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Und jetzt die Nöldekestraße

Eine Große Anfrage zum Stand der Kultur in Harburg offenbarte, in welch´ desaströsem Zustand die Kultur im Süden wirklich ist. Nun kracht es wieder mächtig. (Teil 3)

Seit Jahren fordert die Initiative SuedKultur Ateliers und Proberäume für Kulturschaffende. Ohne Erfolg. Ob Musikproberäume oder Ateliers – seit Jahren verschlechtert sich die Situation. Und nun nimmt die Not mit der Aufkündigung der Proberäume in der Alten Wache in der Nöldekestraße 17 noch akut zu. Gleich rund vierzig Musiker stehen schon in den nächsten Wochen vor einem massiven Problem.

Die Initiative SuedKultur erhielt Ende der vergangenen Woche einen Hilferuf aus der Nöldekestraße 17 in Harburg. Die einstige Polizeiwache wurde vor einigen Jahren an einen privaten Investor veräußert, der dort auch Proberäume für etliche Harburger Musiker*innen  zuließ. Nun ändern sich in weiten Teilen des Gebäudes die Mietverhältnisse und den Bands wurde kurzerhand gekündigt. Der Vermieter versuchte durchaus Alternativen zu finden. Aber Musikproberäume sind so einfach nicht: es braucht Schalldämmung nach innen und außen. Und bei der aktuellen überhitzten Immobiliensituation ist eh wenig zu bekommen.

Dabei fordert SuedKultur seit Jahren, dass der Bezirk seiner Pflicht nachkommen möge, Proberäume zu er- und vermitteln. So jedenfalls sieht es die Richtlinie für Stadtteilkultur als Aufgabe des Bezirks: „Die Bezirksämter erfassen diese Bedarfe und Potenziale regelhaft und schreiben sie fort.“

Schon 2015 stellte selbst die Bezirksversammlung Harburg fest, dass „ein erheblicher Bedarf in Harburg an Probenräumen für Musiker besteht“ und um konkret zu helfen, startete SuedKultur eine Umfrage unter Harburger Musiker*innen, die auch in der Bezirks-Drucksache 20-0769.01 [1]einfloß. Dort hieß es dann im Januar 2017 – also vor genau zwei Jahren:

„Ergebnis der umfangreichen Recherche ist, dass es im Bezirk Harburg nur vereinzelte Proberäume gibt. Diese sind alle vermietet und es werden Wartelisten geführt. Im Internet auf Vermittlungsportalen sowie auf ebay-kleinanzeigen.de gibt es keine Einträge für Proberäume in Harburg. Daher kann keine Gesamtanzahl an Proberäumen mitgeteilt werden. Es ist auch zu vermuten, dass viele Musiker in privaten Räumen proben. Ermittelt wurden einzelne Proberäume

Zudem hat SuedKultur eine nicht repräsentative Umfrage durchgeführt, an der 48 Musiker/innen bzw. Bands teilgenommen haben. Von den 48 Teilnehmern/innen der Umfrage probten 19 – 27 (die Angaben waren nicht eindeutig) in Harburg. Die genaue Lage der weiteren Proberäume konnte nicht ermittelt werden.“

Seither sind sowohl die öffentlichen Toiletten als eben jetzt auch das Kellergeschoss in der Nöldekestraße nun hinfällig. Also weniger Proberäume statt mehr. Aber Musik machende Menschen sind es mehr statt weniger geworden.

Nun also stehen weitere 10 Bands mit rund 60 betroffenen Musikern nun unmittelbar vor einem massiven Problem. Denn wo kann geprobt werden? Ohne Proben keine Auftritte. Ohne Auftritte keine Konzertmöglichkeit. Ein harter Schlag für Harburgs Kulturlandschaft.

Bands wie Yellow Carpet, Trashkat, Stillleben, die Betty Ford House Band, A Life in a Minute, die zuweilen auch zum Programm der jährlichen SuedKultur Music-Night beitragen aber auch ein afghanisches Musikprojekt stehen vor dem Aus.

Mittlerweile hat SuedKultur selbst Kontakte zu potenziellen Investoren, um etwa Gebäude zu kaufen und langfristig zu Proberäumen umzubauen. Zudem in anderen Städten wie Dresden oder Köln man hervorragende Beispiele findet, wie man mit Gebäude allein für Proberäumen gar noch ein Geschäft mache kann. Aber all das verpufft, wenn es seitens des Bezirkes weder ein Bewusstsein oder gar eine grundlegende Unterstützung gibt.

Weder zeigte sich der Bezirk bisher in der Lage, Eigentümer leerstehender Gebäude zu ermitteln, wie das alte ZEWU-Gebäude an der Stader Straße. Noch bringt er die Fantasie auf, eigenen Leerstand sinnvoll nutzbar zu machen. Sei es das alte WC-Häuschen am Schwarzenberg-Campus, Ecke Bissinger Straße oder zum alten Häuschen an der Buxtehuder Straße gegenüber des neuen MÖMAX-Centers (siehe aktuelle Drs. 20-4317 [2] der Neuen Liberalen).

Dabei wäre die Bezirksverwaltung wohl gut beraten, möglichst zeitnah einen Runden Tisch einzuberufen und ernsthaft an Problem-Lösungen statt –verschiebungen zu arbeiten. Denn wie will man seit Jahren vom Senat mehr Geld für Stadtteilkultur einfordern, wenn man seinen (wenn auch nicht rechtsverbindlichen) Aufgaben und Pflichten nicht nachkommt?

Und leider betrifft es ja nicht nur Proberäume für Musik sondern auch Ateliers etwa die für Bildende Kunst. Das Thema stiefmütterlich zu behandeln ist grob fahrlässig. Denn im Grunde sind es die Arbeitsplätze von Kulturschaffenden. Man muss sich mal vorstellen, sie bekämen ihre Büros gekündigt, sollen aber weiter Arbeitsergebnisse produzieren.

Neben den rund 60 Musikern, die nun durch die Aufkündigung der Proberäume in der Nöldekestraße betroffen sind, fällt auch die Raumnutzung eines St.-Pauli-Fanclubs und des Tischkickervereins Sidekick e.V. weg, zu dem weitere 60 aktive Mitglieder zählen.


siehe auch:

 

 

 

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