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„Schluss mit diesem Leben“

Er war Arbeiter, Sozialdemokrat und Familienvater. Behandelt wurde er wie ein Hund.  

Otto Noack wurde am 10. August 1880 in Szaken im Kreis Insterburg im damaligen Ostpreußen geboren. Von dort zog er nach Harburg, wo er am 6. April 1919 die drei Jahre jüngere Hamburgerin Auguste Schiemann heiratete. Noch im gleichen Jahr bekamen sie eine Tochter: Mary Noack, geb. am 15.12.1919 in Harburg. Außerdem lebten bei ihnen noch zwei Kinder aus der ersten Ehe Augustes: der Lehrling Heinrich Tödter, geb. am 28.12.1911 in Harburg, und Hildegard Tödter, geboren am 26. September 1913 in Harburg. Otto Noack gehörte der SPD an. Wie sein Parteifreund Johannes Bremer wohnte die Familie im Haus Grumbrechtstraße 62.

Gelernter Heizer

Am 13. März 1920 brach der Kapp-Putsch aus. In der Nacht zum 15. März marschierte ein Trupp „Baltikumer“, der den Putsch gegen die Republik unterstützte, unter dem Kommando des Fliegerhauptmanns Rudolf Berthold in Harburg ein. Die Freikorpsler quartierten sich in der Heimfelder Schule an der Woellmerstraße ein. Das Gebäude wurde von teils bewaffneten Arbeitern belagert. Nach einem heftigen Schusswechsel mussten sich die „Baltikumer“ ergeben. Die wütende Menge lynchte Hauptmann Berthold (siehe Johannes Bremer). Unter den Belagerern befanden sich Otto Noack und Johannes Bremer. Sie wurden später beschuldigt, an der Tötung Bertholds beteiligt gewesen zu sein, was sie abstritten. Es kam zu mehreren Prozessen, aber man konnte ihnen nichts nachweisen.
Am 24. November 1927 zog Noack mit seiner Familie in die Stader Straße 320. Heute existiert das Haus nicht mehr, es muss etwa unter der heutigen Autobahnbrücke gestanden haben.

Gebrochener Mensch

Otto Noack, eigentlich Heizer, arbeitete von 1931 bis zu seiner Verhaftung als Kontrolleur bei den Mauser-Werken in Harburg am Seehafen 1. Nach Hitlers Machtantritt wurden Johannes Bremer und Otto Noack in Haft genommen und zunächst am 10. Mai ins Polizeigefängnis Wetternstraße eingeliefert. Am 10. September 1933 kam Otto Noack ins Gerichtsgefängnis an der Buxtehuder Straße. Ein neuer Prozess in Sachen Hauptmann Berthold wurde jedoch nicht angestrengt, sondern Noack in Konzentrationslagern festgehalten: ab 9. Oktober 1933 im KZ Börgermoor im Emsland, ab April 1934 im KZ Esterwegen. Von hier schrieb er am 18. Dezember 1934 an seine Frau: Sein Leben habe keinen Wert mehr. „Mach Schluss mit diesem Leben“, habe er zu sich selbst gesagt, „denn du hast ja doch nichts davon.“ 1936 gelangte er ins KZ Sachsenhausen. Dort traf ihn der Harburger Kommunist Gustav Bergmann. Er berichtet, dass Otto Noack so gebrochen gewesen sei, dass er kaum noch menschliche Züge gehabt habe. Die SS-Bewacher legten ihn an eine Eisenkette und zwangen ihn, wie ein Hund zu laufen und zu bellen.

Haftnummer 2539

Otto Noacks Frau Auguste, inzwischen völlig mittellos, zog 1938 nach Hausbruch. Die Nationalsozialisten zwangen sie, sich scheiden zu lassen, um im öffentlichen Dienst Arbeit zu bekommen. Das tat sie 1939 und wurde Posthilfsarbeiterin in Fischbek. Am 6. April 1940 wurde Otto Noack ins KZ Flossenbürg in Bayern eingeliefert und unter der Haftnummer 2539 registriert. Dort starb er am 25. Juni 1941 mit 60 Jahren, angeblich an doppelseitiger Lungenentzündung. Die Toten wurden im lagereigenen Krematorium verbrannt. Die im Umfeld verstreute Asche wurde nach dem Krieg in der Gedenkstätte zu einer Aschepyramide aufgeschichtet.

Seit 1988 gibt es den nach ihm benannten Noackstieg (Langenbeker Feld).

© Hans-Joachim Meyer

(leichte Überarbeitung für ´Tiefgang` v. Heiko Langanke)

Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, s. Personenverzeichnis; StaH 351-11 AfW, Otto Noack; StaH 332-8 Meldewesen A 46; StaH 430-64 Amtsgericht Harburg II B 25; Sta Stade; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN; Auskunft der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg vom 11.4.2011.

Weiterführende Links:

stolpersteine-hamburg.de [1] –  www.gedenken-in-harburg.de [2]

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