Initiative Gedenken in Harburg – Tiefgang https://www.tiefgang.net Kultur, Politik, Kulturpolitik und mehr Sat, 27 Apr 2024 14:18:28 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.25 Hans Leipelt zum Gedenken https://www.tiefgang.net/8737-2/ Fri, 28 Jan 2022 23:52:51 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8737 [...]]]> Vor genau 77 Jahren – am 29. Januar 1945 – wurde der Harburger Widerstandskämpfer Hans Leipelt im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet. Klaus Möller von der Initiative Gedenken in Harburg erinnert.

Von Klaus Möller

Hans Leipelt (18.7.1921 – 29.1.1945) stammte aus einer zum evangelischen Glauben konverierten jüdischen Familie. Seine Schwester Maria (13.12. 1925– 5.9.2008) war vier Jahre jünger als ihr Bruder. Die beiden Kinder verbrachten eine glückliche Kindheit und Jugend auf der Veddel und in den damals noch preußischen Orten Heimfeld, Rönneburg und Wilhelmsburg. In den Ferien reisten sie oft zu ihren Großeltern mütterlicherseits, die in Wien lebten.

Diese Verwandtenbesuche kamen allerdings im März 1938 zum Erliegen, als Otto Baron sich nach der Besetzung Österreichs durch die deut-sche Wehrmacht unmittelbar nach einem Gestapoverhör das Leben nahm und seine Eltern Hals über Kopf in die tschechoslowakische Kleinstadt Cerná Horá flüchteten. Dort starb Arnold Baron wenige Wochen später, während seine Frau nach der Besetzung auch dieses europäischen Staates durch deutsche Truppen im März 1939 abermals ihre Koffer packte und in der Familie ihrer Tochter Katharina Leipelt in HH-Wilhelmsburg Zuflucht fand. Im Sommer 1942 wurde Hermine Baron im Alter von 75 Jahren von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert, wo ihr Leben ein halbes Jahr später endete.

Im gleichen Jahr starb Hans Leipelts Vater Konrad, der als technischer Direktor der Wilhelmsburger Zinnwerke, einem kriegswichtigen Unternehmen, unter ständig wachsendem Leistungsdruck stand. Zwei Jahre zuvor hatte er noch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seinem Sohn eine Studienerlaubnis zu verschaffen, nachdem er als „Halbjude“ unehrenhaft aus der Wehrmacht, in deren Reihen er 1939 in Polen und 1940 im Westen gekämpft hatte, entlassen worden war.

Diese Verwandtenbesuche kamen allerdings im März 1938 zum Erliegen, als Otto Baron sich nach der Besetzung Österreichs durch die deut-sche Wehrmacht unmittelbar nach einem Gestapo-verhör das Leben nahm und seine Eltern Hals über Kopf in die tschechoslowakische Kleinstadt Cerná Horá flüchteten. Dort starb Arnold Baron wenige Wochen später, während seine Frau nach der Besetzung auch dieses europäischen Staates durch deutsche Truppen im März 1939 abermals ihre Koffer packte und in der Familie ihrer Tochter Katharina Leipelt in HH-Wilhelmsburg Zuflucht fand. Im Sommer 1942 wurde Hermine Baron im Alter von 75 Jah-ren von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert, wo ihr Leben ein halbes Jahr später endete.

Im gleichen Jahr starb Hans Leipelts Vater Konrad, der als technischer Direktor der Wilhelmsburger Zinnwerke, einem kriegswichtigen Unternehmen, unter ständig wachsendem Leistungsdruck stand. Zwei Jahre zuvor hatte er noch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seinem Sohn eine Studienerlaubnis zu verschaffen, nachdem er als „Halbjude“ unehrenhaft aus der Wehrmacht, in deren Reihen er 1939 in Polen und 1940 im Westen gekämpft hatte, entlassen worden war.

Hans Leipelt hatte im Herbst 1940 zunächst in Hamburg ein Chemiestudium begonnen, mit dem nach einem Jahr jedoch wieder Schluss war. Andere Universitäten verwehrten ihm auch den Zugang. Er konnte es vor Glück kaum fassen, als der Nobelpreisträger Prof. Heinrich Wieland (4.6.1877 – 5.8.1957), der Leiter des chemischen Instituts der Münchener Universität, sich über alle geltenden Zulassungsbestimmungen hinwegsetzte und ihm eine Möglichkeit bot, sein Studium bei ihm fortzusetzen.

Hier in München fand er im Februar 1943 das 6. Flugblatt der „Weißen Rose“, das zum Widerstand gegen das NS-Regime aufrief, in seiner Post. Zusammen mit seiner Freundin Marie-Luise Jahn schrieb er es auf einer Reiseschreibmaschine mehrfach ab. Bald schloss sich auch seine Schwester Maria dieser Aktion an. Die Durchschläge reichten sie an gute Freunde in München und Hamburg weiter, wobei sie zugleich um eine Geld-spende für Klara Huber baten. Ihr Mann Professor Kurt Huber, der zum Kern der „Weißen Rose“ gehörte, war unmittelbar nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl und ihres Freundes Christoph Probst ebenfalls verhaftet und zugleich fristlos und unter Verlust aller Versorgungsrechte, die ihm als Beamten zustanden, aus dem Hochschuldienst entlassen worden. Seine Frau wusste nicht, woher sie das Geld nehmen sollte, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer zwei minderjährigen Kinder zu bestreiten.

Im Oktober 1943 wurde Hans Leipelt in diesem Zusammenhang in München verhaftet. Seine Schwester ereilte dieses Schicksal einen Monat später. Im Dezember 1943 wurde dann auch seine Mutter Dr. Katharina Leipelt verhaftet. Sie beging unmittelbar nach ihrer Einweisung in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in ihrer Zelle Selbstmord.

Hans und Maria Leipelt mussten lange auf ihren Prozess warten. Am 13. Oktober 1944 wurde Hans Leipelt vom Zweiten Senat des Volksgerichtshofes in der bayrischen Kreisstadt Donauwörth zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde drei Monate später – am 29. Januar 1945 – im Gefängnis München Stadelheim vollstreckt.

