Heiko Langanke – Tiefgang https://www.tiefgang.net Kultur, Politik, Kulturpolitik und mehr Fri, 25 Nov 2022 23:48:17 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.22 „Ich musste neu beginnen“ https://www.tiefgang.net/ich-musste-neu-beginnen/ Fri, 17 Jun 2022 22:55:51 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9050 [...]]]> Ein Mann, 10 Reichsmark, ein Boot und eine Idee – die Geschichte über Oskar Speck ist schon so absurd, dass das Schreiben über die Geschichte kaum anders sein kann. Ein Interview mit dem Autoren Tobias Friedrich …

Tobias Friedrich wurde 1969 in Göttingen geboren und schreibt seit den 90er-Jahren Musik für seine Bands Viktoriapark und ´Husten` (u.a. mit Gisbert zu Knyphausen) sowie für andere Künstler. Er war Herausgeber eines Berliner Mu­sikmagazins, arbeitet als Autor von Sachbüchern und ist Co-Veranstalter der Berliner Musik-und- Lese-Show »Ein Hit ist ein Hit«. »Der Flussregen­pfeifer« ist sein literarisches Debüt, über das er sagt: „Es war klar, dass ich, der ich noch nie einen Roman geschrieben hatte, mit dem Schreiben eines Romans über Oskar Speck rest­los überfordert sein würde. Also fing ich unver­züglich mit der Arbeit an.“

In der Bücherhalle wird er im Rahmen der SuedLese-Literaturtage nun daraus lesen aber auch im nachfolgenden Gespräch über die Überforderung sprechen. Wir wollten es natürlich schon vorher wissen …

Tiefgang (TG): Sie sagten selbst „Es war mir ein Rätsel, wieso es noch kein Buch über Oskar Speck gab“. Wie sind Sie auf ihn bzw. die Story gestoßen?

Tobias Friedrich: Ich habe Oskar Speck und seine Reise eher zufällig entdeckt, bei der Recherche zu einem Sachbuch, einer Auftragsarbeit, an der ich vor einigen Jahren saß. Zunächst habe ich nur online ein paar Bruchstücke und Zusammenfassungen gefunden, aber war sofort fasziniert. Später uferten meine Recherchen dann u.a. mit einer Reise nach Australien aus.

TG: Wie haben Sie recherchiert und was tat sich da auf?

Tobias Friedrich: Zunächst ausschließlich online. Mit dem, was ich fand, habe ich im ersten Jahr die erste Version des Romans geschrieben, war aber noch nicht zufrieden. Nach Australien musste ich nochmal komplett von vorne beginnen, da ich Specks Nachlass durchstöbern durfte, mit Zeitzeugen und Freunden gesprochen, seinen Gärtner getroffen und in seinem Haus übernachtet habe. Auch ein 30er-Jahre Faltboot habe ich mit einem Experten zusammengebaut und bin darin im Sydney Harbour gepaddelt. Zu den Funden über Speck kamen noch etliche Zeitungsberichte aus jener Zeit und den Orten, die im Buch vorkommen, Recherchen über die Donau oder auch die Mitford-Schwestern. Und so einiges mehr…

TG: Was hat Sie am meisten fasziniert an der Geschichte? Emotional, zeitlich, geschichtlich …

Tobias Friedrich: Ich wollte damals ohnehin einen Roman schreiben und war vor allem von dem Bild des mittellosen Speck fasziniert, der mit 10 Reichsmark in der Tasche sein Boot am Ufer der Donau aufbaut, um nach Zypern zu paddeln. Und natürlich, was sich daraus für eine irre Geschichte entsponnen hat. Ein Zeitzeuge meinte im Gespräch mit mir einmal, dass sich schon ein paar Autoren an der Story versucht hätten, aber sie hätten am Ende aufgegeben, weil die Geschichte immer größer und unübersichtlicher wird, je tiefer man einsteigt. Das kann ich bestätigen. Aber das macht sie auch interessant. 

Erzählerisch bzw. literarisch hatte ich zwar eigentlich freie Hand, habe aber gemerkt, dass nicht jeder Stil und nicht jede Perspektive (Ich-Erzähler zB) funktioniert. Wichtig war mir eine gewisse literarische Qualität, die ich nicht unterschreiten wollte und an der ich länger gefeilt habe.

TG: Wieso erst jetzt ein Debüt als Buchautor?

Tobias Friedrich: Das liegt zum einen daran, dass ich an diesem Buch (mit Pausen) sehr lange gearbeitet habe, zum anderen, dass ich vorher nicht in der Lage gewesen wäre, einen Roman zu schreiben. Zumindest nicht mit den Ansprüchen, die ich an einen Roman habe.

TG: Sie sind auch Mitakteur der Berliner Musik-und-Lese-Show »Ein Hit ist ein Hit«. Was hat es damit auf sich?

Tobias Friedrich: Die Show ist ebenfalls aus einem Buch-Projekt entstanden, jedoch aus einer Auftragsarbeit, dem Sachbuch „1000 ultimative Charthits“. Da der Verlag dafür wenig Werbung machte, haben mein Mitautor Lothar Berndorff und ich die Sache mit zwei Freunden (Adrian Kennedy und Nikko Weidemann) selber in die Hand genommen und zunächst eine Veröffentlichung-Show daraus gemacht, später eine regelmäßig stattfindende Reihe.

Jeder EHIEH-Abend hat ein dezidiertes Thema, es treten verschiedene Gast-Musiker*innen auf, wir haben eine Hausband, es gibt Lesungen zu bestimmten Songs, Videos, Interviews, und wir rufen Menschen von der Bühne aus an, die in fernen Ländern leben, aber zu einem Thema etwas sagen können. Das geht dann immer zwei bis drei Stunden, das Publikum und die handelnden Personen sind alle beseelt, das macht großen Spaß. Wir hatten schon eine 104-jährige Jazz-Musikerin aus LA zugeschaltet, haben mit Robbie Williams’ Band und seinem Vater gespielt, aber auch eine 14-jährige auf der Bühne, die Billie Eilish gesungen hat oder den Klassik-Pianisten Lars Vogt, der „Life on Mars“ in einer wahnsinnig schönen Version gespielt hat. Derzeit planen wir eine Benefiz-Show von EHIEH für die Ukraine. Es wäre auch die erste Show nach der Pandemie. Das Ganze findet im altehrwürdigen Ballhaus Berlin statt.

TG: Was erwartet uns am 30.6.?

Tobias Friedrich: Ich werde den Roman vorstellen, umreißen, was und wie ich recherchiert habe und ein paar Kapitel zu verschiedenen Charakteren vorlesen. Gerne beantworte ich auch Fragen, was mir fast am meisten Spaß macht.

TG: Was erwartet uns künftig vom Buchautoren Friedrich?

Tobias Friedrich: Kurzfristig Lesungen zum Flussregenpfeifer bis in den Winter 22 hinein, dazwischen werde ich mit meiner Band „Husten“ sehr viel auf der Bühne stehen. Derzeit sind über 30 Auftritte in Clubs und auf Festivals zu unserer neuen Platte „Aus allen Nähten“ geplant, die gerade am 13.5. erschien. Und hoffentlich finde ich in der zweiten Jahreshälfte Zeit, mit dem nächsten Roman anzufangen. Der auf jeden Fall weniger umfangreich werden soll.

TG: Vielen Dank und viel Erfolg bei der SuedLese aber auch zur neuen Platte!

Termin: Do., 30. Juni 2022, 19.30 Uhr, Eintritt 12 €

Tobias Friedrich – Der Flussregenpfeifer

Bücherhalle Harburg, Eddelbüttelstraße 47a, 21073 Hamburg-Harburg; www.buecherhallen.de/harburg

Eine Kooperation der Bücherhalle Harburg, Buchhandlung am Sand und Volkshochschule Harburg

suedlese.de

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Auf Reisen mit Kapitän Wehmeyer https://www.tiefgang.net/auf-reisen-mit-kapitaen-wehmeyer/ Fri, 10 Jun 2022 22:43:42 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9047 [...]]]> Das Seefahrerleben ist oft mit Romantik und Fernweh verbunden. Im Heimfelder HinZimmer bekommt man davon nun aus direkter Nähe und nicht nur idealisiertes …

Bei den SuedLese-Literaturtagen gibt es immer wieder Fundstücke, die sonst keinen Platz fänden. So bei der Lesung von Klaus Wehmeyer, der in seinem Debut sich mit den Seereisen seines Vaters befasste und dabei in hunderten von Briefen abtauchte. Wir haben mal nachgefragt …

Tiefgang (TG): Sie sind erstmals bei der SuedLese dabei. Wie kam es? 

Klaus Wehmeyer: Ich hatte das Mehr an Zeit im vergangenen Jahr der Coronapandemie genutzt, ein für mich schon lange anstehendes Projekt, nämlich für die Aufarbeitung des Lebens meines Vaters, des Kapitäns Ernst Wehmeyer. Als an Literatur interessierter Harburger sind mir die SuedLese-Literaturtage vertraut und ich habe vor der Pandemie mehrfach verschiedene Lesungen besucht, wenn auch bisher nur als Zuhörer. Nach der Veröffentlichung meines Buches baten mich Freunde aus Harburg, das Buch doch auch auf der „SuedLese“ vorzustellen.

