Das MARKK thematisiert nordischen Kolonialismus

Das Land spricht. Sámi Horizonte

Annika Dahlsten und Markku Laakso Koskivuononvaara, Inari, 2011

Die Ausstellung Das Land spricht. Sámi Horizonte zeigt vom 8. September 2023 bis 25. Februar 2024 das Zusammenspiel zeitgenössischer Positionen und historischer Objekte und stößt einen längst überfälligen Perspektivwechsel auf Geschichte und Gegenwart der Sam*innen an.

Der bislang kaum thematisierte nordische Kolonialismus bezeichnet die Unterdrückung und Vertreibung der Sam*innen, deren Heimat Sápmi sich über die nördlichen Teile Norwegens, Schwedens, Finnlands und die Kola-Halbinseln der Russischen Föderation erstreckt. Das Museum am Rothenbaum (MARKK) beherbergt eine der größten Sammlungen samischer Kunst- und Kulturgüter in Deutschland, die in diesem kolonialen Kontext erworben wurde.  So stehen Diskriminierung, Landnahme und Umweltzerstörung im Fokus der Arbeiten von Sissel M. Bergh, Annika Dahlsten & Markku Laakso, Marja Helander, Erica Huuva, Britta Marakatt-Labba, Outi Pieski, Katarina Pirak Sikku und Anniina Turunen die auch Ausdruck von Emanzipationsbewegungen und bis heute anhaltendem Widerstand sind.

Prof. Dr. Barbara Plankensteiner, Direktorin des MARKK: „Es war für uns großartig, dass uns das Kunsthaus Hamburg und Hannimari Jokinen zur Kooperation eingeladen haben. Wir haben dies zum Anstoß genommen uns näher mit unseren Sapmi-Beständen auseinanderzusetzen, die in den letzten Jahren von mehreren Sami-Delegationen konsultiert wurden. Das Land spricht  ergänzt die im Kunsthaus Hamburg gezeigte, bereits im Juni eröffnete Ausstellung SPEAKING BACK. Decolonizing Nordic Narratives. Gemeinsam möchten die Ausstellungen ein Hamburger Publikum für den bisher kaum beachteten ‚nordischen Kolonialismus‘ sensibilisieren und samische Perspektiven und Empowerment-Bewegungen in Kunst und Wissenschaft in den Fokus nehmen.“

Samische Künstler*innen erfahren im globalen Ausstellungswesen zunehmende Aufmerksamkeit. So wurden 2017 im Rahmen der documenta 14 in Kassel Künstler:innen wie Máret Ánne Sara und Britta Marakatt-Labba neben sechs weiteren samischen Positionen gezeigt und international rezipiert. Auch der Nordische Pavillon in den Giardini der Venedig Biennale 2022 wurde zum Sámi Pavillon umbenannt und erstmalig von samischen Kurator:innen und Künstler*innen bespielt.

Während die Ausstellung im Kunsthaus Hamburg primär zeitgenössischen künstlerischen Positionen gewidmet ist, verbindet die Ausstellung am MARKK zeitgenössische Werke der Künstler*innen Sissel M. Bergh, Annika Dahlsten & Markku Laakso, Marja Helander, Erica Huuva, Britta Marakatt-Labba, Outi Pieski, Katarina Pirak Sikku und Anniina Turunen mit Objekten, die vor allem im Zeitraum zwischen 1910 und 1916 in das Museum eingingen. Diese wurden durch die Öffnung der Archive und Sammlungen und die Zusammenarbeit mit samischen Künstler:innen und Wissenschaftler*innen einer Neubetrachtung und Würdigung aus samischer Perspektive unterzogen.

Im Rahmen samischer Selbstbestimmungsbewegungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts spielen nicht nur die Wiederaneignung von Sprache, der Schutz von samischem Land und des für große Teile der Sam*innen auf Rentierzucht basierenden Lebensstils eine wichtige Rolle, sondern auch das materielle kulturelle Erbe der Sam:innen, in dem technologisches, spirituelles und ökologisches Wissen und ästhetische Vorstellungen ihren Ausdruck finden. Mit Das Land spricht. Sámi Horizonte setzt das MARKK einen ersten Schritt in der Aufarbeitung der etwa 1300 Stücke umfassenden Sápmi-Bestände, die derzeit in den Depots des Museums aufbewahrt werden, und von denen ausgewählte Beispiele in der Ausstellung gezeigt werden.

Für die Ausstellung konnte das Werk Beavvit – Rising Together (2019) von Outi Pieski als Leihgabe aus dem Nationalmuseum Oslo nach Hamburg gebracht werden. Ein Höhepunkt ist die mit der großzügigen Förderung der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen angekaufte Arbeit Áige mátkosteapmi / A journey in time (2023) der prominenten samischen Künstlerin Britta Marakkatt-Labba.

Der Freundeskreis des MARKK ünterstützte die Ausstellung beim Erwerb einer Kinderkappe von Solveig Labba, einem Silbercollier von Erica Huuva und einem seidenen Schultertuch von Anniina Turunen, in das die samische Losung eingewebt ist: „Mii leat ain dás“ (Wir sind noch da.). Die Arbeiten sind drei wichtige Beispiele zeitgenössischen duodji, des samisches Kunst- und Kulturschaffens. Zwei Kunstwerke – eine Installation von Katarina Pirak Sikku und eine Videoarbeit von Outi Pieski – sind für die Ausstellung neu entstanden und setzen sich mit historischen Gegenständen aus dem Bestand des MARKK auseinander.

Dr. Anna-Sophie Laug, Kuratorin: „Eine besondere Bereicherung war für mich während der Ausstellungsvorbereitung der Austausch mit den samischen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie ihr Wissen und ihre Gedanken mit uns geteilt haben. Die beiden für die Ausstellung kreierten Kunstwerke von Outi Pieski und Katarina Pirak Sikku reflektieren auf eindrückliche Weise die Wiederaneignung von samischem Kulturgut.“

Ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm und ein Katalog begleiten die Ausstellung. Am Sonntag, 10. September findet im Kunsthaus Hamburg und dem MARKK zwischen 12 und 18 Uhr ein Thementag der samischen Kultur und Geschichte statt. Informationen zum Programm finden Sie hier.

Das Land spricht. Sámi Horizonte entstand in Kooperation mit dem Kunsthaus Hamburg. Im Kunsthaus Hamburg ist vom 3. Juni bis 1. Oktober 2023 die Ausstellung SPEAKING BACK zu sehen.

 

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