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Zurück in die Zukunft!

„Consortium – Programm ohne Grenzen“. Das war der selbstgewählte Titel des früheren Musiklokals in der Neuen Straße 55 in der ersten Ausgabe 2007 des damaligen gedruckten Monatsheftes ´ SuedKultur`. Jetzt gibt es die Idee, es wieder zu beleben.

Das Consortium war eine feste Hausnummer in Harburg. Kneipe, Treffpunkt, Live-Musik. Aber auch schon zuvor konnte das Lokal auf eine lange Geschichte verweisen, die im Grunde nur noch nicht erforscht und erfasst wurde. Bis Mitte 2011 jedenfalls war es neben Old Dubliner, Rieckhof und Jazzclub im Stellwerk DER Live-Club Harburgs. Und dies fast täglich!

In der SuedKultur hieß es:

„Blues, Rock, Jazz, Pop, Klassik, Literatur – die Liste ließe sich noch verlängern. Und sie beschreibt das tägliche Live-Programm vom Consortium. Die Idee ist ebenso einleuchtend wie selten: Weil ein solches Angebot keine besondere Zielgruppe kennt, spricht es alle an: Junge, Alte, Arme, Reiche. Das hat das Consortium zu einem wirklichen Treffpunkt und seine Musik zum Kommunikationsbeitrag gemacht.

Diese besondere Atmosphäre lieben nicht nur die Gäste, auch die Musiker genießen sie und kommen oft von weit her, um an der Neuen Straße zu spielen. So standen neben manchem großen norddeutschen Namen auch schon Musiker aus Dänemark, Schweden, Portugal, Italien, Japan und den Niederlanden auf der Bühne. Getreu dem Motto des Hauses, dass sich als „kultureller Hefeteig“ begreift, der auch überraschende Blasen werfen kann.

Es sind natürlich vor allem norddeutsche Künstler, die im Consortium spielen. Ob Bluesphänomen Abi Wallenstein, die Swing-Urgesteine Günter Fuhlisch und Ladi Geissler, der Boogie-Pianist Jan Fischer oder Harburgs Publikumsliebling Jimmy Cornett, sie alle gehören in den festen Kreis derer, die das Publikum immer wieder aufs Neue begeistern.“

Jimmy Cornett Live im „Cons” im Juli ´09: „Rolling´81-Rhythm of Hells

Das Consortium schloss im Sommer 2011. Im selben Jahr starb Jazz-Gitarrist Ladi Geisler und Jazz-Posaunist Günter Fuhlisch dann 2013. Jimmy Cornett begeistert mittlerweile ganz andere Publikumsscharen und zwar bundesweit. Das „Cons“ schloss nicht, weil das Konzept aus der Zeit gefallen war. Nein. Simpler. Der Hausbesitzer hatte gewechselt. Und der „Neue“ hatte vor, ein Hebammen-Café dort unterzubringen. Das hätte wenig Lärm gemacht und so wäre die über dem Lokal liegende Wohnung (früher waren das nicht zufällig eben die Wirtswohnungen) rentabler Mietraum geworden. Die Parteien (Vermieter/ Mieterin) stritten und unterstellten sich diverses. Auf die simpelste Sache kam man leider zu spät: das Mobiliar der über hundert Jahre alten Gaststätte war „immobil“. Es durfte gar nicht den Räumen entnommen werden, da es unter Denkmalschutz steht. Das konnte unser Harburger Experte und Museumschef der Archäologie, Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss bestätigen. Dumm nur: der Tresen samt Gruselköpfen und dunklen Sitzbankeckee waren so gar nicht „Café“-Style. Drum steht das Consortium nun seit eben sieben Jahren leer.

Der Dachverband der Hamburger Musikclubs, Clubkombinat Hamburg e.,V., warnte in einer Stellungnahme schon damals: „Wer glaubt, der Club macht zu, aber sicher an anderer Stelle dafür wieder einer auf, der irrt“. Der Grund: „Die Verordnungen und gesetzlichen Auflagen, die ein Musikclub heutzutage zu erfüllen hat, sind für einen privaten Betreiber ohnehin schon schwer zu erfüllen. Abgaben an die GEMA, Künstlersozialkasse, Kosten für Werbung, Booking, Ton- und Lichttechnik lassen kleinen Clubs zudem finanziell kaum noch Spielraum. Dem Eigentümer der Immobilie muss klar sein, dass er leichtfertig ein Stück Hamburger Musikkultur zu Grabe trägt.“  (Vgl. harburg aktuell.de [1])

Nun denn, hat sich vielleicht die Bezirksfraktion „Die Linke“ gedacht und „sieben Jahre“ ist ja eine der berühmten Zeitspannen, so dass nun am kommenden Dienstag (29. Mai, 17.30h, Großer Sitzungssaal im Harburger Rathaus) ein Antrag in die Bezirksversammlung eingebracht wird. Dieser fordert die Verwaltung auf, mit dem Eigentümer des Hauses zu sondieren wie es um eine Wiedereröffnung stünde. Und wie ´Tiefgang` aus einigen Kreisen bereits erfuhr: es wird von der Kulturszene begrüßt und auch erfahrende Gastronomen wären an Optionen interessiert, den Betrieb wieder aufzunehmen.

Im Antrag zur Bezirksversammlung heißt es:

„Sachverhalt:

Das Lokal „Consortium“, Neue Straße 55, das im „Abendblatt“ als „Harburgs einzige Musikkneipe mit Kultstatus“ bezeichnet wurde, ist seit Mitte 2011 geschlossen und steht leer. Der Grund: Das Gebäude wechselte den Besitzer und der neue Eigentümer hatte kein Interesse an einer Musikkneipe im Haus. Stattdessen war zunächst geplant, ein Café für junge Mütter dort einzurichten. Dies scheiterte jedoch an den Denkmalschutzauflagen.

Die Einrichtung des Lokals stammt nämlich aus den zwanziger Jahren und ist samt allem Mobiliar noch vollständig erhalten. Die Schnitzarbeiten, z. B. die ausdrucksstarken Köpfe über der Theke, wurden von dem bekannten Harburger Bildhauer Michael Komorowski angefertigt. Deshalb steht die komplette Einrichtung der Gasträume unter Denkmalschutz. Das bewegliche Mobiliar ist noch im Besitz der früheren Betreiber des Lokals, muss aber aufgrund des Denkmalschutzes in den ursprünglichen Räumlichkeiten verbleiben.

Das „Consortium“ fehlt heute schmerzlich in der Harburger Kulturlandschaft – als urige Kneipe, als gemütlicher Treffpunkt, als Veranstaltungsort für Jazz- Folk- und Rockkonzerte oder Kabarett und als „lebendiges Denkmal“. Es wäre unbedingt wünschenswert, auf die/den jetzige/n Eigentümer/in einzuwirken und zu verhandeln, ob die Musikkneipe unter neuer Leitung wieder eröffnen darf, vor allem da die Räume aufgrund der geschilderten Gegebenheiten ohnehin nicht anders denn als Lokal genutzt werden können. 

Petitum/Beschlussvorschlag:

Die zuständigen Stellen des Bezirksamtes mögen Kontakt zu dem/der jetzigen Eigentümer/in des Gebäudes Neue Straße 55 aufnehmen, um darauf hinzuwirken, dass die ehemalige Musikkneipe „Consortium“ als wichtige Harburger Kultur- und Freizeitinstitution wieder eröffnen kann. Über den Erfolg der Bemühungen möge umgehend im Ausschuss für Kultur, Sport und Freizeit berichtet werden.“

Quelle: Drucksachen–Nr.: 20-3799 [2]

 

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