TG: Es ist Ihr Erstlingswerk?

Klaus Wehmeyer: Es ist das erste Werk, das ich als Buch mit einer ISBN (Internationale Standardbuchnummer, die Bücher eindeutig kennzeichnet, Anm.d.Red.) veröffentlicht habe. Ich schreibe schon seit mehreren Jahrzehnten, vor allem über Erfahrungen in und mit anderen Kulturen, über Kindheitserinnerungen in Harburg und Gedanken zu bestimmten Themen.

TG: Wie kamen Sie auf das Thema?

Klaus Wehmeyer: Auf dem Dachboden unseres Elternhauses in der Triftstraße befand sich eine große Kiste mit ca. 1000 Briefen, die mein Vater meiner Mutter aus vielen Häfen dieser Welt geschrieben hatte, die ersten von 1937. Unsere Mutter hatte sie säuberlich nach Jahren sortiert und jeden Jahrgang mit einem Band versehen. Meine Schwester fragte mich zu Beginn der Pandemie, ob ich diesen Schatz noch einmal sichten wolle. Ich las mich fest, glich es mit eigenen Erinnerungen ab, holte auch noch einmal die schon in meinem Besitz befindlichen Seefahrtsbücher und Reedereischreiben heraus, und vor meinen geistigen Augen drängten sich die Bilder aus den 50er und 60er Jahren in den Vordergrund, und in meinen Ohren klangen die Erzählungen meines Vaters und die meiner Großeltern väterlicherseits.

TG: Was hat Sie am Thema am meisten bewegt und interessiert?

Klaus Wehmeyer: Mein Vater hatte für mich eine zentrale Bedeutung. Ich habe ihn als Kind und Jugendlicher sehr bewundert und ihn zu meinem Vorbild stilisiert. Die Erinnerung ist auch nach seinem Tod 1995 immer wach gewesen.

TG: Wie fanden Sie generell zum Schreiben?

Klaus Wehmeyer: Aus Lust und Freude. Ich habe schon in der Schule gerne Aufsätze geschrieben. Immer wieder, wenn ich etwas Bemerkens-Wertes erlebt habe, habe ich darüber geschrieben. Ich habe versucht, die Bilder in Worten festzuhalten, fotografieren war nicht ganz meine Sache. 

TG: Haben Sie weitere Werke vor?

Klaus Wehmeyer: Ich bin mit Hilfe einer mir befreundeten Webdesignerin dabei, eine eigene Website aufzubauen. Diese Seite ist zwar zurzeit noch eine „Baustelle“, aber die ersten Beiträge werden wohl ab Mitte Mai 2022 unter folgender Adresse veröffentlicht: www.klaus-wehmeyer.de. Hier finden sich Geschichten, Reiseberichte, Kocherlebnisse und „Gänsehautmomente“ genannte persönliche Erlebnisse, die an besonders geschichtsträchtige Erlebnisse erinnern.

TG: Wie haben Sie es veröffentlicht oder einen Verlag gefunden?

Klaus Wehmeyer: Die Suche nach einem Verlag gestaltete sich schwierig. Ich versuchte das Manuskript bei einigen bekannten Verlagen vorzustellen. Aber meist habe ich nicht einmal eine Antwort erhalten. Also hab´ ich das Buch vom Anfang bis Ende selbst gestaltet und dann im Self-Publishing über Books on Demand (BoD) veröffentlicht. Allerdings hat es mir sehr bei der Verbreitung des Buches geholfen, dass das Hamburger Hafenkonzert im NDR 90,3 am 27. Februar 2022 in einer zweistündigen Sendung über das Leben meines Vaters – und damit über das Buch –  berichtet hat. (Hier der Link zum Podcast der Sendung)

TG: Was erwartet die Besucher*innen?

Klaus Wehmeyer: Die „Lesung“ soll maximal 75 Minuten dauern. Es sollen allerdings tatsächlich nur wenige Buchauszüge vorgelesen werden. Aber in überbrückenden Erzählungen des Autors soll ein Abriss eines fast das ganze 20. Jahrhundert durchziehende Seemannsleben des Harburger Kapitäns Ernst Wehmeyer und seiner Familie gegeben werden. Zur Unterstützung nutzt der Autor eine Flipchart, auf der das Gelesene und Erzählte mit Bildern und Dokumenten visualisiert wird. Die Veranstaltung ist interaktiv angelegt, Beiträge und Fragen aus dem Publikum sind durchaus erwünscht.

TG: Vielen Dank, dass Sie Sie uns mit auf Ihre Reisen nehmen! 

Termin: Mi.,, 22. Juni 2022 um 18.30 Uhr: Klaus Wehmeyer –  Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise …

Ort: HinZimmer – Ein Raum für Geschichten, Hinzeweg 1, 21075 Hamburg-Heimfeld; www.buergerstiftung-hamburg.de, Eintritt frei

suedlese.de

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Mörderische Schwestern in Neugraben https://www.tiefgang.net/moerderische-schwestern-in-neugraben/ Fri, 10 Jun 2022 22:29:09 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9011 [...]]]> Ob Mordfantasien ein typisch weiblicher Charakterzug sind, sei dahingestellt. Doch auffällig viele Krimis stammen von Autorinnen. Im Rahmen der 7. SuedLese-Literaturtage kommen ins Kulturhaus Süderelbe gleich sieben davon.

Denn es wird erstmals die Ladies Crime Night am 18. Juni geben. Ein ungewöhnliches und kurzweiliges Literaturformat, das Mordslust in Schriftform macht. Wir haben mal hinter die Kulissen geschaut und mit der Autorin Yvonne Wüstel gesprochen.

Tiefgang (TG): Seit wann macht ihr – und wer ist eigentlich „ihr“ – die Ladies Crime Night (LCN)?

Yvonne Wüstel: Wir, das sind die Mörderischen Schwestern e.V., gegründet von Frauen für Frauen. Wir lieben Krimis und widmen uns deshalb der von Frauen in deutscher Sprache geschriebenen Spannungsliteratur – zum Beispiel mit unserem Arbeitsstipendium, das anders als viele Stipendien weder orts- noch altersgebunden ist, und somit auch von Frauen aller Altersstufen und Lebensumstände genutzt werden kann. Auch die Unterstützung von Erst-Autorinnen ist uns wichtig, weshalb wir als Herausgeberinnen der Anthologie „Tatort Nord“ darauf geachtet haben, dass nicht nur etablierte Autorinnen darin vertreten sind. Aber abgesehen von Autorinnen sind uns alle Frauen willkommen, die sich für Krimis und Thriller begeistern. Egal ob als Journalistin, Buchhändlerin, Bibliothekarin oder auch Leserin.

Und die Ladies Crime Night – unser eigenes, ganz besonderes Lesungsformat – entstand 2006 im Rahmen der Criminale.

TG: Wie kommt man/frau auf so eine Idee?

Yvonne Wüstel: Bei der Geburtsstunde der LCN war ich leider nicht dabei, deshalb kann ich nur vermuten, dass der Grundgedanke war: Wie bekommen wir mehrere Frauen mit ihren Kurzgeschichten oder Romanen in eine Lesung, die sowohl Zuhörer*innen als auch Lesenden gleichermaßen Spaß und Spannung verspricht? Ein Format, das es so noch nicht gibt?

TG: Wie darf man sich das vorstellen?

Yvonne Wüstel: Kurz gesagt: Sieben Frauen lesen exakt sieben Minuten. Nach Ablauf der Zeit ertönt ein Schuss (vom Band) und die Autorin bricht ihre Lesung genau an dieser Stelle ab – egal ob mitten im Satz oder Wort. Dann wird die nächste Autorin vorgestellt und kommt mit musikalischer Untermalung auf die Bühne. Das klingt erst einmal ungewohnt. Aber wer einmal bei einer LCN im Zuschauerraum gesessen hat, will meistens mehr davon.

TG: Ist das stressig als Lesende?

Yvonne Wüstel: Jain. Es kostet ein bisschen mehr Vorbereitung als andere Lesungen, weil man in der Regel in den sieben Minuten einen bestimmten Spannungspunkt erreichen möchte und die zur Verfügung stehende Zeit genau abgezählt ist – da gibt es keine Verlängerung. Und wenn dann der Schuss fällt, erschrickt man sich oft selbst. Vor allem aber macht es richtig viel Spaß, mit den Kolleginnen auf der Bühne zu stehen und zu erleben, wie das Publikum mitfiebert.

TG: Warum Krimis?

Yvonne Wüstel: Die Frage kann ich nur aus meiner persönlichen Sicht und für mich selbst beantworten, meine Mitschwestern mögen dazu eine andere Meinung haben: Ich schreibe unter mehreren Pseudonymen auch sogenannte „Frauenunterhaltung“, historische Romane und Fantasy. Doch der Krimi ist mir von allen Genres am liebsten, weil die Bandbreite der Themen, die ich unter diesem Dach bearbeiten kann, unendlich viel größer ist. Da geht alles – von der Liebe bis zum Klimawandel, von Minderheiten bis Eifersucht. Das lässt sich dann (hoffentlich) nicht nur spannend lesen, es ist auch für mich als Autorin spannend zu erzählen.

