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Die KSK geht auf Künstlerfang

KSK – die Abkürzung könnte auch für „Keiner soll´s kapieren“ stehen. Achim Griebe räumt für ´Tiefgang` in einer Serie mit den gröbsten Irrtümern auf … Heute: der Start der KSK.

Musik aus, Pinsel beiseite gelegt, Manuskript beenden. Ärmel hochkrempeln. Die Künstlersozialkasse [1]beginnt mit Ihrer Arbeit. Ein langer Weg.

Von der Vision einer sozialen Absicherung freiberuflicher Künstler bis zur aktiven Umsetzung durch eine Behörde.

Die Widerstände der Verwerter künstlerischer Leistungen, die ja einen Teil der Finanzierung übernehmen sollten, waren größer als erwartet. Erst im Januar 1983 war es soweit …

Die Künstlersozialkasse musste nicht nur räumlich neu geschaffen werden, die Mitarbeiter nicht nur in das komplexe Thema eingearbeitet werden, nein es galt auch das neue Gesetz mit Leben zu füllen und ausreichend zu informieren und zu kontrollieren. Und genau hier begannen die ersten Probleme der Behörde, die ab jetzt Ihren Sitz in Bremerhaven haben sollte und damals in die Landesversicherungsanstalt  Oldenburg-Bremen integriert war.

Herbert Ehrenberg von 1976 bis 1982 Sozialminister unter Helmut Schmidt hatte bei der Standortwahl nicht nur an seinen Wahlkreis in Wilhelmshaven gedacht, sondern war vorher neben anderen Experten beauftragt worden die Rahmenbedingungen des neuen Gesetzes auszuarbeiten.

Wenn man den Quellen aus der damaligen Zeit trauen darf, dann leider sehr fehlerhaft und auch  zu oberflächlich. Ich habe vor vielen Jahren mit einem Mitarbeiter von Herrn Ehrenberg ausführlich telefoniert. Bei aller berechtigter Kritik. Ein Kraftakt  war nötig um Helmut Schmidts Wahlversprechen einzuhalten und diese einmalige soziale Idee auf den Weg zu bringen.

Soziales Neuland 

Leider konnte man auch nicht auf Erfahrungen aus dem Ausland aufbauen, um damit schwerwiegende Anfangsprobleme zu vermeiden. Vergleichbares gab es nicht. Ein erheblicher und noch heute nachwirkender Fehler waren die zugrunde gelegten Zahlen.

Hobby, Handwerk oder Kunst? Den Pinseln sieht man es nicht an … (Foto: KSK)

Wie viele Künstler mussten nun in die neu geschaffene Pflichtversicherung aufgenommen und finanziert werden? Leider gab es damals keine verlässlichen Erhebungen über die Anzahl der freiberuflichen Künstler. Und welche Berufe sollte man es als künstlerisch deklarieren und welche nicht? Wer entscheidet was Kunst oder Handwerk ist?

Keine unwichtigen Fragen, wenn es um die Sicherung der Finanzierung, die Abwicklung der Abrechnungsverfahren und die Planung der Zukunftsentwicklung der Künstlersozialkasse gehen sollte.

Mit acht Mitarbeitern Neuland betreten

Acht Mitarbeiter sollen es in den ersten Monaten gewesen sein. Eine unglaublich geringe Mitarbeiterzahl angesichts der anstehenden und sehr umfangreichen Aufgaben. Herr Harro Bruhns, erster Leiter der KSK, hatte mit technischen und personellen Problemen zu kämpfen.  Hinzu kamen unzureichende und praxisferne Bestimmungen im Gesetz.

So verrückt, wie es heute klingt: Die KSK musste in den Anfangstagen auf Künstlerfang gehen.

Ein Selbstgänger war die KSK nie. (Quelle: KSK)

Sicherlich gab es Freiberufler, die sich nicht per Gesetz verpflichten lassen wollten plötzlich von Ihrem kargen Einkommen Krankenkasse und Rente zu zahlen. Gut verdienende Künstler, die sich freiwillig versichert hatten, sahen hingegen nicht ein, diese (private) Absicherung unter Umständen kündigen zu müssen. Der freiwillige Zulauf hielt sich demnach anfangs noch in Grenzen.

