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Das Glas Wasser ist halb leer

Wasser wird knapp. Spätestens im Zuge der Wahrnehmung von Klimaveränderungen wird klar, dass auch die scheinbar alltäglischste Ressource endlich ist. Das Museums am Rothenbaum (MARKK) widmet sich nun dem Thema.

Wasser betrifft uns alle. Während die Folgen der Klimakrise auch hierzulande zunehmend spürbar werden, sind die drastischsten Auswirkungen entlang des kolonialen Machtgefälles ungleich verteilt. Am stärksten betroffene Gemeinschaften verfügen vielfach über erfahrungsbasierte Kenntnisse und überliefertes Wissen, die sich beim Schutz von Gewässern und Ökosystemen bewährt haben. Die Ausstellung „Wasser Botschaften“ erkundet ökologisches Wissen und Wassergeschichten, die in den historischen Sammlungen des MARKK gespeichert sind, und setzt diese in Beziehung zu gegenwärtigen Wasserschutz- und Klimabewegungen des Globalen Südens. Anhand von zeitgenössischen Beispielen aus Kunst und Design beleuchtet die Ausstellung die kolonialen Ursprünge lokaler Wasserkrisen und stellt neue Anwendungen für althergebrachte Techniken und Praktiken vor. Sie lädt dazu ein, den Botschaften des Wassers Gehör zu schenken und unsere Beziehungen jenseits der menschlichen Sonderstellung neu zu denken. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit einem internationalen Wasser Think Tank entwickelt und durch das Londoner RESOLVE Kollektiv gestaltet. Sie findet im Rahmen des Projektes TAKING CARE statt – kofinanziert durch das Programm Creative Europe der Europäischen Union. Eröffnungswochenende 25.-26.2.23 mit Werkstattgesprächen, Kurator*innenführungen und Publikumsdiskussionen.

Ankauf durch Stiftung Hamburger Kunstsammlungen

In der Ausstellung wird ein aus Ankaufsfonds des Globalen Südens der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen für das MARKK erworbene Werk des nigerianischen Künstlers Wilfred Ukpong gezeigt. Es geht aus einem afrofuturistischen Kunstprojekt hervor, das in Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Wissensträger:innen aus ölproduzierenden Gemeinden im Niger-Delta konzipiert wurde. Ukpongs Fotografien verweben die Realität der Ölindustrie und die Emanzipationsbewegung des Nigerdeltas mit überlieferten Geschichten über Wassergeister.

Lose Enden – Flechtkunst – Marshall Islands – Koloniales Erbe
Laufzeit: 20. April 2023 bis 30. Juli 2023

Kuration: Jeanette Kokott mit Meitaka Kendall-Lekka und Mitwirkung von Jamie Dau.
Design und Material der kunstvollen Flechtarbeiten, die auf den Atollen der Marshallinseln gefertigt wurden, stehen im Mittelpunkt dieser Ausstellung. Jaki-ed Kleidmatten erleben seit einigen Jahren ein Revival, nachdem sie im Laufe des 20. Jahrhunderts nahezu vollständig aus dem öffentlichen Leben verschwunden waren. Die Ausstellung würdigt die Fertigungstechniken in ihrer künstlerischen Qualität, in ihren historischen Kontexten, ökologischen Dimensionen und sozialen Settings. Sie spürt dabei den kulturellen Veränderungen nach, thematisiert die Einflüsse von Missionierung, Kolonialverwaltung und Handel und fragt, weshalb alte Matten der Marshallinseln fast ausschließlich in westlichen Museen zu finden sind und nicht mehr vor Ort. Flechtarbeiten und Werkzeuge ihrer Herstellung aus den Sammlungen des MARKK bilden die entsprechenden Ausgangspunkte und Anschauungsmaterialien. Ergebnisse des aktuell vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Provenienzforschungsprojekts fließen in die Betrachtungen ein und kontextualisieren die Erwerbungsumstände.
Die Art Residency für Anfernee Kaminaga von den Marshall Islands wird finanziert aus dem Projekt MARKK in Motion als Teil der Initiative für ethnologische Sammlungen der Kulturstiftung des Bundes.

Sápmi – Speaking Back: Dekolonisieren der nordischen Anderen (AT)
Laufzeit: 8. September 2023 – 28. Januar 2024

Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Kunsthaus Hamburg sowie Sámi-Künstler:innen und -Kurator:innen. MARKK-Kuratorin: Anna Sophie Laug.
Die Ausstellung präsentiert zeitgenössische Werke von finnischen und Sámi-Künstler:innen, die sich mit dem nordischen Kolonialismus und seinen bis heute anhaltenden Auswirkungen auseinandersetzen. Die Werke werden in Beziehung mit Sápmi-Objekten aus den umfangreichen skandinavischen Sammlungen des 19. Jh. Im MARKK gesetzt. Es erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit Rassentheorien und der Repräsentation der Sámi in ethnographischen Sammlungen und Völkerschauen, wie auch über die Diskriminierung der Sámi in den skandinavischen Ländern und ihr Kampf um Rechte reflektiert werden.

Kent Monkman – Being Legendary (AT) –  Laufzeit: 14. Dezember 2023 – 14. April 2024

In Kooperation mit dem Royal Museum Ontario ROM und dem Studio Monkman. MARKK-Kuration: Christine Chávez.
Kent Monkman (geb. 1965) ist in Kanada und den USA bereits ein Star und wird nun erstmals mit einer durch ihn selbst kuratierten Soloschau seiner Gemälde, Skulpturen und Radierungen in Europa zu sehen sein. Er ist bildender Künstler und Mitglied der Fisher River Cree Nation im Treaty 5 Territory (Manitoba) und lebt und arbeitet im Dish With One Spoon Territory (Toronto, Kanada). Monkman schafft farbenprächtige Gemälde, die voller Referenzen auf die Kunstgeschichte sind, und dabei Themen wie Kolonisierung, Sexualität, Verlust und Widerstandsfähigkeit transportieren. Monkmans genderfluides Alter Ego – Miss Chief Eagle Testickle – taucht in seinen Arbeiten häufig als zeitreisendes, gestaltwandelndes, übernatürliches Wesen auf, mit roten High-Heels. Er kehrt den kolonialen Blick um und stellt gängige Vorstellungen von Geschichte und Identitäten in Frage.