TG: Gibt es einen femininen Hang zu Mord und Totschlag? Denn es gibt so viele Krimiautorinnen …

Yvonne Wüstel: Ja, oder? Und so viele wirklich gute Krimi-Autorinnen! Allerdings glaube ich, dass Frauen auf dem Papier nicht mehr morden als ihre männlichen Kollegen. Vielleicht fällt den lesenden Männern die Schar der Autorinnen in diesem Genre nur deshalb auf, weil es ihnen leichter fällt, einen von einer Frau geschriebenen Krimi zur Hand zu nehmen als einen von einer Frau geschriebenen historischen Roman? Das wäre meine Theorie.

TG: Wo tourt ihr sonst?

Mörderische Schwester Yvonne Wüstel

Yvonne Wüstel: In diesem Jahr sind und waren wir an verschiedenen Orten in Hamburg unterwegs, außerdem in Norderstedt, Jesteburg, Gülzow, Rendsburg, Neustadt und Lübeck.

TG: Gibt es bei euch auch Heide-Krimis?

Yvonne Wüstel: Aber ja! Meine wunderbare Kollegin Kathrin Hanke zum Beispiel, die übrigens auch bei der LCN im Kulturhaus Süderelbe dabei sein wird, ist unter anderem bekannt für ihre Heide-Krimis.

TG: Was zeichnet die Protagonistinnen aus?

Yvonne Wüstel: Sie sind selbstbewusst, einfühlsam, störrisch, eigensinnig, provokant, schrullig, vergesslich, fürsorglich, zickig, liebevoll, alt, jung, mit Handicap und ohne, mit Familie oder Single, mit Hund, mit Katze – Frauen, die man auf der Straße treffen und lieben oder auch durchschütteln könnte. Und sie helfen der Gerechtigkeit auf ihre ganz persönliche Weise auf die Sprünge.

TG: Was sind die nächsten angedachten „tödlichen Schüsse“?

Yvonne Wüstel: Viele von uns sind Berufsautorinnen, die natürlich bereits die nächsten Romane planen und schreiben. In jedem Fall arbeiten wir alle an weiteren Krimis und noch mehr Kurzgeschichten. Und wer weiß, vielleicht entsteht dann ja auch bald die nächste Anthologie. An Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht.

TG: Vielen Dank. Hat einen Mordsspaß gemacht, mit Dir zu plaudern …!

Termin: Sa., 18. Juni,19.30 Uhr: Ladies Crime Night

Ort: JoLa im Kulturhaus Süderelbe, Am Johannesland 2, 21147 Hamburg

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„Klasse Kultur im kleinen Kaff“ https://www.tiefgang.net/klasse-kultur-im-kleinen-kaff/ Fri, 03 Jun 2022 22:34:48 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9041 [...]]]> Der Kultur Punkt Moisburg im Landkreis Harburg ist im Rahme der der SuedLese-Literaturtage ganz nach dem Motto „Stadt – Land – Harburg“ nun zum zweiten Mal dabei und überrascht mit einer Art literarischer Rallye.

Wir wollten mal vorab wissen, was in Moisburg so abgeht, warum es dieses Jahr so märchenhaft ist und haben nachgefragt: Bei Angelika Fröhning, der 1.- Vorsitzenden des örtlichen Kulturvereins.  …

Tiefgang (TG): Das Thema von Euch zur diesjährigen SuedLese heißt „Märchenhaft“ – ist es nur für Kinder?

Angelika Fröhning: Nein, wir möchten Kinder, Eltern und Junggebliebene aus Moisburg und Umgebung zu diesem Lese-Abenteuer einladen, um sich verzaubern zu lassen.

TG: Ist es eine Lesung klassischer Art oder eher eine Art literarisches Erlebnis?

Angelika Fröhning: Es ist sicherlich eher ein literarisches Erlebnis. Wir wollen die beliebten Erzählungen als Mittel benutzen, um das Interesse am Lesen und Vorlesen zu wecken. Ein Familien-Abenteuer voller spannender Begegnungen, auf dem Weg durch Moisburg, zu märchenhaften Orten, wird das Begreifen von Geschichten plastisch machen und die Verbindung von Lesen und Erfahrung von Natur aufzeigen.

TG: Wie kamt Ihr überhaupt auf die Idee zu eurer Märchenveranstaltung?

Angelika Fröhning: Ideengeber war das diesjährige Motto des Kultursommers des Landkreises Harburg „Märchenhaft“. Bei der Befassung mit diesem Thema fiel uns sehr schnell auf, dass Moisburg ein Dorf ist, in dem es viele Ecken und Winkel gibt, die auch in Märchen eine Rolle spielen: einen Hexenberg, ein „Schloss“ (so nennen die Moisburger das Amtshaus) mit Gewölbe, Weiher und ein altes Spritzenhaus. Wir selbst nutzen bei unseren Veranstaltungen im „Schloss“ einen Schlüsselbund mit uralten Schlüsseln. Das hat uns sehr an das kleine Gespenst von Otfried Preußler erinnert.

TG: Was erwartet die Märchenfans?

Angelika Fröhning: Eine abenteuerliche Rallye durch Moisburg, an vier wunderschön gelegenen Plätzen werden Otfried Preußlers Geschichten lebendig. Die Wege dorthin müssen ausfindig gemacht werden und dann tauchen die kleinen und großen Märchen-Pfadfinder in vorgelesene Geschichten ein, die sich genau an diesem Ort abgespielt haben könnten… wer weiß: vielleicht sogar abgespielt haben.

TG: Ist Otfried Preußler trotz seiner Jahre noch zeitgemäß – und wenn, wie und warum?

Angelika Fröhning: Wir haben Otfried Preußler ausgewählt, weil er andere zauberhafte Geschichten erzählt als die der klassischen Märchen mit den zwischenzeitlich doch sehr verstaubten Klischees von ewig mutigen Prinzen und zu verheiratenden Prinzessinnen, von armen Menschen, die der Willkür der sie beherrschenden Könige ausgesetzt sind und einer Gerechtigkeit, die meist nur durch Mord und Totschlag erkämpft werden muss. Seine Geschichten handeln dagegen von Herz und Verstand, von Mut und Mitmenschlichkeit.

TG: Und was macht den Reiz der Preußler-Figuren aus?

Angelika Fröhning: Preußler erzählt von kleinen vermeintlich schwachen Wesen, die in gefährlichen Situationen über sich hinauswachsen und mit Klugheit, Solidarität und Freundlichkeit das Böse, das Ihnen widerfährt, besiegen. Diese Konfliktlösungsmöglichkeiten sollten keinem Kind vorenthalten bleiben. Denn wer braucht Laserschwerter, wenn er einen scharfen Verstand und gute Freunde hat?

TG: Das stimmt. Aber auch der „Kultur Punkt Moisburg“ ist ein besonderer – warum?

Angelika Fröhning: Weil wir „Klasse Kultur im kleinen Kaff“ machen. Unser Team ist ein unermüdlicher Haufen kulturbegeisterter Menschen, der seine Augen und Ohren in alle Richtungen offenhält und so für eine immer wieder neue und bunte Mischung des Kulturprogramms sorgt, der unserem Publikum offenbar gefällt. Alle anfallenden Arbeiten, von Vertragsverhandlungen über Bühnenbau und Getränkeverkauf bis Licht, Ton und Künstlerbetreuung der fürsorglichsten Art werden von diesen Teams aus 23 Menschen erledigt. Ergänzt wird dieses durch die geniale Zusammenarbeit mit den übrigen Vereinen und Institutionen Moisburgs. Das macht Spaß und Spaß ist ansteckend!

TG: Moisburg eben. Ihr seid nun zum zweiten Mal bei der SuedLese dabei – was findet Ihr gut an dem Format – was könnte besser sein?

Angelika Fröhning: Die SuedLese ist ein fantastisch vielfältiges Format rund um das Thema Literatur: Und es findet vorzugsweise nicht in der großen Stadt statt, sondern im nahen Süden der Elbe. Schon lange bewundert, konnten wir im vergangenen Jahr durch die Erweiterung des Einzugsgebietes auf den Landkreis Harburg erstmals an diesem Programm teilnehmen. Und die Möglichkeiten der Präsentation selbst unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie hat uns begeistert. Gerne werden wir auch künftig einen Beitrag zum Programm leisten.
Einziger Verbesserungsvorschlag ist ein sehr eigennütziger: Die Planungsphase der SuedLese beginnt leider immer erst im laufenden Jahr, während unsere Planung des Jahresprogramms spätestens im Dezember der Vorjahres beendet ist. So ist es also immer dem Zufall überlassen, ob unser literarischer Beitrag auch in den Zeitraum der SuedLese fällt. So hätten wir in diesem Jahr gerne unsere Veranstaltung mit Hasnain Kazim ins SuedLese-Programm genommen. Wir arbeiten an der Treffergenauigkeit.