Seine Schwester Maria wurde am 14. April 1945 von amerikanischen Truppen aus dem Frauengefängnis in Bayreuth befreit, bevor der Volksgerichtshof eine Woche später den Prozess gegen sie und andere Angeklagte in Hamburg eröffnet hätte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie in die USA, wo sie zunächst ihre Schullaufbahn beendete und anschließend Biochemie studierte. Danach lehrte sie als Dozentin an der Harvard University und am Massachusetts Institute of Technology. Sie war mit dem Physiker William Bade verheiratet. 1958 kam ihr Sohn Christopher Bade zur Welt. Als Maria Bade, geb. Leipelt, im September 2008 im Alter von 83 Jahren in Concord (Massachusetts) starb, konnte sie auf ein bewegtes Leben zurückblicken.

Ihr Bruder Hans Leipelt ist im öffentlichen Bewusstsein der Nachwelt als Weggefährte der Männer und Frauen der „Weißen Rose“ bis heute unvergessen.

Weiterführend: www.gedenken-in-harburg.de

 

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Inge Hutton ist tot https://www.tiefgang.net/8562-2/ Fri, 12 Nov 2021 23:02:01 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8562 [...]]]> Die Initiative „Gedenken in Harburg“ trauert um die am 6. November 2021 verstorbene Inge Hutton. Seit nunmehr 35 Jahren begleitete und unterstützte sie derenArbeit.

Als Schwiegertochter des Harburger Kaufmanns Kurt Walter Horwitz, (Jg. 1893) , der am 8.11.1941 nach Minsk deportiert und anschließend ermordet wurde, hat sie eng mit Jana Bernhard und ihren Mitschülerinnen zusammengearbeitet, als sie im Jahre 2007 auf der Suche nach biographischen Spuren seiner Familie waren.

Ein Jahr später hat sie als Tochter des Hamburger Kaufmanns Alfred Pein (Jg. 1890), der am 11.07.1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde, keine Mühe gescheut, um den beiden Schülerinnen Vanessa Blasek und Christina Ewald in Wort und Tat bei ihrer Aufarbeitung seines Lebensweges beizustehen.

Die Dokumentationen dieser beiden Schülerprojekte – „Jana Berhard, Sabrina Höper, Luisa Husmann, Nora Junker, Ann-Kathrin Krichel, Laura Liebing, Regina Zimmermann, `Wie waren eine glückliche Familie´- Die Familie Horwitz aus Harburg (1885 – 2007) Hamburg 2007“ und „Vanessa Blasek, Christina Ewald. Vor dem Tod in Auschwitz .- letzte Grüße an die Verwandten in Harburg. Die Geschichte der Familie Pein der NS-Zeit, Hamburg 2007“, wurden kurz danach mit einem BERTINI-PREIS ausgezeichnet.

Die `Initiative Gedenken in Harburg´ blickt mit großer Dankbarkeit auf die produktive Zusammenarbeit mit Inge Hutton in diesen beiden Jahren – und auch in der Zeit davor und danach – zurück.

Im Jahr 1986 gründete sich in der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel die Arbeitsgruppe „Juden in Eimsbüttel“. Zwei Jahre zuvor hatte Ingeborg Hecht ihr Buch „Als unsichtbare Mauern wuchsen“ veröffentlicht, und Beater Meyer von der Initiative „Stolpersteine in Hamburg“ traf sich mit der Autorin in der Galerie Morgenland. Sie, im Buch „die große Inge“ genannt, brachte die „kleine Inge“ mit, Inge Hutton.
Einige Zeit später wollte Beate Meyer mit der Videogruppe Stadtjournal einen Film zur Situation sogenannter Halbjuden während der NS-Zeit drehen und traurigerweise verstarb die vorgesehene Zeitzeugin kurz vor Drehbeginn. Nur zögernd fragte Meyer bei Inge Hutton an, ob sie wohl einspringen würde. Für Inge hingegen war es gar keine Frage: „Selbstverständlich helfe ich Ihnen“. Man änderte das Konzept des Films und Inge enttäuschte nicht, im Gegenteil: Sie erwies sich als begnadete Erzählerin, die den künftigen ZuschauerInnen die Verfolgungszeit und ihren Umgang damit klar, präzise und sprachlich gewandt nahebringen konnte.
Der fertige Film zeigt parallel das Leben zweier „Halbjuden“: der eine, Rolf Baden, wurde von den Nationalsozialisten als „Mischling ersten Grades“ verfolgt, die andere, Inge Hutton, als „Geltungsjüdin“, weil ihre Mutter bei der Eheschließung zum Judentum konvertiert war. Inge übernahm schon als Jugendliche die Verantwortung für die Familie, die ihre Mutter nicht tragen konnte oder wollte. Ihr Vater, seine zweite Ehefrau und auch ihre Tanten wurden im Holocaust ermordet, sie selbst kam gerade noch davon. Unser Film, 1989 fertig gestellt, feierte Premiere in der Israelitischen Töchterschule und wurde seitdem hunderte Male an den unterschiedlichsten Orten gezeigt und diskutiert, in Kulturzentren, der Uni oder in Schulen, zuletzt 2019 im „Filmraum“ in Eimsbüttel.
Inge nahm oft an diesen Veranstaltungen teil, ebenso, wenn der Videofilm „Trümmerjahre. Frauen in Hamburg 1943-1953“, gezeigt wurde, den Beate Meyer im Rahmen ihrer Arbeit für die „Werkstatt der Erinnerung“ an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte 1993 erstellt hatte. Neben anderen Frauen berichteten auch hier die große wie die kleine Inge von ihren Erfahrungen in der Endphase der NS-Herrschaft und der frühen Nachkriegszeit. Mit diesem zweiten Film „reisten“ Inge und Meyer monatelang im Auftrag des Frauenbildungswerkes zu den Fraueninitiativen und -zentren der Stadt. In den Diskussionen stand sie souverän Rede und Antwort und beeindruckte die ZuhörerInnen immer wieder durch ihren Mut, Klugheit und Klarheit.
Inge war es wichtig, an die Verfolgten und Ermordeten zu erinnern, an ihre eigenen Verluste und die anderer. Bis zu deren Auflösung gehörte sie deshalb der „Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen“ an. Und sie nahm an vielen Veranstaltungen teil, las Bücher und – als Meyer später die Biographieforschung zu den Stolpersteinen anleitete – gab sie ihr und anderen bereitwillig Auskunft über ihren Vater, ihre Tanten, ihren Jugendfreund oder auch emigrierte Freunde der Familie, die in deren Lebensgeschichte einflossen. Auch in den Eingangssitzungen des Seminares „Vom Namen zur Biographie“ am Fachbereich Public History der Uni Hamburg berichtete sie mehrfach als Betroffene und Zeitzeugin, nun aber auf eigenen Wunsch mit dem Schwerpunkt auf die Bedeutsamkeit der Erinnerung für Angehörige, aber ebenso für nachgeborene Deutsche. Es hatte auch ihr viel bedeutet, dass eine ehemalige Nachbarin einen Stolperstein für ihren Vater vor dem ehemaligen „Judenhaus“ Bornstr. 22 hatte verlegen lassen.
Erschien wieder eines der mittlerweile 22 Bücher unserer Reihe „Stolpersteine in Hamburg“, gehörte Inge zu unseren intensivsten LeserInnen. Sie nahm sich Zeit dafür: Bequem in ihrem Lehnstuhl sitzend, schlug sie das jeweilige Buch hinten auf und las zunächst das Personenregister. Sie tauchte dann ein in eine vergangene Welt, die Welt ihrer Kindheit und Jugend. Sie „traf“ dort nicht nur auf Freunde oder nahe Bekannte, sondern auch auf Läden, Geschäfte oder Ereignisse und traurige wie gute Erinnerungen stiegen auf. Manche Stellen markierte sie für ihren Sohn, manchmal bat Beate Meyer auch, ein Exemplar in die USA zu schicken, um die Nachfahren von Freunden zu informieren.
Das Programm der Galerie Morgenland und des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden pflegte sie aufmerksam zu studieren und nahm, wann immer es ging, an den Veranstaltungen dort oder im Rahmen der Stolperstein-Biographieforschung teil. Als ihr 100ster Geburtstag bevorstand, wollte sie sich auf der Feier keine Geschenke, sondern Spenden für Stolpersteine wünschen. Die beiden Sparschweine blieben ungenutzt: Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung, die Feier fand nicht mehr statt. Ebenso musste die des 101sten Geburtstags ausfallen.
„Wir verlieren eine hochgeschätzte Zeitzeugin, eine mutige, kluge, interessierte, humorvolle und lebenslustige Zeitgenossin und liebe Freundin gleichermaßen“, so die Initiative „Stolpersteine in Hamburg“.