Zwischenraum

Mit dem Thema Raum geben – Raum nehmen startet der Zwischenraum ins letzte Jahr der Projektförderung MARKK in Motion im Rahmen der Initiative für ethnologische Sammlungen.
Der Raum wird Ort für aktivistische Interventionen und performative Aneignungen und ermöglicht Einblicke in Forschungsprojekte und Kooperationen. Das Vinyl-Archiv wird von unterschiedlichen DJ-Kollektiven bearbeitet.

Forschung & Austausch

Das MARKK widmet sich weiterhin intensiv der Provenienzforschung. In dem Projekt Spuren des Boxerkrieges in deutschen Museumssammlungen – eine gemeinsame Annäherung, gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) und im Verbund mit sechs weiteren großen Museen, untersucht das MARKK seine China-Sammlungen auf Plünderungsgut aus dem Boxerkrieg 1900/1901. Damals verschwanden etwa 80% der Kulturgüter Pekings von ihrem ursprünglichen Aufbewahrungsort. Viele fanden sich bald auch in deutschen Sammlungen auf. Das Projekt versucht, entsprechende Kulturgüter in Deutschland zu identifizieren und ihre ursprünglichen Besitzer festzustellen. Projektpartner in China sind das Palastmuseum Peking und die Shanghai University. Im MARKK-Zwischenraum widmet sich eine Vitrine diesem Projekt – zu sehen von Ende Januar bis Ende April 2023. Die auch vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderte Untersuchung der Provenienzen kolonialer Sammlungsbestände aus Ozeanien und deren Zusammenhang mit den Hamburger Handelsnetzwerken kommt im Mai 2023 zum Abschluss. Das Nachfolgeprojekt (Laufzeit bis 2025) nimmt in Kooperation mit der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung die Bestände des ersten Jahres der Hamburger Südsee-Expedition (1908-1910) in den Blick und hat die kritische Untersuchung kolonialer Aneignungsvorgänge in Ozeanien (v.a. heutiges Papua-Neuguinea) zum Ziel.

Ein drittes Provenienzforschungsprojekt, das ebenfalls vom DZK gefördert wird, widmet sich der systematischen Überprüfung ausgewählter Museumsbestände europäischer Judaica, Überweisungen öffentlicher Einrichtungen nach 1945 und Einzelfällen mit begründetem Verdacht auf NS-verfolgungsbedingtem Entzug.
Als Partner*in des EU-Projekts Taking Care. Ethnographic and World Cultures Museums as Spaces of Care widmet sich das MARKK noch bis Ende 2023 Zusammenhängen zwischen ethnografischen Sammlungen und Fragen der Klimakrise, des Anthropozäns und des Nachlebens des Kolonialismus.

Großveranstaltungen im MARKK 2023

Das 14. Märchenfest des Märchenforums Hamburg am 29. Januar bietet Märchen für alle Altersgruppen unter dem Motto „Einmal, als große Teuerung in das Land kam“ (aus „Hänsel und Gretel“).
Unser Cool Japan Festival am 5. März feiert „Sakura“ – die Kirschblüte. Das Spielefestival am 2. April präsentiert Spiele aus der Sammlung und hält viele Überraschungen und Angebote für Familien bereit. Die Lange Nacht der Museen am 22.4. wird auch im Museum am Rothenbaum unter dem Motto „Wir bleiben wach“ stattfinden. Die Finissage von Hey Hamburg, kennst du Duala Manga Bell? am 2. Juli werden wir mit einem großen Programm begehen. Die Ausstellung wird dann weiter nach Kamerun gehen. Unser Sommerfestival ab Anfang Juli bringt den frischen Hamburger Sommer wieder zum Tanzen. Im Oktober freuen wir uns darauf, das Fluctoplasma Festival vom 27.-29.10 wieder beherbergen zu können – ein wichtiges Festival, das mehr Diversität und Vielfalt in die Kulturlandschaft bringt. Kurz danach, am 31.10., gibt es den kostenlosen Museumstag See For Free. Die kalte Jahreszeit wird mit dem Mexikanisches Totenfest am 11. & 12. November eingeläutet – am Samstag 11.11. mit längeren Öffnungszeiten bis in den Abend – aufgrund der großen Resonanz.

Neue digitale Plattform tell me

Das MARKK präsentiert ein neues digitales Tool, die interaktive Plattform tell me, um einem weltweiten Publikum die Möglichkeit zur Interaktion mit Sammlungsobjekten zu verschaffen. Im Mittelpunkt stehen spannende und einfach geschriebene Stories zu einzelnen Gegenständen aus der Sammlung. Sie sind um ein 3D-Modell des Objekts angelegt, das von allen Seiten betrachtet und bewegt werden kann. Bei allen Objekten finden Nutzer*innen gut sichtbar den „tell-me-Button“. Hier kann jede:r über einen Klick und ein einfach gestaltetes Formular einen Kommentar zu dem Objekt abgeben und Wissen über die Dinge beitragen. Diese interaktive Funktion ist das Herzstück von tell me. Die Pilotphase beginnt im Februar 2023.

Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt; (Stiftung öffentlichen Rechts)
Rothenbaumchaussee 64, 20148 Hamburg – markk-hamburg.de [1]

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