TG: Das stimmt. Aber auch das ist der Pandemie geschuldet oder verdankt. Denn die Fördergelder, die die SuedLese-Literaturtage erst möglich machen, wurden letztes und dieses Jahr erst sehr spät bewilligt. Das war und ist Stress für alle gewesen. Wenn auch vielleicht ein positiver. Zu Eurem märchenhaften Tag am Sonntag, 12. Juni:  Sollte man sich anmelden und auch Zeit, Getränke oder gar Essen mitbringen?

Angelika Fröhning: Eine Anmeldung für unser Leseabenteuer ist nicht notwendig. Alle Interessierten treffen sich um 11.00 Uhr an der Grundschule Moisburg und erfahren dort alles Weitere. Um alle Geschichten zu hören sollten die Märchenpfadfinder so ca. 4 Stunden Zeit mitbringen. Grillwürstchen und Erfrischungen sind für kleines Geld bei der Schule erhältlich.

TG: Danke für die zauberhafte Vorstellung Eures Orts und Eures Programms!

 

Termin: So., 12. Juni, 11:00 Uhr: Kultur Punkt Moisburg e.V. / Amtshaus Moisburg: Hexe, Wassermann & Co. – märchenhaft unterwegs in Moisburg

suedlese.de/maerchenhaft

weitere Infos zum Kultur Punkt Moisburg unter: www.kulturpunkt-moisburg.de

 

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Gruseln mit der Eisernen Jungfrau https://www.tiefgang.net/gruseln-mit-der-eisernen-jungfrau/ Fri, 03 Jun 2022 22:11:49 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9044 [...]]]> Wussten Sie, dass die Eiserne Jungfrau eine der großen Touristenattraktionen von Nürnberg war? Und nun in Rothenburg ob der Tauber steht?

Nein. Wir auch nicht. Fabian Pleiser aber schon. Und erlässt uns bei der SuedLese an seinem Wissen und Grusel teilhaben. Wir haben mal nachgefragt …

Tiefgang (TG): Viele Harburger kennen Dich aus ganz unterschiedlichen Bereichen: mal als Mitglied der Geschichtswerkstatt, dann – gerne auch verkleidet – bei historischen Stadtführungen durch Harburg oder eben als Youtuber zur Erklärung der Architektur etwa des Harburger Rathauses. Wie kommt es zu diesen Tätigkeiten?

Fabian Pleiser: Neben den Sprachen und meiner schauspielerischen Tätigkeit ist Geschichte eine weitere große Leidenschaft von mir. Privat und beruflich bin ich mit Harburg fest verbunden und da habe ich dann schließlich begonnen, mich mit der Geschichte der ehemals eigenständigen Stadt zu befassen. Anfang 2016 hat mich Klaus Barnick von der Geschichtswerkstatt dann überredet, dort Mitglied zu werden. Überredet insofern, als ich nach vielen Mitgliedschaften in Vereinen eigentlich keinem Verein mehr beitreten wollte. Ich habe es aber nicht bereut! Ich habe bereits zu verschiedenen Themen Vorträge gehalten und Führungen angeboten, unter anderem eben den von dir genannten historischen Stadtrundgang durch Harburg „Vom Hauptbahnhof zum Sande“, bei dem meine Partnerin Kirstin Rachow und ich – beide kostümiert – die Besucher mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1907 nehmen. Darüber hinaus habe ich das Glück, seit ein paar Jahren am Tag des offenen Denkmals für das Bezirksamt Harburg Führungen um und durch das Harburger Rathaus machen zu dürfen. Die von dir angesprochenen Videos sind im Corona-Jahr 2020 entstanden. Wir wollten unbedingt was machen und da hatten wir die Idee zu dem digitalen Format. Somit musste die Führung nicht ausfallen.

Playlist hier:

TG: Nun lernen Dich viele als Buchautor kennen – über Nürnberg? Ein Debüt oder Wiederholungstäter?

Fabian Pleiser: Tatsächlich ist es meine erste Publikation, eine literarische Übersetzung einer Kurzgeschichte von Bram Stoker. Eine weitere Publikation habe ich vor zwei Jahren mit meinen wunderbaren Geschichtswerkstattskolleginnen und -kollegen Kirstin Rachow, Jan Stöver, Thomas Steege und Regine Wörmer zum 100. Jahrestag des Harburger Blutmontags herausgebracht. Für das kommende Jahr plane ich eine Publikation über das Harburger Rathaus. Also definitiv Wiederholungstäter – auch wieder etwas Literarisches habe ich schon im Kopf…

TG: Du bist auch Übersetzer – in welchen Sprachen und wie wird man das?

Fabian Pleiser: Neben meiner künstlerischen Tätigkeit habe ich auch noch was Anständiges gelernt, wie man so schön sagt. Ich bin Dolmetscher und Übersetzer. Zu deiner Frage, wie man das wird: Man studiert es. Ich habe vier Jahre lang an einer Dolmetscherakademie Englisch, Französisch und Spanisch studiert. Nach drei Jahren hatte ich dann die Prüfung zum staatlich anerkannten Fremdsprachenkorrespondenten und nach einem weiteren Jahr die zum Wirtschaftsdolmetscher und -übersetzer. Italienisch habe ich auch gelernt und ist neben Französisch meine Hauptsprache.

TG: Was verbindet dich mit Harburg?

Fabian Pleiser: In Harburg findet fast alles für mich statt: mein Privatleben, meine Arbeit, ein Teil der Geschichte, für die ich mich interessiere, viele liebe Menschen… Harburg ist großartig! Nur wohnen tue ich nicht in Harburg.

TG: Was verbindet dich mit Nürnberg?

Fabian Pleiser: Nürnberg ist ein Sehnsuchtsort für mich. Ich liebe diese Stadt und bin regelmäßig dort. Sie ist wunderschön, voller Geschichte – leider auch voller Wunden – und war Heimat der Eisernen Jungfrau.

TG: Worum geht es im Buch?

Fabian Pleiser: Ein frisch vermähltes Paar macht auf der Kaiserburg in Nürnberg eine unsagbar unheimliche Begegnung mit der Eisernen Jungfrau… Mehr möchte ich noch nicht verraten, ansonsten kommt ja niemand mehr zu meiner Lesung. Die Publikation enthält zudem zwei Aufsätze von mir. Der eine behandelt Mythos und Realität der Eisernen Jungfrau, in dem anderen erzähle ich, wie Bram Stoker zu dieser Geschichte kam.

TG: Was hat dich an der Story am meisten fasziniert? Wie kommt man überhaupt auf die Story?

Fabian Pleiser: Mir erging es genauso wie dem Autor meiner Übersetzung, Bram Stoker, der Nürnberg in den Jahren 1885 und 1893 besuchte. Er besichtigte dort auf der Kaiserburg die kriminalhistorische Ausstellung, in deren Mittelpunkt ein Folterinstrument namens die Eiserne Jungfrau die Anwesenden das Fürchten lehrte. Er war derart von ihr fasziniert, dass er 1893 seine Kurzgeschichte The Squaw verfasste. Heute steht die Eiserne Jungfrau im Kriminalmuseum in Rothenburg ob der Tauber. Als ich sie dort zum ersten Mal sah, zog sie auch mich in ihren Bann. Ich recherchierte viel dazu, besorgte mir einschlägige Fachliteratur und stieß dabei auch auf Stokers Kurzgeschichte The Squaw. Es gab bereits zwei ältere deutsche Übersetzungen davon. Diese gefielen mir nicht besonders, und da dachte ich, ich kann es besser und habe sie selbst neu übersetzt, und eben auch Aufsätze zur Hintergrundgeschichte verfasst. Ich habe der Geschichte den Titel „Nürnberg“ gegeben, da sie, wie ich finde, eine Hommage an die Stadt ist. Über viele Jahrzehnte war die Eiserne Jungfrau DIE Touristenattraktion dort. Ich habe die Kurzgeschichte im Übrigen auch auf Französisch übersetzt, wie auch die Aufsätze. Der Titel der französischen Ausgabe lautet „La Vierge de Nuremberg“.

TG: Was erwartet uns im Old Dubliner?

Fabian Pleiser: Dort erwartet die Besucher eine atmosphärische szenische Lesung, in der ich als Bram Stoker die Zuhörenden mit auf eine Reise zur Kaiserburg in Nürnberg im Jahre 1893 nehme. Es wird unheimlich, versprochen! Die Publikation – auch die französische – kann dort selbstverständlich erworben werden, Signierung und Selfies inbegriffen. (lacht)

TG: Was kommt evtl. als nächstes von Fabian Pleiser?

Fabian Pleiser: Zur Zeit bin ich mit diesem Bühnenprogramm etwas unterwegs. Im Spätsommer, zum Tag des offenen Denkmals, mache ich in Harburg wieder Führungen durchs Rathaus, und dann will ich ja im kommenden Jahr die Publikation über das Harburger Rathaus fertig haben. Man wird also weiterhin von mir hören.