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Erinnern für die Zukunft https://www.tiefgang.net/8415-2/ Fri, 24 Sep 2021 22:41:01 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8415 [...]]]> Erinnern für die Zukunft. Unter diesem Motto stehen auch die diesjährigen Harburger Gedenktage, die am 1. November beginnen.

Harburger Schulen, Kultureinrichtungen, politische und gesellschaftliche Organisationen und Vereine beteiligen sich mit Beiträgen und Veranstaltungen. Damit sind die Gedenktage vielfältig wie der Stadtteil selbst. Die Harburger Gedenktage erinnern an die Opfer und die Verfolgten des Nationalsozialismus
– mit dem Fokus auf Akteure und Ereignisse im Bezirk Harburg, sie schauen aber auch auf die Gegenwart und die Zukunft. Extremismus, Diskriminierung
und Verfolgung, Flucht und Vertreibung, Krieg, Selbstbehauptung und Widerstand sind auch aktuelle Themen.

Die zentrale Auftaktveranstaltung der Harburger Gedenktage steht auch 2021 unter dem Motto „Gegen das Vergessen – Gedenken als Mahnung für heute“. Wort-, Bild- und Musikbeiträge wollen vielfältige Zugänge zum Thema anregen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Vorstellung des Programms der Harburger Gedenktage. Auch Harburger Schulen beteiligen sich wieder: Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium mit kurzen Theaterszenen zum Thema „Rassismus/ Diskriminierung“, das Friedrich-Ebert-Gymnasium mit musikalischen Beiträgen.

Zu den Veranstaltern zählen:

akademie Hamburg für Musik und Kultur | www.akademie-hamburg.de;
Alexander-von-Humboldt-Gymnasium | www.avh.hamburg.de
Alles wird schön e.V. – Kunst/Kultur | www.alles-wird-schoen-e-v.de
Arbeitskreis Rassismus und Rechtsextremismus der SPD Harburg
Archäologisches Museum Hamburg | www.amh.de
Der Rote Sessel der SPD Harburg
Fischhalle Harburg | www.fischhalle-harburg.de
Friedrich-Ebert-Gymnasium | www.ebert-gymnasium.de
Geschichtswerkstatt Harburg | www.geschichtswerkstatt-harburg.de
Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg&Hafen |
www.geschichtswerkstatt-wilhelmsburg.de
Gymnasium Süderelbe | www.gymnasium-suederelbe.hamburg.de
Initiative Gedenken in Harburg | www.gedenken-in-harburg.de
Kulturhaus Süderelbe | www.kulturhaus-suederelbe.de
KulturWerkstatt Harburg e.V. | www.kulturwerkstatt-harburg.de
Oberschule Neu Wulmstorf | www.oberschule-neu-wulmstorf.de
Sauerkrautfabrik Harburg | www.sauerkrautfabrik.org
Süderelbe-Archiv | www.suederelbe-archiv.de
VVN-BdA Hamburg | www.hamburg.vvn-bda.de

Das Programm steht jetzt schon zum Download bereit: gedenken-in-harburg.de

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Orte jüdischen Lebens in Harburg https://www.tiefgang.net/orte-juedischen-lebens-in-harburg/ Fri, 09 Jul 2021 22:57:36 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8137 [...]]]> Das Stadtmuseum Harburg zeigt ab dem 22. Juli die neue Sonderausstellung „Orte jüdischen Lebens in Harburg“.

