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„Kultur nicht per Knopfdruck wieder angeschaltet“

In Kürze starten die vierwöchigen Literaturtage in Hamburgs Süden. Wir haben mal nachgefragt, was uns erwartet. Ein Interview mit Anne Lamsbach, Projektleiterin der 7. SuedLese-Literaturtage in Hamburgs Süden …

Tiefgang (TG): Was ist anders?

Anne Lamsbach: Dieses Jahr findet die SuedLese wieder live und vor Ort statt. Literatur wird an unterschiedlichsten Stellen in Harburg und Umgebung „live“ erlebbar sein – das ist für uns alle eine Freude. Die VHS bietet aber wie im letzten Jahr auch weiterhin Onlinekurse an. Dieses Angebot hat sich mittlerweile etabliert und kann von Menschen in ganz Deutschland (theoretisch sogar weltweit) in Anspruch genommen werden.  

TG: Welche Formate erwarten die Literatur-Interessierten?

Anne Lamsbach: Neben spannenden klassischen Lesungsformaten gibt es wie immer auch außergewöhnliche Veranstaltungen wie Slam-Poetry am Kulturkiosk und Poetry-Slam im Stellwerk, Fensterlesungen für Kinder im HinZimmer, den Poetomaten auf dem Flohmarkt am Kanalplatz und viele mehr. In der Kneipe „Zur Stumpfen Ecke“ stellt die Geschichtswerkstatt e. V. die wilden Harburger Kneipen der 60er und 70er Jahre vor und in Moisburg können Familien sich märchenhaft mit Hexe, Wassermann & Co auf den Spuren Otfried Preußlers erschließen.

TG: Letztes Jahr wurde auch eine Werkstatt für Literatur am Poesie-Studiengang der in Harburg ansässigen Medical School Hamburg im Rahmen der SuedLese gegründet. Was passiert im <<LitLab>>?

Anne Lamsbach

Anne Lamsbach: Das an der Medical School verortete <<LitLab>> lädt in diesem Jahr auf dem Campus Arts and social Change zu einem „Werkstattgespräch“ ein. Zum Abschluss des Semesters stellen Studierende ihre Arbeiten und Erfahrungen, die sie unter der Themenüberschrift ‚Poesie im sozialen Raum‘ gemacht haben vor, berichten dabei von ihren künstlerischen Arbeiten und verknüpfen diese mit theoretischem Kontext. „Motherhood and writing“ etwa ist ein weiteres LitLab-Projekt, welches wir im Rahmen einer SuedLese-Veranstaltung vorstellen. Dieser Programmpunkt findet sich nicht im gedruckten Programmheft, aber in Kürze auf der Website www.suedlese.de [1]. Das Schreiben als Mutter birgt eine ganz besondere Qualität, die nicht selten aus Schmerz und Sehnsucht, Leidenschaft, aber auch aus Gefühlen der Machtlosigkeit oder Wut erwachsen kann. Im <<LitLab>> führen wir Interviews mit schreibenden Müttern, um mehr zu erfahren über dieses ganz eigene literarische Genre.

TG: Wie war das kollektive Miteinander?

Anne Lamsbach: Was wir beibehalten haben, sind die monatlichen online-SuedLese-Besprechungstreffen. Es ist eine einfache Möglichkeit für die Verantwortlichen der LeseOrte sowie für Autor*innen, sich untereinander auszutauschen, zu vernetzen und dabei die im Kultursektor oft geringen zeitlichen Ressourcen zu schonen. Ich erlebe diesen Austausch als bereichernd für die Literaturszene in Harburg und im Kreis. Ich selbst hätte ohne diese Besprechungstreffen viele Akteur*innen der Literaturszene in Harburg und Umgebung gar nicht persönlich kennengelernt.

TG: Welche Potenziale schlummern Deiner Meinung nach noch in der SuedLese?

Anne Lamsbach: Die SuedLese hat sicherlich wie jede andere Kulturveranstaltung das Potenzial sich weiterzuentwickeln. Ich halte es für wichtig, dass immer wieder auch eine Evaluation unserer Arbeit stattfindet. Was kann besser laufen, was war gut, wo gab es Schwierigkeiten, wo und wie können wir auch durch öffentliche Einrichtungen und Institutionen Unterstützung finden? Zwei Jahre Pandemie haben ihre Spuren hinterlassen. Die Kultur kann nicht per Knopfdruck wieder „angeschaltet“ werden und dann erstrahlt alles wieder in hellem Licht. Dazu braucht es mehr, vor allem wahrscheinlich ein kollektives Bewusstsein darüber, dass wir uns alle als Kulturschaffende begreifen dürfen und darüber nachdenken können, was jeder Einzelne zu einer blühenden Kulturlandschaft beitragen könnte. Die SuedLese bietet Kultur für alle. Kulturelle Teilhabe ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Auch hier ist das <<LitLab>> der Ort, an welchem wir erforschen wollen, wie Literarische Kulturangebote für noch mehr Menschen zugänglich gemacht werden können.

TG: Was hat dich dieses Jahr besonders gereizt?

Anne Lamsbach: Für mich persönlich ist es immer eine Freude, wenn ich Autor*innen und Leseorte vernetzen kann. Die Überlegung, was zueinander passen könnte und welche Rahmung eine Lesung haben kann, das finde ich sehr spannend. Das Zweite Thema was mich begeistert ist, Autor*innen zu ermutigen „vom Schreibtisch auf die Bühne“ zu gehen. Im Harburger Stadtteilmagazin habe ich dazu einen Artikel verfasst mit dem Titel „Ich könnte Bücher schreiben!“. Autor*innen zu fördern, das ist für mich das Schönste.

TG: Vielen Dank!

 

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