Damals gab es ja auch noch keine allgemeine Versicherungspflicht. Hinzu kamen Gerüchte und viele falsche Informationen, die leider auch die Gegner immer wieder für Ihre erneute Forderung nach Abschaffung nutzen konnten.

Es wurden erhebliche Fehler in der Informationspolitik  gemacht. Wenn man sich den aktuellen, geringen Etat  für Öffentlichkeitsarbeit der Behörde anschaut, wird klar: In den Anfangsjahren hatte die KSK enorme Schwierigkeiten gerade die Verwerter über Ihre Zahlungspflicht zu informieren oder diese zu kontrollieren. Das hatte schwerwiegende Folgen. Nicht nur der Bund musste erhebliche finanzielle Mittel zusätzlich bereitstellen, sondern die verbleibende Last wurde auf die wenigen Schultern der Verwerter und Beitragszahler verteilt, die mittlerweile per Verwaltungsakt erfasst waren.

Probleme, Probleme, Probleme

Dadurch erhöhte sich der prozentuale zu entrichtende Beitrag der ehrlichen Verwerter erheblich.  Man war bei allen Anstrengungen nicht in der Lage, die unehrlichen Nutznießer künstlerischer Leistungen berechtigt zur Kasse zu bitten. Ungerecht und existenzbedrohend für ein System, welches im Grundgedanken sozial richtig und noch heute unentbehrlich ist.

Erhebliche Probleme gab es auch bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage der Beiträge und den Zahlungen an die Krankenkassen und die Rentenanstalt. Alle Künstler eint ein Problem: Die ständig schwankenden Einnahmen und die Probleme bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns Ihrer Arbeit. Daraus resultiert das noch heute praktizierte Verfahren einer Schätzung der Gewinne am Anfang eines Jahres als Grundlage der monatlichen Zahlungen der Versicherten.

Ein  Blick in meine eigene  Vergangenheit und eine beantragte Akteneinsicht in meine persönliche Akte in Wilhelmshaven zeigt: Eine Postkarte und wenige Nachfragen der Sachbearbeiter reichten damals aus und ich war am Anfang meiner Selbstständigkeit als Musiker kranken- und rentenversichert. So leicht wurde es dann in den folgenden Jahren der stetig wachsenden Zahl der Antragsteller nicht mehr gemacht. Fehler im System und eine völlig verspätete erste Novellierung gingen zu Lasten der Künstler.

Immer mehr Schauspieler, Musiker, Maler oder freiberufliche Lehrer  usw. meldeten sich bei der KSK. Eine Antragsflut die mit den wenigen Sachbearbeitern nicht zu bewältigen war. Viel zu spät hatten  der Gesetzgeber und die Verantwortlichen in der Behörde auf die massiven Veränderungen  in allen Bereichen der künstlerischen Berufe reagiert.

Mit Folgen ……..

Weiterführende Artikel:

„Kranke Künstlerkasse“, „die Zeit“ [2] vom 20. Sept. 1985

„Kasse für kranke Künstler klingelt“, „die Welt“ [3] vom 10. Mai 1997

 „Künstlersozialkasse: Jeder Mensch ist ein Künstler“, „der Tagesspiegel“ [4] vom 20. Mai 2001

„Das Straßenmusiker-Problem“, „taz“ [5]vom 12. Jan. 2005

(30. Mai 2017, Joachim Griebe)

Zu Joachim Griebe: joachimgriebe.de [6]

Joachim Griebe: er stammt aus Hamburg-Harburg, lebt in Koblenz, ist Berufsmusiker und seit über 20 Jahren über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert. Die meisten kennen ihn vor allem als Helfer in der Not und Gründer und Begleiter des KSK-Forums [7].

Infos, Austausch, gegenseitige Hilfe: das KSK-Forum. (Logo: Joachim Griebe)

 

Vorschau: Im Teil III wird es darum gehen, wer in die KSK soll und darf.

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