Die Ausstellung „Orte jüdischen Lebens in Harburg“ ist Teil des bundesweiten Themenjahres „2021 – Jüdisches Leben in Deutschland (# 2 0 2 1 J L I D)“ und  bietet ab 22. Juli eine gute Gelegenheit, das jüdische Leben in Harburg besser kennenzulernen. Sie macht sich auf die Suche nach Orten, Personen und Ereignissen aus der über 300 Jahre langen jüdischen Geschichte Harburgs und stellt das bewegende Schicksal der jüdischen Gemeinde und einzelner Gemeindemitglieder vor.

Die kleine jüdische Gemeinde in Harburg zählte im frühen 20. Jahrhundert noch 335 Mitglieder, bis sie 1938 nach dem Novemberprogrom der Nationalsozialisten ganz verschwand und heute fast in Vergessenheit geraten ist. Doch etliche Orte in Harburg erinnern an sie, wie zum Beispiel der Ende des 17. Jahrhunderts gegründet Jüdische Friedhof. Der religiöse Mittelpunkt der Gemeinde lag seit 1863 mit der Synagoge in der Eißendorfer Straße. An den ehemaligen Standort der Harburger Synagoge erinnert heute noch ein Nachbau des Eingangsportals. In der Ausstellung werden erstmals Fragmente der Harburger Thora, die in der Progromnacht beschädigt wurde und zunächst verschwand, präsentiert.

Die Ausstellung „Orte Jüdischen Lebens in Harburg“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Stadtmuseums Harburg, der Geschichtswerkstatt Harburg und der Initiative Gedenken in Harburg.

Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro, bis 17 Jahre frei; Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10.00 – 17.00 Uhr

Stadtmuseum Harburg, Museumsplatz 2, 21073 Hamburg – Laufzeit: 22. Juli 2021 bis 17. Oktober 2021

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Zum 100. Geburtstag Hans Leipelts https://www.tiefgang.net/zum-100-geburtstag-hans-leipelts/ Fri, 25 Jun 2021 22:20:36 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8131 [...]]]> Der Besuch der Nachfahren muss zwar corona-bedingt ausfallen, aber die Initiative Gedenken in Harburg  erinnert in einer Reihe von Veranstaltungen und Projekten an den aus Wilhelmsburg stammenden NS-Widerstandskämpfer …

Zu den Träumen, die, trotz großer Begeisterung und Unterstützung, in der Corona-Krise Illusion blieben, gehört auch der des US-Bürgers Christopher Bade. Mehr als zwei Jahre lang hatte er Pläne geschmiedet, um mit seiner Familie im Juli 2021 anlässlich des 100. Geburtstags seines Onkels Hans Leipelt die Orte in Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik aufzusuchen, an denen seine Vorfahren Freud und Leid erfahren hatten.
Christopher Bade war überwältigt von der positiven Resonanz, auf die seine geplante Reise bei vielen Institutionen und Personen stieß, die sich seinen Vorfahren verbunden fühlen.
Die Corona-Pandemie hat den Plan des Neffen von Hans Leipelt erst einmal zerschlagen. Das wird gerade in Hamburg – und speziell in den Stadtteilen im Süden der Hansestadt – sehr bedauert. Hier wollten die amerikanischen Besucher sich länger als anderswo aufhalten, da ihre Mutter – bzw. Großmutter – in der Neuen Welt besonders gern auf die frühen Jahre ihrer Jugend in diesem Teil der Alten Welt zurückblickte.

Jetzt müssen Christopher Bade und seine Familie sich erst einmal von dem Traum einer Europareise auf den Spuren der Familie verabschieden. Aber an der Bedeutung dieses 100. Geburtstages wird sich für Hans Leipelts Nachfahren nichts ändern. Intensiv werden sie im Internet die vielen Veranstaltungen und Projekte verfolgen, die in den nächsten Wochen an Hans Leipelt und sein Wirken im Kampf gegen das NS-Regime erinnern.

Dazu zählen auch einige Hamburger Programmbeiträge:

  • Auf dem Büchermarkt erscheinen demnächst zwei Publikationen, die sich mit Hans Leipelt befassen.                                                                                               1. – Angela Bottin, ENGE ZEIT: Spuren Vertriebener und Verfolgter der Hamburger Universität 1933 – 1945, Reprint des Ausstellungskatalogs von 1991, Reimer Verlag, Berlin 2021 und Peter Fischer-Appelt, Weiße Rose Hamburg. Reden zum Widerstand im Nationalsozialismus, Wallstein Verlag, Göttingen 2021.
  • Am Donnerstag, 18. Juli 2021, wird die VVN/BdA Hamburg am Weiße-Rose-Mahnmal in HH-Volksdorf Hans Leipelt und seinen Widerstand gegen das NS-Regime würdigen.
  • Darüber hinaus haben natürlich auch im Juli 2021 alle Interessierten weiterhin Gelegenheit, sich auf eigene Faust mit ihrem Smartphone auf den mit QR-Codes und GPS-Daten versehenen digitalen Rundgang auf den Spuren der Familie Leipelt durch Wilhelmsburg zu begeben. Der Rundgang wurde im vergangenen Jahr von einer 9. Klasse der Stadtteilschule Wilhelmsburg erarbeitet und beginnt am Haupteingang ihrer Schule in der Rotenhäuser Straße 47.

Biografie Hans Leipelts

von Klaus Möller

Hans Leipelt (18.7.1921 – 29.1.1945) stammte aus einer zum evangelischen Glauben konvertierten jüdischen Familie. Seine Schwester Maria (13.12.1925 – 5.9.2008) war vier Jahre jünger als ihr Bruder. Die beiden Kinder verbrachten eine glückliche Kindheit und Jugend auf der Veddel und in den damals noch preußischen Orten Heimfeld, Rönneburg und Wilhelmsburg. In den Ferien waren sie oft bei ihren Großeltern.