TG: Das wollen wir doch hoffen! Vielen Dank für die Einblicke!

 

Termin: Do., 16. Juni 2022 – Fabian Pleiser – Nürnberg!,  20 Uhr, Eintritt frei

The Old Dubliner – Irish Pub, Lämmertwiete, 21073 Hamburg-Harburg, www.olddubliner.de –  suedlese.de

 

 

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Heimat als poetische Installation https://www.tiefgang.net/heimat-als-poetische-installation/ Fri, 27 May 2022 22:58:58 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9023 [...]]]> Kann man mehr als eine Heimat haben und ist Heimat immer schön und positiv? Kann man sie in Fetzen sammeln, in Drähte aus Aluminium pressen und zu einer Installation werden lassen? Ja.

Das Ergebnis ist während der SuedLese-Literaturtage im Schau-Fenster der Kunstleihe Harburg in Heimfeld zu sehen. Es stammt von der Künstlerin frankhaleesi und wir haben mal nachgefragt …

Tiefgang (TG): Du studierst Poesie? Was studiert man da so? wie darf man sich das vorstellen? Den ganzen Tag dichten? 

frankhaleesi: Der Studiengang, den ich besuche, heißt ganz offiziell Expressive Arts in Social Transformation, kurz EAST. Hier liegt der Fokus auf dem künstlerischen Arbeiten mit Menschen. Im ersten Semester haben wir dafür vier künstlerische Schwerpunkte kennen gelernt: Bildende Kunst, Musik, Performance Arts und Poesie. Aus diesen Schwerpunkten wählt man dann ein Haupt- und ein Nebenfach. Bei mir sind das Bildende Kunst und Poesie gewesen. Da Poesie mein Nebenfach ist, hatte ich es im dritten Semester. Das erst einmal grob dazu.
Im Poesie Modul haben wir natürlich auch gedichtet, aber das war nicht alles. Wir haben Methoden und Techniken kennen gelernt, um ins Schreiben zu kommen oder Schreibprozesse anzuleiten. Wir haben im Rahmen des Moduls auch beim Hamburger Kulturgipfel teilgenommen und dort im Rahmen der Poesieambulanz einen Workshop durchgeführt. Dort sind wir mit den Teilnehmenden ins Schreiben und ins Gespräch gekommen. Es geht viel um den Austausch und den Prozess, den wir in unserer Arbeit durchleben und eben nicht um das fertige Werk. Es geht nicht darum, dass am Ende etwas da ist, was perfekt ist, sondern vor allem um all das, was wir auf dem Weg lernen und erfahren.
Neben dem praktischen Arbeiten haben wir uns aber auch mit Projekten und Gruppen im öffentlichen Raum beschäftigt; mit deren Arbeiten und der Wirkung dieser.
Und natürlich gibt es neben dem Modul noch theoretische Module, die sich mit Themen wie Projektmanagement oder Sozio- und Interkultureller Arbeit beschäftigen. 

TG: Du hast zig Menschen nach ihrer Wahrnehmung zu „Heimat“ befragt. Wie kamst Du darauf? 

frankhaleesi: Ich bin selbst erst letztes Jahr von Schneverdingen nach Hamburg gezogen und hatte dann eben auf einmal irgendwie zwei Heimaten. Denn ich wohne jetzt an einem neuen Ort, also eine geografische Heimat, aber trotzdem verbinde ich immer noch so viel mit der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, mit meinen Eltern und Freunden, die dort wohnen und dem Gefühl, wenn ich wieder dort bin. Es ist also ein sehr persönliches und aktuell wichtiges Thema für mich. Denn mit jedem Tag, den ich hier in Hamburg verbringe, fühlt sich dieser Ort nicht nur geografisch nach Heimat an.
Durch diesen persönlichen Bezug habe ich mich dann natürlich auch viel mit Freunden und Familie darüber unterhalten. Das hat mir natürlich noch einmal vor Augen geführt, wie individuell unterschiedlich jeder Heimat definiert, empfindet und begreift. Das wollte ich einfangen und irgendwie künstlerisch darstellen und weil ich zu der Zeit durch die Uni viel poetisch gearbeitet habe, habe ich das Thema „Heimat“ zu meinem Prüfungsprojekt gemacht.  

TG: Was bedeutete vorher für dich „Heimat“? 

frankhaleesi: Wie in der vorigen Antwort schon mitschwingt, gabs für mich vorher auf jeden Fall schon den geografischen, emotionalen und sozialen Aspekt. Für mich war und ist Heimat eben ein Ort, mit dem ich viel verbinde, wo die Menschen sind, die mir viel bedeuten und das Gefühl von Ruhe, Geborgenheit und „Hier kann ich ich sein“. Würde ich zum Beispiel behaupten, dass Schneverdingen oder Hamburg allein als Stadt meine Heimat ist, wäre das nur die halbe Wahrheit, denn meine Heimat sind zum Beispiel auch die Menschen, die dort leben.

TG: Was war überraschend an den Antworten? 

frankhaleesi: Interessant war, dass wirklich viele ein ähnliches Verständnis haben wie ich. Ich habe ganz oft Antworten wie „Familie und Freunde“ oder „Da, wo ich aufgewachsen bin“ bekommen. Persönliche und emotionale Erinnerungen waren auch ganz oft ein Teil der Antwort. 

Es gab natürlich auch antworten, die eher negativ gegenüber dem Begriff der Heimat waren. Das hat mich schon ein wenig überrascht, denn ich hatte ja meine doch recht positive Einstellung dazu. Natürlich bin ich nicht davon ausgegangen, dass es keine negativen Ansichten gibt, aber wenn man das dann doch als offizielle Antwort sieht, erinnert das doch nochmal daran, dass eben nicht immer alles perfekt und gut ist.  

TG: Unser Bundesinnenministerium heißt seit letzter Legislatur und nun noch immer auch Heimatministerium? Macht das Sinn? Und wenn, welchen? 

frankhaleesi: Ich persönlich denke, dass es kein Ministerium mit dem Schwerpunkt Heimat geben muss. Das Thema Heimat ist sehr vielschichtig und sollte daher auch in vielen unterschiedlichen Bereichen der Politik berücksichtigt werden. 

TG: Du hast deine Interviewergebnisse zu Poesie verwandelt – war das schwer für Dich? Also sowohl technisch als auch inhaltlich? 

frankhaleesi: Ich habe damit angefangen, die Antworten zu sortieren, doppelte Antworten zu stapeln und zuschauen, was die Teilnehmenden ähnlich empfinden. Dann habe ich begonnen, einzelne Antworten in poetische Texte oder eher Zeilen zu verwandeln. Der Prozess des Schreibens hatte natürlich Phasen, in denen ich das Gefühl hatte, nichts funktioniert, wie ich das möchte und meine Textfetzen passen nicht zueinander oder ergeben überhaupt keinen Sinn. Das gehört aber dazu, wenn man an etwas arbeitet und sich mit etwas auseinandersetzt, denke ich. Ich würde dennoch nicht sagen, dass es mir schwergefallen ist. Es hat eher lange gedauert, Verknüpfungen zu finden und den Text so anzuordnen, dass aus all den Teilen ein fertiges Bild wird. Ähnlich wie bei einem Puzzle.

TG: Poesie als bildhafte Kunstinstallation – was erwartet die Betrachtenden? 

frankhaleesi: Die Betrachtenden erwartet eine Text-Installation, also Wörter aus Aluminiumdraht geformt, die inspiriert und entstanden ist aus mehr als 100 Antworten auf die Fragen „Was ist Heimat für dich“ und „Wie fühlt sich Heimat für dich an?“. Ob die Betrachtenden sich in dem Text wiederfinden und ihn zutreffend auf ihren Heimat Begriff sehen, ist ihnen natürlich selbst überlassen. Heimat ist schließlich etwas Persönliches und Individuelles. Ich wünsche mir, dass ich den ein oder anderen Menschen durch meinen Text zum Nachdenken anregen kann. Vielleicht erkennen sich einige sogar in speziellen Zeilen wieder oder werden angeregt, ihre eigene Heimat für sich sichtbar zu machen und in Worte zu fassen. 

TG: Was können wir von frankhaleesi künftig erwarten?

frankhaleesi: Einen genauen Plan für meine künstlerische Zukunft gibt es nicht, da ich noch auf der Suche nach meinem Weg bin, viel spontan arbeite und vor allem aus persönlichem Antrieb kreativ werde. Ich arbeite oft mit meinen Emotionen und für mich interessanten Themen oder Materialien. Eins meiner Materialien, mit denen ich sehr gerne arbeite, ist eben Draht. Normalerweise schreibe ich damit aber keine Texte, sondern gestalte Draht Figuren.  

 TG: Vielen Dank für das Interview und für die poetische Installation!

Die Installation aus Aluminiumdraht „Heimat“ ist während der SuedLese-Literaturtage vom 1. bis zum 30. Juni im Schau-Fenster der Kunstleihe Harburg in der Meyerstraße 26 zu sehen.

