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Stillstand beim Leerstand

Die Initiative SuedKultur feiert in diesem Jahr ihre 10jährige Existenz – Grund genug, in einer lockeren Folge auf einige Ereignisse zurück zuschauen. So auch auf den Kampf um Räume …

In den 10 Jahren, die es die Initiative SuedKultur [1]nun gibt, ging es immer auch um freie und bezahlbare Räume für Kreative. Auch in Harburg herrscht ein eklatanter Mangel an Ateliers für bildende Künstler*innen, Proberäume für Musik oder Tanz oder Theater. Räume selbst gibt es – aber selbst städtischer Besitz – so die Erfahrung – wird lieber leer stehen gelassen, als ihn – und sei es nur vorübergehend –  als kreative Arbeitszimmer nutzbar zu machen.

2011 war so ein erwähnenswertes Jahr der Leerstandsdiskussion. Vorausgegangen waren einige Preistreibereien, die zu schmerzhaften Verdrängungen künstlerischer Freiräume führten und spektakulär mit der Besetzung des Gängeviertels [2] in der Hamburger City bundesweit für Aufmerksamkeit sorgten.

Einigen Kreative hatten die neue Digitaltechnik geschickt zu nutzen gewusst und erstmals eine Internetplattform geschaffen, in der leerstehende Gebäude gemeldet werden konnten und so wurde schnell die Größe der Misere sichtbar (mittlerweile unter leerstandsmelder.de/hamburg [3] zu finden und selbst heute, im Mai 2017, werden 1.073 (!!!!)  Leerstände konkret benannt).

Nicht nur, dass lieber Gebäude leer stehen gelassen wurden und werden als zu vermieten – im Süden Hamburgs Harburg nicht nur das „Harburg Center“ am Ring sondern auch am anderen Ring-Ende die Gebäude am Lüneburger Tor. Es wurde auch recht augenfällig, wie groß die Zahl städtischer Gebäude dabei ist. Und da erschließt sich nicht wirklich, warum diese nicht zumindest kulturell genutzt werden.

In Harburg waren besonders vier Gebäude in öffentlicher Hand und für eine kulturelle Nutzung attraktiv: die alte Polizeiwache in der Nöldekestraße 17, daneben das ehemalige Gebäude des Freizeitzentrums Nöldeke, der Hochbunker in der Lasallestraße sowie die Schule in der Bunatwiete.

Leerstand für fast 3.000 € im Monat

Ohne lange Diskussion war ein Termin mit Leuten der Kulturbehörde, der noch recht jungen Kreativgesellschaft Hamburg [4] und SuedKulturlern zur Besichtigung gefunden. An einem März-Tag 2011 durchgingen wir die Räume und waren erstaunt. Die Polizeiwache Nöldekestraße war außer Dienst gestellt worden, da ein neu errichtetes Gebäude an der Buxtehuder Straße gebaut worden war. Und so stand es einfach nur leer, wurde aber beheizt, war vollkommen intakt und kostete die Stadt Hamburg so monatlich rd. 2.800,- € statt etwas einzubringen. Und das schon über mehrere Jahre.

… und immer noch gut in Schuss!                    (Foto: S. Schnell)

Der Vertreter der zuständigen städtischen Firma Hamburger Vermögens-Verwaltung GmbH (HVG) teilte uns mit, dass die Handesstadt das Gebäude verkaufen will. Auf die Frage, was es denn kosten solle, wollte er sich aber nicht äußern. Kann man ein Gebäude verkaufen, wenn man den Preis nicht nennt?!? Natürlich nicht. Es war aber vielmehr die typische Einschätzung, dass Kulturschaffende eben eh kein Geld haben und so als Kaufinteressenten nicht infrage kommen. Daher wohl unnötig, ihnen auch nur ungefähre Preise zu nennen.

Wir erstellten dennoch Pläne der immerhin mehr als 2.500 qm Nutzfläche, die ideal als Proberäume für Musik nutzbar wären. Und nicht nur für die berühmte Feierabend-Mucke. Denn bei mehr als 5 Musicals in Hamburg ist das Potenzial an Profimusiker*innen, die Arbeitsräume tagsüber brauchen, groß. Letztlich sind es so etwas wie ihre Büros.

Gut 40 Räume, die – wenn man sie mit einer geschickten Raum-in-Raum-Isolation herrichtete – ein wahres Musik-Mekka bilden könnten. Gute Anbindung über Stadtautobahn wie auch Bahnhof-Nähe, Parkplätze sind vorhanden, Anwohnerbelästigung auszuschließen, ein großes Café im Eingangsbereich sowie 2-3 Räume für Events wie Tanzveranstaltungen oder andere kulturelle Nutzungen, im Keller evtl. noch zwei Tonstudios. Und das zu einem stündlichen Mietpreis von 5-7 € je Raum. Online-Reservierung und Rechnungsstellung heute kein echtes Problem mehr. Das ist bezahlbar – so denn eben kein runtergekommenes Moloch. Immerhin: die Betriebskosten wären locker wieder reingekommen. Aber Unterstützung, wie man diese Immobilie dahin bekommen könnte? Keine.

Nicht ganz, denn immerhin hatte der Eisenbahn-Bauverein Interesse bekundet. Der Kaufpreis wäre zwar nicht so hoch gewesen, aber dafür war angedacht, die kulturelle Nutzung aus eigenen Mitteln zu finanzieren (siehe HAN-Artikel „Leerstand für 2.800 Euro im Monat“ [5]). Das Interesse städtischer und auch bezirklicherseits aber war veschwindend gering.

Letztlich kaufte 2012/13 das Gebäude ein Harburger Geschäftsmann, der durchaus an einer kreativen Nutzung Interesse hat. Doch der Zeitlauf sorgte erst einmal dafür, dass die Wache seit einigen Jahren nun als Unterkunft unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge genutzt wird. An eine nachfolgende kulturelle Nutzung wird aber weiterhin gedacht (siehe wache17.de [6]). SuedKultur bleibt dran.

               Innenansichten (Foto: S. Schnell)

Und die anderen Gebäude? Die Schule Bunatwiete wird seit Jahren immer zu als Ausweichquartier renovierbedürftiger Schulen genutzt, der Bunker Lasallestraße wird als Lagerraum vermietet und das ehemalige Freizeitzentrum Nöldekestraße ist zur Musikschule Klangfabrik [7] geworden. Immerhin.

Sechs Jahre sind vergangen. Die Proberäume wurden eher weniger als mehr. Wer jetzt und akut nach Proberäumen sucht, ist leider nach wie vor auf  sich selbst gestellt. Denn ein weiterer Versuch das Thema anzugehen, scheiterte erneut (s. Tiefgang-Artikel „Probt doch in alten Luftschutzräumen“ [8] vom 6. Mai 2017)

Immerhin an- und nachfragen aber kann man beim Verein elbdeich e.V. [9] und auf der Veddel bei Carajo Distorsion Hamburg [10]

Wer Proberäume oder Ateliers zur Verfügung stellen kann, kann sich gerne unter kontakt(at)sued-kultur.de [11] melden. Der Bedarf ist da.

 

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