Diese Verwandtenbesuche kamen allerdings im März 1938 zum Erliegen, als Otto Baron sich nach der Besetzung Österreichs durch die deutsche Wehrmacht unmittelbar nach einem Gestapoverhör das Leben nahm und seine Eltern Hals über Kopf in die tschechoslowakische Kleinstadt Cerná Horá flüchteten. Dort starb Arnold Baron wenige Wochen später, während seine Frau nach der Besetzung auch dieses europäischen Staates durch deutsche Truppen im März 1939 abermals ihre Koffer packte und in der Familie ihrer Tochter Katharina Leipelt in HH-Wilhelmsburg Zuflucht fand. Im Sommer 1942 wurde Hermine Baron im Alter von 75 Jahren von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert, wo ihr Leben ein halbes Jahr später endete.

Im gleichen Jahr starb Hans Leipelts Vater Konrad, der als technischer Direktor der Wilhelmsburger Zinnwerke, einem kriegswichtigen Unternehmen, unter ständig wachsendem Leistungsdruck stand. Zwei Jahre zuvor hatte er noch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seinem Sohn eine Studienerlaubnis zu verschaffen, nachdem er als „Halbjude“ unehrenhaft aus der deutschen Wehrmacht, in deren Reihen er 1939 in Polen und 1940 im Westen gekämpft hatte, entlassen worden war. Hans Leipelt hatte im Herbst 1940 zunächst in Hamburg ein Chemiestudium begonnen, mit dem nach einem Jahr jedoch wieder Schluss war. Andere Universitäten verwehrten ihm auch den Zugang. Er konnte es vor Glück kaum fassen, dass der Nobelpreisträger Prof. Heinrich Wieland (4.6.1877 – 5.8.1957), der Leiter des chemischen Instituts der Münchener Universität, sich über alle geltenden Zulassungsbestimmungen hinwegsetzte und ihm eine Möglichkeit bot, sein Studium bei ihm fortzusetzen.

Hier in München fand er im Februar 1943 das 6. Flugblatt der „Weißen Rose“, das zum Widerstand gegen das NS-Regime aufrief, in seiner Post. Zusammen mit seiner Freundin Marie-Luise Jahn schrieb er es auf einer Reiseschreibmaschine mehrfach ab. Bald schloss sich auch seine Schwester Maria dieser Aktion an.

Die Durchschläge reichten sie an gute Freunde in München und Hamburg weiter, wobei sie zugleich um eine Geldspende für Klara Huber baten. Ihr Mann Professor Kurt Huber, der zum Kern der „Weißen Rose“ gehörte, war unmittelbar nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl und ihres Freundes Christoph Probst ebenfalls verhaftet und zugleich fristlos und unter Verlust aller Versorgungsrechte, die ihm als Beamten zustanden, aus dem Hochschuldienst entlassen worden. Seine Frau wusste nicht, woher sie das Geld nehmen sollte, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer zwei minderjährigen Kinder zu bestreiten.

Im Oktober 1943 wurde Hans Leipelt in diesem Zusammenhang in München verhaftet. Seine Schwester ereilte dieses Schicksal einen Monat später. Im Dezember 1943 wurde dann auch seine Mutter Dr. Katharina Leipelt verhaftet. Sie beging unmittelbar nach ihrer Einweisung in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in ihrer Zelle Selbstmord.
Hans und Maria Leipelt mussten lange auf ihren Prozess warten. Am 13. Oktober 1944 wurde Hans Leipelt vom Zweiten Senat des Volksgerichtshofes in der bayrischen Kreis-stadt Donauwörth zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde drei Monate später – am 29. Januar 1945 – im Gefängnis München Stadelheim vollstreckt.
Seine Schwester Maria wurde am 14. April 1945 von amerikanischen Truppen aus dem Frauengefängnis in Bayreuth befreit, bevor der Volksgerichtshof eine Woche später den Prozess gegen sie und andere Angeklagte in Hamburg eröffnet hätte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie in die USA, wo sie zunächst ihre Schullaufbahn beendete und anschließend Biochemie studierte. Danach lehrte sie als Dozentin an der Harvard University und am Massachusetts Institute of Technology. Sie war mit dem Physiker William Bade verheiratet. 1958 kam ihr Sohn Christopher Bade zur Welt. Als Maria Bade, geb. Leipelt, im September 2008 im Alter von 83 Jahren in Concord (Mas-sachusetts) starb, konnte sie auf ein bewegtes Leben zurückblicken.
Ihr Bruder Hans Leipelt ist im öffentlichen Bewusstsein der Nachwelt als Weggefährte der Männer und Frauen der „Weißen Rose“ bis heute unvergessen.

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Johanne, Frieda und Klara https://www.tiefgang.net/johanne-frieda-und-klara/ Fri, 30 Oct 2020 23:00:18 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=7310 [...]]]> Lange haben sie gekämpft, dass drei NS-verfolgte Frauen nicht in Vergessenheit geraten. Nun werden drei neue Wege nach ihnen benannt. Ein gutes Zeichen.  

Die `Initiative Gedenken in Harburg´ und viele andere setzten sich seit langem dafür ein, dass die Harburgerinnen Frieda Cordes, Johanne Günther und Klara Laser, die in der NS-Zeit Verfolgten geholfen haben, nicht vergessen werden. Nun ist es für sie ein ermutigendes Zeichen, dass der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg beschlossen hat, drei neue Wege im Stadtteil Neugraben-Fischbek nach ihnen – und eine weitere Straße nach Sophie Scholl – zu benennen. Darüber hinaus werden 14 weitere Wege nach jüdischen Frauen benannt, die die Shoa nicht überlebten. An ihr Schicksal erinnern im Hamburger Süden inzwischen auch `Stolpersteine´, die in den letzten Jahren von Gunter Demnig zumeist persönlich an zahlreichen Orten verlegt wurden (www.stolpersteine-hamburg.de). Mit diesem Beschluss unterstützt der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die ernsthaften Bemühungen zahlreicher Personen und Gruppen, den beträchtlichen Unterschied in der Gesamtzahl der nach Männern und der nach Frauen benannten Straßen im Bereich der Stadt nachhaltig zu verringern.