 

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SuedLese: „Kultur der Kooperationen“ https://www.tiefgang.net/suedlese-kultur-der-kooperationen/ Fri, 27 May 2022 22:53:33 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9036 [...]]]> Die Volkshochschule bietet nicht nur Kurse sondern ist auch Teil der SuedLese-Literaturtage. Was da so los ist und uns erwartet – wir haben nachgefasst.

Seit geraumer Zeit zeichnen sich Ilker Ipek und Julia Hoffmann bei der Harburger Volkshochschule für das Programm von Kursen und Veranstaltungen verantwortlich. Dank Ihnen sind die SuedLese-Literaturtage so auch um etliche Angebote reicher geworden, die viel Wissenswertes rund um die Buchwelt vermitteln. Doch ihre Welt von Workshops und Kursen ist um vieles größer …

Tiefgang (TG): Die VHS ist seit zwei Jahren aktiv bei der SuedLese dabei. Wie gefällt das Format?

Julia Hoffmann: Wir finden, dass es ein ganz tolles Format ist! Die SuedLese bietet die wunderbare Möglichkeit für alle Literaturinteressierten Eigenes vorzustellen oder auch einfach zuzuhören. Auch in diesem Jahr nehmen wir wieder mit einigen Veranstaltungen teil, u.a. mit einer Lesung von Tobias Friedrichs.

Ilker Ipek: Die Lesung haben wir, wie auch in den beiden Jahren zuvor, gemeinsam in Kooperation mit der Buchhandlung am Sand und der Bücherhalle geplant. Schön, dass uns die SuedLese an dieser Stelle wieder zusammenführt!

TG: Ihr seid als Personen seit 2019 als programmverantwortliche in der Region Harburg/Finkenwerder tätig. Wie nehmt Ihr das Interesse in Harburg wahr?

Ilker Ipek: Ich bin bereits seit 2013 in der Region Harburg für die VHS tätig. Seit Juni 2019 bin ich Regionalleiter für die Region Harburg/Finkenwerder. Julia ist zur gleichen Zeit Programm-Managerin für Harburg geworden. Das Programm für unsere Regionen entsteht in Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der zentralen Planungsabteilung. Wir bemühen uns in der Region um neue Kooperationen und interessante Veranstaltungsorte.

Julia Hoffmann: Darüber hinaus versuchen wir herauszufinden für welche Angebote sich die Teilnehmenden aus der Region interessieren und tauschen uns darüber mit der Programmabteilung aus. Das Interesse der Harburgerinnen und Harburger ist besonders im Bereich Sprachen und Gesundheitskurse recht groß. Auch einige Kurse im Bereich Kultur kommen sehr gut an, z.B. unsere Malkurse, auch Goldschmieden ist sehr beliebt! Für ältere Menschen bietet „HarAlt“, als Teil der Hamburger Volkshochschule seit 35 Jahren eine breite Palette von Kursen an. Einige davon sind seit vielen Jahren selbstorganisiert, also von freiwillig engagierten Menschen geleitet.

TG: Was könnte Harburg Eurer Meinung unbedingt noch gebrauchen?

Julia Hoffmann: Was wir aus Gesprächen immer wieder mitbekommen ist, dass im Kulturbereich vor allem im Bereich Handwerkskunst ein großes Interesse an Kursen besteht. Leider ist es sehr schwierig für diese Angebote geeignete Kursräume in der Region zu finden. Wir sind aktuell z. B. auf der Suche nach geeigneten Räumen für unsere Keramikkurse. Viele unserer Teilnehmenden wünschen sich z.B. Kurse in denen sie lernen, mit der Töpferscheibe zu töpfern.

Ilker Ipek: Wir bieten bereits Kurse an, jedoch ist das Kontingent an Plätzen nicht ausreichend. Wir besitzen von der VHS sogar eigene Drehscheiben, haben aber keine Räumlichkeiten in denen wir diese nutzen können. Es gibt in der Harburger Kulturszene viele Menschen mit richtig guten Ideen, denen u.a. einfach die passenden Räume fehlen.

TG: Das Angebot der VHS bietet viele Kurse zum Mitmachen an. Wie wird das angenommen?

Ilker Ipek: Wir sind im Juni 2019 mit dem Ziel gestartet, den Kulturbereich in der Harburger VHS weiter zu stärken, Kooperationen einzugehen und unser Kulturprogramm auszubauen. Z.B. war es für uns ein großer Wunsch mit Jugend in Arbeit am Hafen zu kooperieren. Unser VHS-Sommeratelier gibt es seit 2008. Das Konzept war damals an vier Tagen mit mehreren Kunstschaffenden im Hafen nahe der Veddel auf dem Kleinen Grasbrook Freiräume zu entdecken und für eine künstlerische Auseinandersetzung zu nutzten. Am Ende gab es immer eine kleine Ausstellung. Leider konnte der Ort nur bis 2019 genutzt werden, ein neuer Platz wurde gesucht und die Idee war, dass wir gern in den Harburger Hafen ziehen möchten.

Julia Hoffmann:  Für 2019 haben unsere Kolleginnen aus der Programmplanung ein tolles Programm erstellt, alles war fertig geplant. Das Motto lautete: „Ab in den Süden! VHS-Sommeratelier im Hafen“. Dann kam Corona. Generell konnten viele unserer Kurse dank unserer engagierten Kursleitungen in Onlinekurse umgewandelt werden. Wer hätte gedacht, dass wir einmal einen „Aktzeichnen Grundkurs“ als Onlineformat anbieten würden? Nach und nach sind alle unsere Präsenzkurse wieder durchführbar geworden. Und im Herbst starten wir nun auch mit einem Tischlerkurs im Harburger Binnenhafen in Kooperation mit Jugend in Arbeit!

TG: Was erwartet einen bei den Kursen?

Julia Hoffmann:  Die Bandbreite, an dem was angeboten wird, ist sehr groß. Insgesamt gibt es verschiedene Bereiche, z.B. den sehr gut besuchten Bereich Sprachen oder Gesundheitskurse wie z.B. Yoga. Es gibt auch Kurse zu Webdesign oder Kurse die sich mit der virtuellen Realität beschäftigen. Ebenso EDV-Kurse für Neueinsteigende. Im Bereich Kultur haben wir in Harburg in diesem Jahr bereits 240 Kurse im Angebot und es kommen noch weitere dazu z.B. Rundgänge in Harburg, Fotokurse, Malkurse, Schneiderkurse. Bei uns wird gehäkelt, Handlettering gelernt oder Gitarre und Ukulele gespielt. Am 25.06. gibt es einen Folk-Musik Workshop auf der Freilichtbühne, an der Harburger Außenmühle, angeleitet von Roland Prakken.

Ilker Ipek: Wir würden uns freuen, wenn sich hier noch Interessierte finden würden, die Lust haben mitzumachen. Außerdem wird es einen Bandworkshop unseres sehr engagierten Kursleiters Nils Fiedler geben. Das haben alle unsere Kursleitungen gemeinsam, sie sind alle sehr Qualifiziert und haben Spaß an dem was sie tun!

TG: Wie komme ich zu den Kursen?

Ilker Ipek: Alle Angebote sind auf unsere Home-Page: Willkommen bei der VHS Hamburg! | Hamburger Volkshochschule zu finden. Telefonisch ist unsere Hotline: 040 4284 1 4284 (mo – fr., 8:30 – 19:00 Uhr) zu erreichen. Und dienstags von 14:00 – 17:00 Uhr gibt es auch die Möglichkeit einer persönlichen Beratung vor Ort bei uns in der VHS Eddelbüttelstr. 47a, im gleichen Gebäude mit der Bücherhalle. Der Auftrag der VHS lautet: Bildung für alle. Daher bieten wir u.a. nicht nur ein breites Themenspektrum, sondern auch bezahlbare Angebote. Damit auch wirklich alle Menschen teilnehmen können, gibt es Möglichkeiten für Ermäßigungen. Wenn die Kurse trotz Er­mäßi­gungen nicht finanzierbar sind, gibt es den Förderverein „Bildung für alle!“ Willkommen bei Bildung für alle! e.V.

TG: Was erwartet uns bei der kollektiven Lesung der Hamburger Autorenvereinigung?

Julia Hoffmann:  Da sind wir selber sehr gespannt! Gino Leineweber und Sabine Witt starten mit einer Einführung zur 2021 erschienenen Anthologie „Spring‘s Blue Ribbon“, die von Antje Stehn und Gino Leineweber im Hamburger Verlag „Expeditionen“ herausgegeben wurde. 60 Autoren und Autorinnen aus 20 Ländern sind darin vertreten und etwa Zehn von ihnen werden während der Online-Lesung in ihrer Muttersprache daraus lesen. Wir freuen uns auf die SuedLese und sind gern Teil davon!

TG: Vielen Dank für das interessante Gespräch und auf zur SuedLese!

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Scharfer Krimi in Stumpfer Ecke https://www.tiefgang.net/scharfer-krimi-in-stumpfer-ecke/ Fri, 27 May 2022 22:48:24 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9032 [...]]]> Die beliebte und traditionsreiche Kneipe „Zur Stumpfen Ecke“ direkt hinterm (noch-)Rieckhof nimmt dieses Jahr an den SuedLese-Literaturtagen teil. Man könnte fragen, warum erst jetzt?!

