- Tiefgang - https://www.tiefgang.net -

Kultur ohne Kapazitäten

Eine Große Anfrage zum Stand der Kultur in Harburg offenbart, in welcher Not die Kultur im Süden wirklich ist. Geldmangel allein  ist es nicht … (Teil 2)

Die Partei Die Linke hat im Oktober eine recht umfangreiche „Große Schriftliche Anfrage zur Situation und Entwicklung der Kultur im Bezirk Harburg“ [1] an die Bezirksverwaltung Harburg gestellt. Anfang November kamen die Antworten. Da die Thematik derart vielschichtig ist, gehen wir in einer lockeren Reihe einzelne Felder der Bezirkskultur mal genauer durch. Heute: „Teil 2 –  Kultur ohne Kapazitäten“

Die Bemerkung ist nicht zu übersehen. Denn sie steht gleich zu Beginn als „Vorbemerkung“.

„Das Bezirksamt Harburg verfügt über eine Personalstelle für die Kultursachbearbeitung. Die zuständige Fachkraft bearbeitet sämtliche institutionellen und Projektförderanträge inhaltlich bis hin zur fachlichen Verwendungsnachweisprüfung genehmigter Zuwendungen und der Beteiligung an der inhaltlichen Vorbereitung des Ausschusses für Kultur, Sport und Freizeit (KSF) sowie der Beantwortung politischer Anfragen. Darüber hinaus obliegt ihr die die Bearbeitung politischer Anträge und Initiativen sowie die Begleitung der inhaltlichen Schwerpunktsetzung des Bezirksamtes in Fragen der Stadtteilkultur. Die Möglichkeiten des Bezirksamtes bewegen sich im Rahmen der begrenzten finanziellen, aber eben auch personellen Ressourcen.“

Was sich ein wenig nach Selbstmitleid und Buhlen um Verständnis liest, erweist sich beim Studium der nachfolgenden 26 Seiten im Frage- und Antwort-Spiel allerdings als echtes Dilemma.

Denn Kultur braucht Ansprechpartner. Gerade, wenn es mal brennt. So hatte vor Jahren das „Stellwerk“ im Bahnhof Harburg Ärger mit der darunter befindlichen Bundespolizei. Seinerzeit kam selbst die Kultursenatorin Kissler, um zwischen den Parteien zu moderieren. Laut Harburger Koalitionsvertrag für die Jahre 2014-19 [2] hatte die Große Koalition im Bezirk von SPD und CDU bis zu ihrem Zerfall in 2018 dies ebenso eigens aufgegriffen: „Ein besonderer Fokus der Koalition gilt der kulturellen Nutzung im Harburger Bahnhof durch den Kunstverein und im Stellwerk. Die kulturelle Nutzung der Räume des Stellwerks und des Kunstvereins muss für die Zukunft gesichert werden.“

Auf die Frage, wie es denn dann aber aktuell um die einstige Konfliktsituation stehe, heißt es in der Antwort der Bezirksverwaltung: „Hierzu liegen dem Bezirksamt Harburg keine Informationen vor. Derzeit besteht lediglich anlassbezogen Kontakt zu den Akteurinnen und Akteuren.“

Wie steht es um die potenziell denkbare und immer wieder diskutierte Nutzung der Phoenixhallen? Auch nichts. So ist schlimmstenfalls davon auszugehen, dass die zahlreichen Kulturschaffenden auf sich gestellt sind, sollte es brenzlig werden. Denn der „anlassbezogene Kontakt“ zieht sich durch den gesamten Frage-Antwort-Bereich.

Dadurch aber ist es natürlich auch kaum möglich, Kultur weiter zu entwickeln. Und so ist es wenig verwunderlich, dass der Bezirk zwar hinsichtlich seiner Einwohner wächst und wächst, aber: „Seit 2014 sind im Bezirk Harburg keine kulturellen Einrichtungen entstanden, die derzeit vom Bezirksamt Harburg institutionell gefördert werden. Die Entstehung weiterer kultureller Einrichtungen wird nicht erfasst.“ (Im Teil I [3] zeigte sich ja bereits, dass es am Geld allein nicht liegt.)

Also: kaum Personal, daher kaum Möglichkeiten außerhalb der anlassbezogenen Kontakte sich um die Kulturschaffenden zu kümmern. Kaum Geld, das von den Kulturschaffenden für immer mehr Menschen reichen muß. Neue Quellen erschließen? Dafür fehlt es wieder an Personal. Tja, ein Teufelkreis.

Logische Schlussfolgerung auf die Frage, ob „Anstrengungen zur Ansiedlung weiterer Kulturschaffender im Bezirk als erfolgreich und hinreichend eingestuft“ werden?

„Mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen betrachtet das Bezirksamt Harburg seine Arbeit als sehr erfolgreich. Weitere Anstrengungen könnten nur durch den Einsatz zusätzlicher finanzieller und vor allem personeller Mittel unternommen werden.“

Fazit: erfolgreiches Halten des Status Quo, oder wie sonst kann man es verstehen? Angesichts dessen, dass der Status Quo für die meisten Kulturschaffenden schon mangelhaft war und ist, kann man denen nur wünschen, dass sie über ausreichend eigene Kräfte verfügen.

Related Post

Druckansicht [4]     [5]