Johanne Günther – `Der Engel von Harburg´

Johanne Wassul wurde am 28.6.1876 in Tilsit in der damaligen Provinz Ostpreußen des Deutschen Reiches geboren, wo sie die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte. Nachdem ihr Vater von seinem Dienstherrn, einem preußischen Adligen, entlassen worden war, weil er ihm nicht den nötigen Respekt erwiesen hatte, verließ die Familie ihre ostpreußische Heimat. Die Industriestadt Harburg an der Elbe war für sie offenbar der richtige Ort für einen hoffnungsvollen Neubeginn. Hier engagierte Johanne Wassul sich schon in jungen Jahren ehrenamtlich in der Heilsarmee, und hier heiratete sie später den Badewärter Paul Günther (8.3.1877 – 12.5.1945). Die jungen Eheleute fanden eine Wohnung in der Lassallestraße 24 im Phoenixviertel der Stadt, in der drei Kinder ihnen bald Gesellschaft leisteten. Ein Sohn starb allerdings schon bald nach seiner Geburt.

Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Johanne Günther in der nahe gelegenen Harburger Jutespinnerei und -weberei, in der auch viele vor allem aus Osteuropa verschleppte Frauen Zwangsarbeit leisten mussten. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen waren menschenunwürdig, was die meisten Deutschen unberührt ließ. Nicht jedoch die 66jährige Johanne Günther. Sie blickte diese armseligen Geschöpfe nicht mürrisch oder gar feindselig an, wenn sie ihren Weg kreuzten, sondern schenkte ihnen ein freundliches Lächeln. Sie half ihnen, wann immer sie konnte, wenn es darum ging, einen Fehler auszubügeln, bevor der Werkmeister ihnen Sabotage unterstellte. Hier und wieder steckte sie ihnen unauffällig auch einen Apfel oder eine Scheibe Brot zu.

Ein besonders großes Herz hatte sie für die Russin Tamara Marková aus Taganrog am Asowschen Meer. Mit ihrer Herzensgüte war sie für die junge Russin eine `Babuschka´, ein Großmütterchen. Zweimal lud sie die mit ihrem Schicksal hadernde Kollegin sogar zu sich nach Hause ein, indem sie ihr half, sich bei den gelegentlichen Sonntagnachmittagsausflügen heimlich für eine Stunde von der beaufsichtigten Gruppe zu entfernen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren die beiden Frauen sich aus den Augen, aber die Erinnerung an Johanne Günther verblasste bei Tamara Marková in all den Jahren danach nie. Als sie in hohem Alter im Mai 2003 als freier Mensch auf Einladung des Hamburger Senats noch einmal nach Harburg zurückkehrte, war es ihr größter Wunsch, das Grab ihrer Wohltäterin aufzusuchen und ihr aus ganzem Herzen für ihre einzigartige Menschlichkeit zu danken. Ein Grabstein mit der Inschrift `Johanne Günther, geb. Wassull, 28.6.1876 – 26.11.1949. Unvergessen in den Herzen vieler Zwangsarbeiterinnen 1942 – 1945´ erinnert heute an diese couragierte Harburgerin.

Klara Laser

Klara Laser, geb. Runkwitz, (*11.3.1877 – 26.3.1969) war mit dem erfolgreichen Harburger Kaufmann Salomon (Sally) Laser verheiratet, der in jungen Jahren das renommierte Geschäft `J. Weinthal´ für Herren-, Knaben- und Berufsbekleidung an der Ecke Lüneburger Straße/ Sand in der Harburger Altstadt übernommen hatte. Privat bewohnten die beiden Eheleute mit ihren drei Kindern Margarete (*19.6.1908), Kurt (*9.12.1912) und Ilse (*10.9.1916) ein kleines Haus im Langenberg 12 in Appelbüttel vor den Toren der Stadt. Alle drei Kinder erhielten kurz nach ihrer Geburt in der Ev.-Luth. Dreifaltigkeitskirche in der Neuen Straße wie ihre Mutter das Sakrament der Taufe.

Nach 1933 blieb die Familie nicht von schwerwiegenden Veränderungen verschont. Sally Laser war Jude, und der Boykott-Aufruf des Harburger Magistrats und der Harburger NSDAP betraf auch sein Geschäft. Der Druck verschärfte sich in den folgenden Jahren vor allem nach der Verkündung der `Nürnberger Gesetze´, durch die Ehen zwischen `Nichtariern´ und `Ariern´ zu `Mischehen´ und die Kinder dieser Eheleute zu `Mischlingen´ erklärt wurden. Angesichts dieser Zuspitzung der Lage entschieden Kurt und Ilse Laser sich zur Emigration in die USA und nach Spanien. Kurz vor dem Auswanderungsverbot für Juden im Oktober 1941 gelang auch ihrem Vater noch die Flucht nach Kuba, nachdem er sich vorher von seinem Geschäft hatte trennen müssen.

Seine Frau und seine Tochter Margarete blieben in Harburg zurück. Heute lässt sich nicht mehr klären, welche Beweggründe für Klara Laser im Herbst 1942 ausschlaggebend dafür waren, in dieser sowieso schon nicht ganz ungefährlichen privaten Situation noch ein zusätzliches Risiko einzugehen und ein jüdisches Waisenkind bei sich aufzunehmen. Helmut Wolff war damals sechs Jahre alt. Seine Mutter Anna Maria Kugelmann, geb. Wolff, und ihr Mann Robert Donald Kugelmann sowie seine Großeltern Gottfried und Lydia Wolff hatten sich am 18. und 19. Juli 1942 kurz vor ihrer angeordneten Deportation nach Theresienstadt das Leben genommen, was der Junge damals noch nicht wusste. Seine Mutter hatte ihn vor ihrem Freitod in den Sommerferien guten Freunden in Potsdam anvertraut, und von dort führte seine Odyssee über zwei weitere Familien zu Klara Laser in Hamburg-Appelbüttel. Sie war für Helmut Wolff eine Ersatz-Großmutter. Sie schottete den Jungen nicht hermetisch von der Außenwelt ab, sondern meldete ihn unerschrocken beim Einwohneramt und in der Schule als uneheliches Kind ihrer Tochter Margarete an.