Wir haben mal nachgefragt – und zwar bei Andrea Petersen und Christoph Ebener, die auch zum Führungsgremium der neuen Genossenschaft gehören, die seit 2022 die Kneipe übernommen  und somit vor allem gesichert hat.

Tiefgang (TG): Wie kommt es, dass eine Kneipe an den Literaturtagen teilnimmt?

Andrea Petersen: Unsere Gäste lesen viel, tauschen und empfehlen sich Bücher und sprechen am Tresen darüber. Kurz: Die Stumpfe Ecke ist literaturaffin, da schien es uns naheliegend nun auch selbst Lesungen zu veranstalten.

TG: Aber gehört Literatur in die Kneipe?

Christoph Ebener: Autorinnen und Autoren können bei uns in einem kleinen, intimen Rahmen ihre Arbeit vorstellen, sind hier nah an den Leserinnen und Lesern dran. Und unsere Kneipe ist ein für jeden offener Ort, auch für Interessierte die vielleicht nicht unbedingt zu Veranstaltungen kultureller Institutionen gehen. Wir glauben, dass eine Kneipe auch im Bereich Kultur hier ein niedrigschwelliges Angebot machen kann.

TG: Welche Themen und Protagonisten erwarten uns denn?

Andrea Petersen: Am Die., 07. Juni haben wir die Hamburger Autorin Simone Buchholz zu Gast, die aus ihrem achten und letzten Hamburg-Krimi RIVER CLYDE lesen wird. Über diese preisgekrönte Autorin freuen wir uns besonders, weil ihre Romane die Grenzen des Krimi-Genres deutlich erweitert haben. Und außerdem viel Hamburg darin vor kommt.

Christoph Ebener: Und am Die., 28.Juni haben wir die „Geschichtswerkstatt Harburg“ zu Gast, die ihr erfolgreiches Buch „Die wilden Harburger Kneipen der 60er und 70er“ vorstellen. Die Autoren Guenter Wincierz, Jürgen Meyer und Ulrich Witwer werden ihre Archive öffnen und über ihre Recherchen zur Harburger Kneipenkultur der letzten 100 Jahre erzählen. Es wird bisher unveröffentlichtes Bildmaterial zu sehen und viele Geschichten zu hören geben.

TG: Wird es ab nun regelmäßig Kultur in Eurer Kneipe geben?

Andrea Petersen: Ja. Wir planen nicht nur Lesungen, sondern nach zwei Jahren Pause auch wieder mit Musikern und Bands Konzerte zu organisieren. Geplant sind demnächst auch Sonntags-Konzerte mit klassischer Musik und Abende, an denen DJ´s musikalische Themenabende veranstalten.

Die SuedLese-Termine

  • Dienstag, 7. Juni 2022, Simone Buchholz – River Clyde, 20 Uhr, Eintritt 8 €
  • Dienstag, 28. Juni, Geschichtswerkstatt Harburg e.V. Die wilden Harburger Kneipen der 60er und 70er Jahre, 20 Uhr, Eintritt frei – aber Spende erbeten!

Ort: Zur Stumpfen Ecke eG, Rieckhoffstraße 14, 21073 Hamburg-Harburg, www.stumpfe-ecke.de

Tickets: Karten für die Lesung von Simone Buchholz kosten 8.- Euro. Tickets lassen sich per Email unter genossenschaft@stumpfe-ecke.de vorbestellen oder direkt am Tresen der Stumpfen Ecke erwerben. Zur Lesung der Geschichtswerkstatt ist der Eintritt frei, der Hut wird rum gehen.

 

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Über die Strahlkraft des Giersches https://www.tiefgang.net/ueber-die-strahlkraft-des-giersches/ Fri, 20 May 2022 22:31:39 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9028 [...]]]> Die Orte der Worte der SuedLese-Literaturtage sind stets eine besondere Betrachtung wert. So auch der Kirschbaum in Neugraben, der nicht zuletzt in der Pandemie seine poetische Wirkung entfaltete.

Die Neugrabener Leseratte und nun auch selbst Schreiberin Anje Schwennsen lädt seit geraumer Zeit in die Idylle ihres Kirschbaumes und macht  dies zu einem Leseort, bei dem sich auch bekannte Autor*innen die Äste in die Hand reichen. Wir haben mal nachgefragt …

Tiefgang (TG): Die Lesung unterm Kirschbaum gibt es seit wann?

Anja Schwennsen: Die Lesung gibt es seit Juni 2020.

TG: Wie kam die Idee auf?

Anja Schwennsen: Mit den Lockerungen nach dem ersten Lockdown, der auch den Ausfall der Leipziger Buchmesse bedeutet hatte, war mir klar, dass ich Autor*innen in meinem Umfeld unterstützen möchte. Als Vorstandsmitglied des writers’ room Hamburg stehe ich mit vielen Hamburger Autorinnen und Autoren in Kontakt. Da habe ich mitbekommen, wie schwer der Ausfall der Buchmesse und aller Veranstaltungen für viele war, weil es einfach keine Möglichkeit mehr gab, seine Bücher vor einem Publikum zu präsentieren. Silke Tobeler beispielsweise hatte gerade nach zehn Jahren Arbeit ihr Debüt »Collage – ein Art brut- Krimi« in einem kleinen Verlag veröffentlicht und hatte nun keine Gelegenheit, ihr Buch vorzustellen. Sie war meine erste Autorin unterm Kirschbaum. Auch Julia Rischke, die 2019 eines der begehrten Hamburger Literaturstipendien erhalten hatte, war eine der ersten Autorinnen unterm Kirschbaum.

 

TG: Was verbindet Sie mit Literatur generell?

Anja Schwennsen: Ich habe Deutsche Sprache und Literatur in Hamburg und Straßburg studiert und wurde 2015 mit meiner Arbeit über „Mythische Rede in der Literatur“ promoviert. Ich bin aber dabei, die Seiten zu wechseln: von der Analyse zum Selbermachen. Ich habe eine Autorenausbildung beim Schreibhain in Berlin gemacht und jetzt entsteht gerade mein erster eigener Roman.

 

TG: Was gab es in der Vergangenheit bereits unterm Kirschbaum zu hören?

Kirschbaum-Gastgeberin Dr. Anja Schwennsen (Foto: PR)

Anja Schwennsen: Zwei Autorinnen habe ich oben ja schon genannt. 2020 hatte ich fünf Autorinnen und Autoren da und im vergangenen Jahr waren es sieben. Die erste Lesung, die gleich nach der Öffnung nach dem zweiten Lockdown stattfinden konnte, war die mit Jan Christophersen. Er hat Ende Mai aus seinem Roman „Ein anständiger Mensch“ gelesen. Insgesamt versuche ich möglichst verschiedene Genre und Gattungen in meinem Garten zu präsentieren. Wir hatten schon ein Jugendbuch aus dem Bereich Fantasy (Charlotte Richter „Die Muschelsammlerin“), zwei Hamburgkrimis von Cord Buch und Anke Küpper, einen Spannungsroman („Unter Wasser Nacht“ von Kristina Hauff), Jan Wagner, der aus seinem Roman „Der glückliche Augenblick“ gelesen und einige seiner Gedichte vorgetragen hat und mit „Da geht einer“ von Susanne Bienwald eine Künstlernovelle. Mit „Der Defekt“ von Leona Stahlmann hatten wir einen Roman, in dem es um Sadomasochismus im Sinne einer stigmatisierten sexuellen Neigung ging, wir hatten klassische Frauenunterhaltung (Lanscape und Romance mit dem Roman „Denn das Leben ist eine Reise“ von Hanna Miller und „Schwester“ von Mareike Krügel), Kurzgeschichten von Susanne Neuffer und mit Hannah Beckmann eine Studentin des Literatur Instituts Leipzig, die uns experimentelle Texte in einer gekonnten Performance vorgetragen hat. Von einer Lesung beim Deutschen Literaturinstitut in Leipzig her kannte ich auch Katharina Adler, die bei uns ihren Roman „Ida“ und noch vor der Veröffentlichung einen Ausschnitt aus ihrem aktuellen Roman „Iglaut“ gelesen hat.

TG: Welche Lesung blieb bisher am besten in der eigenen Erinnerung?

Anja Schwennsen: Besonders toll fand ich den Augenblick, als Jan Wagner sein Gedicht „giersch“ vortrug. Ich mag das Gedicht sehr und es würde mir nicht mehr einfallen, allen Giersch aus meinem Garten zu entfernen. Also fragte ich nach dem Vortrag des Gedichts ins Publikum, ob jemand schon Giersch in meinem Garten entdeckt hätte. Ein achtjähriger Junge hielt daraufhin wie auf Kommando ein Pflänzchen Giersch hoch. Jan Wagner sagte mir nach der Lesung, er habe gedacht, das sei arrangiert gewesen. War es aber nicht. Es war einfach ein schöner spontaner Moment. Später erklärte mir dann eine Frau aus dem Publikum, sie hätte so gerne Giersch auf ihrem Balkon, aber überall fände sie immer nur Ratschläge zur Bekämpfung desselben. Ich grub ihr ein paar Gierschpflänzchen aus und sie nahm sie mit nach Hause.

