Warum wir die polemische Diskussion beenden sollten:

Alle Jahre wieder zum Angriff auf die KSK

Foto: S. Schnell

Die politische Sommerpause – die letzte vor dem nächsten großen Bundestagswahlkampf 2017 – war kaum zu Ende, positionierten sich die Lobbyisten gleich mal wieder. Angriffsziel: die KSK.

Neben Themen wie TTIP, Steuern oder Asyl wurde die Agenda für Politik und Medien in der Jahresmitte schon mal vorgegeben. Geschickt gesetzt wurde dabei und wieder mal ein Thema, das viele – vor allem Betroffene aus dem Kulturbereich – wohl etwas aufgeschreckt haben dürfte. Nämlich die Künstlersozialkasse, kurz: KSK. Ein vergleichsweise kleiner Unternehmerverband, nämlich die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, setzte das Thema, in dem es von zusätzlichen Kosten in Höhe von 250 Mio. € sprach, die schlichtweg nicht haltbar seien. Hauptgeschäftsführer Volker Fasbender: „Die deutsche Künstlersozialversicherung ist ein weltweit einmaliger Sonderweg, der die Unternehmen mit unerträglichen Bürokratiekosten und höchster Rechtsunsicherheit belastet“. Basta! Das Thema war raus und siehe da auch bestens platziert: Spiegel, Focus, all die großen Medien berichteten, zitierten – und der Unmut bei den Betroffenen, die ganz zeitgemäß und umgehend per Twitter und Facebook reagierten, sorgte  für die vermutlich beabsichtigte und gewünschte Polarisierung.

Die meisten werden sich vermutlich wundern, da sie vielleicht überhaupt zum ersten mal von dieser Kasseneinrichtung erfahren. Aber selbst wenn: warum sie wann und von wem eingerichtet wurde, welche Bedeutung ihr zukommt und vielleicht gar zusteht – da hapert es oft bei den Kassenmitgliedern selbst. Denn für viele hieß es lange Zeit vor allem: geh´ in die KSK und Du sparst Geld! Und vielleicht liegt hier eines der Missverständnisse. Denn die KSK hat durchaus seine Berechtigung, dient sie doch der Absicherung vor allem freier künstlerischer Tätigkeit. Kurzum: der Kunst als Hauptberuf. Oder besser: wenn sie eben durch Krankheit oder Alter nicht mehr auszuüben ist.

Letztlich zahlt ein nachweislich (und der Nachweis wird jährlich und akkurat eingefordert und erklärt zuweilen den Verwaltungsaufwand von rd. 250 Mio. Euro!) selbständiger Kreativer aus den Bereichen Musik, bildender Kunst, Musik oder Wort die Hälfte seiner Sozialversicherungen selbst – also Krankenkasse, Rente, Arbeitslosenversicherung etc. und bekommt von der KSK einen gesetzlich festgeschriebenen Teil bezuschusst. Es geht hier also nicht um Luxusnepp fürs vergoldete Frührentenalter sondern um Existenzsicherung nach heutigen Maßstäben. Und auch um die müssen viele Beitragszahler im Falle des Eintritts oft beschwerlich kämpfen. Einer, der anerkanntesten und beständigsten KSK-Kämpfer im Guten wie im Schlechten stammt übrigen aus Harburg wie auch ein weiterer Promi, der gerne als Nutznießer des Sozialsystems KSK angeführt wird aus dem Landkreis Harburg, nämlich aus Tötensen stammt.

Aber ist es nicht eine feine Sache, zu wissen, dass uns der inspirierende Künstler des Wortes, des Tons, des Bildes oder des Tanzes nicht am Ende seiner Laufbahn als wenig inspirierender Pfandsammler auf der Straße begegnet?

Das zumindest war die Grundidee der Künstlersozialkasse Anfang der 80er des letzten Jahrhunderts und sie bliebe es auch in ihrem Umfang: der staatliche Zuschuss beträgt auf seinem derzeit höchsten Stand gerade mal 180 Mio. € per anno bei rd. 180.000 Versicherten. Angesichts vergleichbarer Managergehälter von mehreren Millionen Euro per anno und pro Person im Grunde fast absurd, diese Unterstützung zu diskutieren. Und auch wenn es hier um Gehälter und nicht um Absicherung gehen mag: das Grundgehalt steht immer auch in Relation zur anteiligen Kranken- und Altersvorsorge. Bleibt also immer in einer gewissen Relation und zuweilen Absurdität.

Aber ebenso banal mutet diese Schein-Diskussion an, wenn man einen Vergleich von Bundeszuschüssen zur Riesterrente zieht, die im Grunde ähnlich sind, nur schon anhand der Anzahl von Riesterverträgen ungleich Milliarden verschlingt.

Aber die Diskussion hat vermutlich eben auch einen anderen Kern. Denn die Kunst und das wirtschaftliche Zahlenwerk rieben und reiben sich Zeit ihres Daseins und brauchen vielleicht sogar ebendies, stammen sie doch eben aus zwei völlig verschiedenen Denkrichtungen: die Wirtschaft – immerzu an Wachstum und Rendite orientiert auf der einen. Die Kunst – an Ein- oder Ausdruck, an Form, Farbe, Ton oder Inhalt interessiert – koste es, was es wolle!

Der Clou: es muss sich nicht einmal ausschließen. Denn ein Land, das an Reichtum und wirtschaftlicher Stärke seines gleichen sucht, braucht auch Input, Inspiration und Investitionen in Kreativität. Und nirgends mehr findet sie es in der Kunst und Kultur. Vielleicht sollte es ihr das eben einfach mal eine Milliarde wert sein – wohlgemerkt: im Alter!

Es ist auch anzunehmen, dass die Wirtschaftsverbände den Schulterschluss mit der Kunst problemlos trügen, hätte nicht vor einigen Jahren die damalige Sozialministerin von der Leyen angeregt und umgesetzt, dass auf Unternehmen Jagd gemacht wird, eben diese KSK mit zu finanzieren. Das bringt Verwaltungsaufwand, Prüfungen und so eben auch Missmut mit sich. Vielleicht ist eben nicht die KSK, die wirklich zu diskutieren ist als vielmehr ein immer wieder auftretendes Bestreben staatlicher Unvernunft, viele Dinge sollen sich „selbst rechnen“ – also die „schwarze Null“ aufweisen. Jenen sei vorab gesagt. Kunst war schon immer am tollsten in Zeiten totaler Verschwendung!

(29. Aug. 2016. hl)

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