Mit seinem zunehmenden Alter und seinem regelmäßigen Kontakt zu Gleichaltrigen wuchsen auch die Probleme, die Helmut Wolff in Appelbüttel auslöste. Doch Klara Laser stellte sich der Herausforderung auch in höchst brenzligen Situationen. Das Ende des Zweiten Weltkriegs war für beide – für Klara Laser und für Helmut Wolff – eine Erlösung. Für Klara Laser ging es nach der glücklichen Rückkehr ihres Mannes aus dem Exil in erster Linie darum, ihm zur Seite zu stehen und seinen beruflichen Neubeginn nach Kräften zu fördern, während Helmut Wolff den weiteren Teil seiner Kindheit und Jugend in der Familie Margarete Lasers verbrachte, die nach dem Ende des NS-Zeit frei in der Wahl ihres Ehepartners war.

Frieda Cordes

Friederike (Frieda) Kistner (3.8.1895 – 27.7.1978) verbrachte ihre Kindheit und Jugend in der Industriestadt Harburg a. d. Elbe. 1922 heiratete sie den Schlosser Georg Cordes und zog mit ihm in eine Wohnung im II. Stock eines Miethauses in der Kurzen Straße 1 (heute: Konsul-Renck-Straße) im so genannten Phoenixviertel. Dieses dicht besiedelte Wohnquartier war in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Zuge der rasanten Industrialisierung und der explodierenden Entwicklung der Einwohnerzahlen der Stadt praktisch aus dem Boden gestampft worden. Zu den Mitbewohnern des Hauses zählten die jüdischen Eheleute Hermann (*13. 11.1878) und Elisabeth Goldberg, geb. Simon, (*16.5.1882) mit ihren drei Töchtern Erna (*13.1.1909), Reta (24.3. 1910) und Henny (26.7.1915), die vorher einige Jahre in Wilhelmshaven gelebt hatten. Hermann Goldberg war in Cieszkowice im damals österreichischen Galizien (heute: Ukraine) zur Welt bekommen und hatte dort auch seine Kindheit verbracht. Frieda Cordes und Elisabeth Goldberg waren nicht nur einfache Nachbarinnen, sondern auch gute Freundinnen. Diese Freundschaft war für beide Familien in den Jahren der Weltwirtschaftskrise von unschätzbarem Wert und erwies sich in den Jahren nach 1933 als noch segensreicher. Am 28. Oktober 1938 gehörten Hermann und Elisabeth Goldberg mit ihren drei Töchtern zu den ca. 17.000 Juden polnischer Herkunft, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in das östliche Nachbarland abgeschoben wurden. Während Reta und Henny Goldberg kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs noch nach England ausreisen konnten, mussten ihre Eltern und ihre Schwester Erna zwei Jahre später nach der Besetzung Polens durch deutsche Truppen in das völlig überfüllte Getto der Stadt Tarnow übersiedeln. Die Pakete und Briefe, die Frieda Cordes den Leidgeprüften in diesen Tagen schrieb und schickte, waren die einzigen Zeichen von Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit. Als die `Aktion Reinhardt´, die Ermordung der polnischen Juden, im Frühjahr 1942 begann, brach der Kontakt ab. Frieda Cordes hat die Briefe mit den verzweifelten Hilferufen und den nie ausbleibenden Dankesworten der vertriebenen Freunde aufbewahrt und nach dem Zweiten Weltkrieg den beiden Töchtern Reta und Henny Goldberg als private Zeugnisse der Erinnerung an ihre ermordeten Eltern übergeben.

Weiterführender Link: www.gedenken-in-harburg.de

 

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Schreckenstage und Ausgangssperre https://www.tiefgang.net/schreckenstage-und-ausgangssperre/ Mon, 20 Apr 2020 09:17:20 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=6788 [...]]]> Die traditionelle Exkursion zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs in der Nordheide und in Hamburg fällt in diesem Jahr aus. Doch das Erinnern an die Schreckenstage bleibt.

Von Klaus Möller

Am 20. April 1945 erreichten englische Kampfverbände, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, die Kiekebergdörfer Sottorf, Alvesen, Ehestorf und Vahrendorf, deren Einwohner sich weitgehend schon seit einiger Zeit nur noch in notdürftig zu Luftschutzräumen ausgebauten Kellern aufhielten. Die Kommandeure der britischen Truppen erklärten das Grenzgebiet an der Hauptverteidigungslinie der Hansestadt Hamburg anschließend zur Kampfzone und forderten die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Dörfer zur Räumung ihrer Häuser und zum Verlassen der Ortschaften auf, was auch zumeist befolgt wurde.

Sechs Tage später wurden die in Vahrendorf stationierten Einheiten der 7. britischen Panzerdivision von einem Gegenangriff der deutschen `Kampfgruppe Panzerteufel´ überrascht. Es war von vornherein ein aussichtsloser Kampf junger deutscher Soldaten, die sich z. T. noch in der Ausbildung befanden und schlecht ausgerüstet waren, gegen einen in jeder Beziehung sowohl personell wie auch materiell überlegenen Gegner. Nach schweren Verlusten mussten die Angreifer sich wieder zurückziehen. Etwa die Hälfte kehrte nicht in die Ausgangsstellung zurück. Ca. 60 deutsche Soldaten waren in Gefangenschaft geraten, verwundet worden oder nicht mehr am Leben.

Warum mussten sie – wie so viele andere junge Menschen – in diesen letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch sterben? Ihr Tod war so sinn-los wie der ganze Weltenbrand in den vorangegangenen sechs Jahren.

Drei Tage später leiteten drei mutige Männer die Kapitulation Hamburgs ein. Albert Schäfer, der Chef der Harburger Phoenix-Werke, der Mediziner Dr. Hermann Burchard und der Leutnant Otto von Laun überquerten am Sonntag, d. 29. April 1945, auf der Bremer Straße bei Lürade zu Fuß die Hauptkampflinie im Hamburger Süden, um die britischen Angreifer – im Einvernehmen mit dem Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann und dem Hamburger Kampfkommandanten Generalmajor Alwin Wolz – darum zu bitten, die Phoenix-Werke, in denen sich seit kurzem auch ein Lazarett befand, nicht länger mit Artillerie zu beschießen. Aus dieser ersten Kontaktaufnahme entwickelten sich schnell zielgerichtete Verhandlungen auf höchster Ebene, die am Donnerstag, d. 3. Mai 1945, mit der kampflosen Übergabe Hamburgs an den britischen Brigadegeneral Douglas Spurling endeten.