 

TG: Wie erfolgt die Auswahl?

Anja Schwennsen: Die Bücher müssen mir gefallen. Oft kenne ich die Autorinnen und Autoren aus meinem Umfeld oder von Lesungen, die ich selbst besucht habe. Einige Verlage schicken mir aber auch ihre Vorschauen und manchmal spricht mich da etwas an. Dann frage ich nach einer Leseprobe.

TG: Wenn man sich was für die Reihe wünschen könnte – was wäre es?

Anja Schwennsen: Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre das eine auf Dauer gestellte Möglichkeit, Gelder zu beantragen. Der Deutsche Literaturfonds und die Stadt Hamburg mit der Behörde für Kultur und Medien und das Bezirksamt Harburg fördern die „Lesung unterm Kirschbaum“ vom ersten Tag an. Und ich sage: DANKE! Denn ohne Förderung könnte ich den Autorinnen und Autoren nicht das Honorar zahlen, das ich gerne zahlen möchte, und auch Anreisen und Übernachtungen wären bei Lesungen allein auf Spendenbasis kaum zu finanzieren. Den Hauptteil der Lesungen finanziere ich zurzeit über den Fonds Neustart Kultur, der aber vermutlich im nächsten Jahr nicht neu aufgelegt wird. Daher wäre es schön, wenn es von der Stadt Hamburg ein ausreichend hohes Budget gäbe, das für Veranstaltungen vorgesehen ist, die wie auch die SuedLese unabhängig von Institutionen aus freiwilligem Engagement heraus entstehen. 

TG. Vielen Dank für das befruchtende Gespräch!

Termin: Fr. 3. Juni, 18 Uhr: Lesung unterm Kirschbaum: Isabel Bogdan – Mein Helgoland
Wulmstorfer Ring 9a, 21149 Hamburg-Neugraben; www.anja.schwennsen.de

 

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7. SuedLese – Bücher und ungewöhnliche Orte der Worte https://www.tiefgang.net/7-suedlese-buecher-und-ungewoehnliche-orte-der-worte/ Fri, 13 May 2022 22:47:31 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9020 [...]]]> Der gesamte Juni wird in Hamburgs Süden dieses Jahr im Zeichen der Literatur stehen. Denn: sie sind wieder da – die 7. SuedLese – Literaturtage in Hamburgs Süden.

Und vor allem wo: gelesen wird am Fenster, mit dem Rad, unterm Kirschbaum, auf dem Sandberg, Flohmarkt oder einem Laster, auf dem Bauernhof, am Kneipentresen und im Musikclub.

Fast 60 Literaturtermine mit gut 80 Autor*innen an gut 30 Orten laden ein, sowohl die Vielfalt des aktuellen literarischen Lebens als auch die spannenden „Orte der Worte“ kennen zu lernen.

Und es ist wieder eine Kooperation von Kulturschaffenden aus dem Landkreis wie dem Bezirk Harburg – ganz unter dem Motto „Stadt – Land – Harburg“.

„Neben spannenden klassischen Lesungsformaten gibt es wie immer auch außergewöhnliche Veranstaltungen wie Slam-Poetry am Kulturkiosk und Poetry-Slam im Stellwerk, Fensterlesungen für Kinder im HinZimmer, den Poetomaten auf dem Flohmarkt am Kanalplatz und viele mehr“, führt Projektleiterin Anne Lamsbach aus und fährt fort: „In der Kneipe ´Zur Stumpfen Ecke` stellt die Geschichtswerkstatt e. V. die wilden Harburger Kneipen der 60er und 70er Jahre vor und in Moisburg können Familien sich märchenhaft mit Hexe, Wassermann & Co auf den Spuren Otfried Preußlers erschließen.“

Lamsbach selbst studierte an der im Harburger Hafen ansässigen Medical School Hamburg „Poesie“ und stieß bereits letztes Jahr zum SuedLese-Team. Am Studiengang entstand dadurch auch das Forschungslabor <<LitLab>>, das auch dieses Jahr die Literaturtage begleitet und künstlerische wie wissenschaftliche Arbeiten beiträgt.

„Zum Abschluss des Semesters stellen Studierende ihre Arbeiten und Erfahrungen, die sie unter der Themenüberschrift ‚Poesie im sozialen Raum‘ gemacht haben vor, berichten dabei von ihren künstlerischen Arbeiten und verknüpfen diese mit theoretischem Kontext. „Motherhood and writing“ etwa ist ein weiteres LitLab-Projekt, welches wir im Rahmen einer SuedLese-Veranstaltung vorstellen.“

Die Aufteilung der Lesungen ist wieder so angelegt, dass an fast jedem Juni-Tag eine oder mehrere Lesungen zu erleben sind. Mit der Kneipe „Zur Stumpfen Ecke“, dem Kulturlaster der Buchholzer Agentur „Waldinsel“, dem Marias Ballroom, dem Moorburger „Wasserturm & Feuerteufel“ aber auch dem Popup Store des Harburg Marketings kommen dieses Jahr etliche neue Orte auf die Literaturlandkarte des Südens Hamburgs. Möglich wurde dies durch eine erneute Unterstützung im Rahmen des Förderprogramms „Neustart Kultur“ der Bundesbeauftragten für Kultur sowie der Stiftung Sparkasse Harburg-Buxtehude.

„Zu den ungewöhnlichen Formaten dieses Jahr zählt sicher die Lesung des Punk-Magazin-Herausgebers Dolf Hermannstädter (9.6.) auf einem Laster, der Nahe der Buchholzer Empore steht“, sagt Lamsbach. Trashig ist aber auch die Buchvorstellung des bekannten Chaos-Autoren Jan Off im Marias Ballroom (16.6.). Für Kinder und ältere Märchenfans zählt sicher die Moisburger Otfried Preußler Huldigung (12.6.) zu den Highlights und für Krimi-Liebhaber geht es am 18. Juni zur Ladies Crime Night nach Neugraben. Die Kunstleihe Harburg zeigt den ganzen Juni über eine poetische Installation der Künstlerin frankhaleesi und auf einem Sandberg an der alten Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße wird kritisch auf die letzten 15 Jahre Stadtentwicklung und dem Schlagwort „Not in our Name“ geschaut. Und auch der sich am Harburger Hafen neu etablierende monatliche Flohmarkt nimmt die Literatur mit auf und hat am 4. Juni unter all den Stöber-Ständen den „Poetomaten“ platziert, der individuelle Poesie ausspuckt.

Kurzum: Die Literatur ist zurück im Süden der Elbmetropole und lässt an Fantasie und Überraschungen kaum etwas aus. Zudem wurde das Internetportal www.suedlese.de weiter strukturiert und soll nun nach Wunsch des SuedLese-Teams zu einem ganzjährigen Literaturportal werden. Neben den aktuellen Lesungen finden sich dort auch viele Funktionen, die die Orientierung vereinfachen. So kann man sich mit einem Merk-Button ausgesuchte Lesungen direkt in seinen Online-Kalender stellen lassen, Bekannte zu Terminen einladen oder auf diese aufmerksam machen und das „Bücherregal“ ist eine Buchhandlung nachempfunden. Unter Rubriken wie Heide-Kimi oder Sachbuch lassen sich schnell bei der SuedLese gelesene oder neu erschienene Harburger Bücher ausfindig machen. Und das Regal ist schon reichlich gefüllt.

Heimo Rademaker, Sprecher des Kulturnetzwerkes SuedKultur: „Trotz Pandemie wurde im Hintergrund unentwegt gearbeitet und nach Wegen aus der kulturellen Zwangspause gesucht. Nach dem fulminanten dreiwöchigen SuedKulturSommer letztes Jahr gilt es nun wieder in eine Art Normalität zu kommen. Die SuedLese ist der literarische Teil davon. Im Herbst wird es auf jeden Fall auch die SuedKultur Music-Night wieder geben und so wie es aussieht, wird im Spätsommer auch ein zweites Harburger Kunstfest stattfinden. Daneben arbeiten wir in monatlichen Workshops aber auch hinter den Kulissen, um zu sehen, wie wir den Süden Hamburgs auch für die Zukunft kulturell fit machen. Da sind wir dankbar, dass auch dieses Jahr noch Bundesgelder für die Wiederbelebung der Kultur bereitstehen.“

Das terminliche Programm und vieles mehr ist wieder in einem gut 80 Seiten dicken Programmheft als Wegweiser zu finden. Darin sind auch die „Orte der Worte“ erklärt. Auf der aktualisierten Homepage www.suedlese.de werden zudem Hintergrundinformationen zu den Locations, den Macher*innen, den Autor*innen aber auch den Büchern gegeben.

Im Online-Feuilleton ´Tiefgang` der Initiative SuedKultur wird es darüber hinaus begleitende Interviews und Porträts der Autor*innen und ihrer Bücher geben.

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