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Mörderische Schwestern in Neugraben

Ob Mordfantasien ein typisch weiblicher Charakterzug sind, sei dahingestellt. Doch auffällig viele Krimis stammen von Autorinnen. Im Rahmen der 7. SuedLese-Literaturtage kommen ins Kulturhaus Süderelbe gleich sieben davon.

Denn es wird erstmals die Ladies Crime Night am 18. Juni geben. Ein ungewöhnliches und kurzweiliges Literaturformat, das Mordslust in Schriftform macht. Wir haben mal hinter die Kulissen geschaut und mit der Autorin Yvonne Wüstel gesprochen.

Tiefgang (TG): Seit wann macht ihr – und wer ist eigentlich „ihr“ – die Ladies Crime Night (LCN)?

Yvonne Wüstel: Wir, das sind die Mörderischen Schwestern e.V., gegründet von Frauen für Frauen. Wir lieben Krimis und widmen uns deshalb der von Frauen in deutscher Sprache geschriebenen Spannungsliteratur – zum Beispiel mit unserem Arbeitsstipendium, das anders als viele Stipendien weder orts- noch altersgebunden ist, und somit auch von Frauen aller Altersstufen und Lebensumstände genutzt werden kann. Auch die Unterstützung von Erst-Autorinnen ist uns wichtig, weshalb wir als Herausgeberinnen der Anthologie „Tatort Nord“ darauf geachtet haben, dass nicht nur etablierte Autorinnen darin vertreten sind. Aber abgesehen von Autorinnen sind uns alle Frauen willkommen, die sich für Krimis und Thriller begeistern. Egal ob als Journalistin, Buchhändlerin, Bibliothekarin oder auch Leserin.

Und die Ladies Crime Night – unser eigenes, ganz besonderes Lesungsformat – entstand 2006 im Rahmen der Criminale.

TG: Wie kommt man/frau auf so eine Idee?

Yvonne Wüstel: Bei der Geburtsstunde der LCN war ich leider nicht dabei, deshalb kann ich nur vermuten, dass der Grundgedanke war: Wie bekommen wir mehrere Frauen mit ihren Kurzgeschichten oder Romanen in eine Lesung, die sowohl Zuhörer*innen als auch Lesenden gleichermaßen Spaß und Spannung verspricht? Ein Format, das es so noch nicht gibt?

TG: Wie darf man sich das vorstellen?

Yvonne Wüstel: Kurz gesagt: Sieben Frauen lesen exakt sieben Minuten. Nach Ablauf der Zeit ertönt ein Schuss (vom Band) und die Autorin bricht ihre Lesung genau an dieser Stelle ab – egal ob mitten im Satz oder Wort. Dann wird die nächste Autorin vorgestellt und kommt mit musikalischer Untermalung auf die Bühne. Das klingt erst einmal ungewohnt. Aber wer einmal bei einer LCN im Zuschauerraum gesessen hat, will meistens mehr davon.

TG: Ist das stressig als Lesende?

Yvonne Wüstel: Jain. Es kostet ein bisschen mehr Vorbereitung als andere Lesungen, weil man in der Regel in den sieben Minuten einen bestimmten Spannungspunkt erreichen möchte und die zur Verfügung stehende Zeit genau abgezählt ist – da gibt es keine Verlängerung. Und wenn dann der Schuss fällt, erschrickt man sich oft selbst. Vor allem aber macht es richtig viel Spaß, mit den Kolleginnen auf der Bühne zu stehen und zu erleben, wie das Publikum mitfiebert.

TG: Warum Krimis?

Yvonne Wüstel: Die Frage kann ich nur aus meiner persönlichen Sicht und für mich selbst beantworten, meine Mitschwestern mögen dazu eine andere Meinung haben: Ich schreibe unter mehreren Pseudonymen auch sogenannte „Frauenunterhaltung“, historische Romane und Fantasy. Doch der Krimi ist mir von allen Genres am liebsten, weil die Bandbreite der Themen, die ich unter diesem Dach bearbeiten kann, unendlich viel größer ist. Da geht alles – von der Liebe bis zum Klimawandel, von Minderheiten bis Eifersucht. Das lässt sich dann (hoffentlich) nicht nur spannend lesen, es ist auch für mich als Autorin spannend zu erzählen.

TG: Gibt es einen femininen Hang zu Mord und Totschlag? Denn es gibt so viele Krimiautorinnen …

Yvonne Wüstel: Ja, oder? Und so viele wirklich gute Krimi-Autorinnen! Allerdings glaube ich, dass Frauen auf dem Papier nicht mehr morden als ihre männlichen Kollegen. Vielleicht fällt den lesenden Männern die Schar der Autorinnen in diesem Genre nur deshalb auf, weil es ihnen leichter fällt, einen von einer Frau geschriebenen Krimi zur Hand zu nehmen als einen von einer Frau geschriebenen historischen Roman? Das wäre meine Theorie.

TG: Wo tourt ihr sonst?

Mörderische Schwester Yvonne Wüstel

Yvonne Wüstel: In diesem Jahr sind und waren wir an verschiedenen Orten in Hamburg unterwegs, außerdem in Norderstedt, Jesteburg, Gülzow, Rendsburg, Neustadt und Lübeck.

TG: Gibt es bei euch auch Heide-Krimis?

Yvonne Wüstel: Aber ja! Meine wunderbare Kollegin Kathrin Hanke zum Beispiel, die übrigens auch bei der LCN im Kulturhaus Süderelbe dabei sein wird, ist unter anderem bekannt für ihre Heide-Krimis.

TG: Was zeichnet die Protagonistinnen aus?

Yvonne Wüstel: Sie sind selbstbewusst, einfühlsam, störrisch, eigensinnig, provokant, schrullig, vergesslich, fürsorglich, zickig, liebevoll, alt, jung, mit Handicap und ohne, mit Familie oder Single, mit Hund, mit Katze – Frauen, die man auf der Straße treffen und lieben oder auch durchschütteln könnte. Und sie helfen der Gerechtigkeit auf ihre ganz persönliche Weise auf die Sprünge.

TG: Was sind die nächsten angedachten „tödlichen Schüsse“?

Yvonne Wüstel: Viele von uns sind Berufsautorinnen, die natürlich bereits die nächsten Romane planen und schreiben. In jedem Fall arbeiten wir alle an weiteren Krimis und noch mehr Kurzgeschichten. Und wer weiß, vielleicht entsteht dann ja auch bald die nächste Anthologie. An Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht.

TG: Vielen Dank. Hat einen Mordsspaß gemacht, mit Dir zu plaudern …!

Termin: Sa., 18. Juni,19.30 Uhr: Ladies Crime Night

Ort: JoLa im Kulturhaus Süderelbe, Am Johannesland 2, 21147 Hamburg

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