnehmen können und werden. Den zahllosen dort Verhafteten, Verhörten, Gefolterten und Gequälten und den Ermordeten von 1933 bis mindestens 1943 muss würdig und angemessen vor Ort gedacht werden!

Wir wünschen uns, dass über diese Fragen mit uns gesprochen wird, bevor neue Festlegungen über Fokus und Gestaltung der „gesamten Fläche“ getroffen werden.“

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