- Tiefgang - https://www.tiefgang.net -

„Neue Wege in der Stadt- und Verkehrsplanung!“

Der seit langem schwelende Streit um den Abriss der Sternbrücke mit den Musik-Clubs Fundbureau, Waagenbau und Astra-Stube hat eine neue Dimension angenommen. Das was kommen soll, erzürnt nun selbst die Architekten.

Lange Zeit ging es bei dem Streit um den Erhalt der Sternbrücke vor allem um die Existenzängste der darunter befindlichen Musikclubs. Nach dem nun bekannt wurde, was die Deutsche Bahn als Alternative plant, schlagen die Wogen jedoch weit höher. Denn die völlig überdimensionierte Brücke, die entstehen soll, zeigt vor allem: Verkehrsplanungen werden oftmals ohne Blick auf das Umfeld und das Stadtbild vorgenommen. Gerade heutzutage dem Verkehr auf und unter der Brücke derart Priorität einzuräumen, sei engstirnig, so die Architekten. Ein Beitrag, der auch für Harburger Verkehrs- und Stadtplaner mahnend sein sollte.

In der Pressemitteilung der Hamburgischen Architektenkammer vom 24.04.2020 heißt es:

„Die Hamburgische Architektenkammer (HAK) nimmt die Entwicklung bei der Sternbrücke in Altona zum Anlass, grundsätzlich zu den Vorgängen rund um das Projekt sowie zum Verhältnis zwischen Stadt- und Verkehrsplanung Stellung zu beziehen.

Die HAK kritisiert, dass die bisherigen Planungen zur Sternbrücke vollständig hinter verschlossenen Türen abliefen. Hierzu gehören der Entschluss der Bahn, die denkmalgeschützte Brücke abzureißen sowie die dieser Entscheidung zugrunde liegenden, sich teilweise offenbar widersprechenden Stellungnahmen und Gutachten. Auch der weitere Abstimmungsprozess zwischen Bahn, Wirtschaftsbehörde (BWVI), Stadtentwicklungsbehörde sowie Denkmalschutzamt bis hin zur Senatsentscheidung für den Abriss der denkmalgeschützten Sternbrücke und dem Neubau in der nun geplanten Form verlief intransparent. Die Bevölkerung erfuhr von den konkreten Planungen erst jetzt, unmittelbar vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens. Dies ist angesichts der Tragweite der Entscheidungen und der Bedeutung des Projekts nicht akzeptabel und gilt es bei künftigen Infrastruktur-Großprojekten zu vermeiden.

Die HAK kritisiert weiter, dass Bahn und Stadt die gesamtstädtische Bedeutung eines Neubaus der Sternbrücke nicht erkannt und nicht entsprechend gehandelt haben. Als eigentliches Problem kristallisiert sich hierbei die Grundsatzentscheidung der BWVI heraus, dass die neue Brücke den Kreuzungsraum Max-Brauer-Allee / Stresemannstraße komplett stützenfrei zu überspannen habe. Erst aufgrund dieser Maßgabe wurde ein Brückenbauwerk notwendig, dessen Dimensionen die Kleinteiligkeit und den Maßstab des Umfelds vollkommen negiert und sprengt.

Inhaltlich ist die Entscheidung für eine den Straßenraum frei überspannende Brücke in Frage zu stellen: Die vage Begründung, man wolle sich mittels Stützenfreiheit alle Optionen für eine künftige Umgestaltung der Straßenräume im Sinne einer Stärkung des ÖPNV und des Radverkehrs offen halten, ist nicht überzeugend, da die BWVI zugleich betont, dass ein Erhalt der Vierspurigkeit der Straßen für den jetzigen und künftigen Kfz-Verkehr unabdingbar sei. Angesichts dessen kritisiert die HAK, dass die BWVI und der Bezirk Altona es trotz ausreichender Zeit mutmaßlich unterlassen haben, ein Verkehrskonzept für die beiden stark durch motorisierten Verkehr frequentierten Straßen Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee zu entwickeln. Aufgrund dieses anzunehmenden Unterlassens halten BWVI und Bezirk nun an der Vierspurigkeit fest, die zu den oben beschriebenen Konsequenzen für das neue Brückenbauwerk führt.

Die Architektenkammer fordert den Senat auf, die Grundsatzentscheidung für eine stützenfreie Querung der Straßenräume zu überdenken und zu prüfen, wie eine verkehrliche und stadträumliche Lösung mit einer Brücke mit Stützen aussehen kann. Weiterhin fordert die Architektenkammer die Deutsche Bahn auf, durch weitere Planungsbüros prüfen zu lassen, ob die Vorgabe der Stützenfreiheit tatsächlich zwingend zu einem solch hohen und ungünstig proportionierten Brückenbauwerk führen muss. Es müsste für diesen Fall also unbedingt ein Planungswettbewerb durchgeführt werden. Bei einem derart prägenden Bauwerk muss alles dafür getan werden, dass die für den Stadtraum bestmögliche Lösung gefunden wird.

Insgesamt zeigt die vermeidbare Entwicklung aus Sicht der Architektenkammer exemplarisch, wohin eine isolierte und nicht auf Zusammenarbeit ausgelegte Verkehrsplanung führt, die zudem ihre Auswirkungen auf den Stadtraum nicht bedenkt. Die Hamburgische Architektenkammer fordert daher eindringlich, dass die Verkehrsplanung nicht isoliert agiert, sondern wieder zu einem Teil der Stadtplanung wird. Dies bedeutet einerseits, dass Stadt und Verkehr und also Stadt- und Verkehrsräume wieder zusammengedacht und -geplant werden müssen und zum anderen konkret, dass die Verkehrsabteilung wieder aus der Wirtschaftsbehörde herausgelöst und in die Stadtentwicklungsbehörde integriert wird. Es ist aus Sicht der HAK wichtig, dass in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen diese Verlagerung beschlossen wird, denn sie ist eine Grundvoraussetzung für die dringend notwendige Verkehrswende in Hamburg.

Diese Neustrukturierung ist nicht nur unter klimapolitischen Aspekten notwendig, sondern auch aus der aktuellen Notwendigkeit, die städtischen öffentlichen Räume Hamburgs unter dem Aspekt des wohl noch lange notwendigen Social Distancing zu optimieren. Der städtische Raum muss und wird sich somit dauerhaft und tiefgreifend verändern. Umso wichtiger ist es, dass sich eine Prozess- und Planungskultur etabliert, die auf Zusammenarbeit, Austausch und Transparenz beruht.“

Quelle: www.akhh.de [1]

 

Related Post

Druckansicht [2]     [3]