Nach der Kapitulation Hamburgs am 3. Mai 1945 kehrten die Bewohnerinnen und Bewohner der vier Kiekebergdörfer in ihre Häuser zurück. Auch für sie galt danach zunächst eine strenge Ausgangssperre, die in den folgenden Tagen schrittweise gelockert wurde.

Die Aufhebung der Beschränkungen verbanden die britischen Befehlshaber vor Ort mit der Aufforderung an die Dorfbewohnerinnen und –bewohner, die Toten zu bergen und zu begraben. Erst jetzt wurde das ganze Ausmaß der Tragödie sichtbar. Die meisten Gefallenen waren nicht einmal 20 Jahre alt. Sie wurden zunächst in zwei Massengräbern beigesetzt.

Im März 1946 begannen drei Angehörige des 12. SS-Ausbildungs- und Ersatzbataillons, die an den Kämpfen teilgenommen hatten, damit, in Vahrendorf einen Soldatenfriedhof anzulegen und die Toten aus den Massengräbern umzubetten. Sie wurden zunächst von Peter Witt, dem Bürgermeister der Gemeinde Vahrendorf, vom Harburger Bestattungsunternehmer Albers und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterstützt. Viele Tote konnten dabei nicht mehr identifiziert werden.

Der Vahrendorfer Soldatenfriedhof wurde ein Jahr später am Sonntag, d. 27. April 1947, auf dem Krähenberg im Westen des Dorfes eingeweiht. Ein hohes Holzkreuz überragte die schlichten Holzkreuze auf den Gräbern der Bestatteten. Neun Jahre später wurden sie durch Grab-kreuze aus Naturstein ersetzt, die den Richtlinien des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge entsprachen.

Die Pflege des Ehrenfriedhofes lag in den Jahren danach lange in den Händen von Maria und Georg Muskowitz. Ihr Sohn Martin gehörte zu den jungen Menschen, die in diesem aussichtslosen Nachtangriff am Ende des Zweiten Weltkriegs ihr Leben verloren hatten. Am 21. April 1928 war er als einziges Kind seiner Eltern in Zedling bei Kolberg in Pommern zur Welt gekommen und am 15. Januar 1945 im Alter von 16 Jahren zum Wehrdienst einberufen worden. Als seine Eltern erfuhren, dass er zu denen gehörte, die auf dem Ehrenfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden hatten, zogen sie aus Liebe zu ihrem toten Sohn nach Vahrendorf. Dort bewohnten sie bis zu ihrem Tode im Jahre 1968 eine ehemalige Flakbaracke, die nur wenige Schritte vom Soldatenfriedhof auf dem Krähenberg entfernt war.

Klaus Möller ist aktives Mitglied der Initiative „Gedenken in Harburg“

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Tod durch das Fallbeil vor 75 Jahren https://www.tiefgang.net/tod-durch-das-fallbeil-vor-75-jahren/ Fri, 24 Jan 2020 23:51:29 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=6251 [...]]]> Das Schicksal der Familie Leipelt wurde vor allem durch das Bündnis „Weiße Rose“ im Schatten des Hakenkreuzes bekannt. Nun führt ein Rundgang durch ihre Wilhelmsburger Heimat.

Von Klaus Möller

Die Familie Leipelt wohnte in der NS-Zeit in der damaligen Kirchenallee (heute: Mannesallee), in unmittelbarer Nähe der ev.-luth. Reiherstiegkirche. Hans Leipelt (*18.7.1921) und seine Schwester Maria (*13.12.1925) besuchten die Wilhelmsburger Oberschule (heute: Stadtteilschule Wilhelmsburg) in der Rotenhäuser Straße. Ihr Vater, Dipl.-Ing. Konrad Leipelt,

(*15.5.1886) war technischer Direktor der Wilhelmsburger Zinnwerke, in der Neuhöfer Straße. Er war verheiratet mit Dr. Katharina Leipelt, geb. Baron, (*28.5.1892), deren Eltern zu den österreichisch-ungarischen Jüdinnen und Juden gehörten, die im Laufe des 19. Jahrhunderts in großer Zahl zum Christentum übergetreten waren.

In der NS-Zeit wurden auch diese Juden christlichen Glaubens zu Reichsfeinden erklärt und als `Nichtdeutsche´ grausam verfolgt. Im März 1938 nahm sich Katharina Leipelts Bruder in Wien das Leben. Im August 1940 wurde Hans Leipelt als `Halbjude´ aus der Wehrmacht ausgeschlossen, und im Juli 1942 wurde seine Großmutter nach Theresienstadt deportiert.

Als Konrad Leipelt drei Monate später einem überraschenden Herzschlag erlag, verloren seine Frau und seine Kinder ihren letzten Schutz. Nach drei Trimestern musste Hans Leipelt sein Chemiestudium in Hamburg abbrechen. Mit viel Glück bekam er am Chemischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München einen neuen Studienplatz. Im Oktober 1943 wurde er dort von der Gestapo verhaftet. Er hatte Geld für die Familie des hingerichteten Professors Kurt Huber, eines Mitglieds der `Weißen Rose´, gesammelt und war denunziert worden war. Außerdem hatte er das letzte Flugblatt der `Weißen Rose´ vervielfältigt und in Hamburg und München unter Freunden verteilt. Bald darauf wurden auch seine Mutter und seine Schwester in Hamburg verhaftet. Katharina Leipelt wurde am 9. Dezember 1943, kurz nach ihrer Festnahme, tot in ihrer Zelle im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel aufgefunden.

Hans Leipelt wurde am 13. Oktober 1944 vom Zweiten Senat des Volksgerichtshofs wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. Er starb – vor 75 Jahren – am 29. Januar 1945 unter demselben Fallbeil, mit dem der Scharfrichter vorher auch das kurze Leben der Geschwister Scholl gewaltsam beendet hatte. Am 14. April 1945 befreiten amerikanische Truppen seine Schwester aus der Haft in Bayreuth.

Rundgang: auf den Spuren Hans Leipelts und seiner Familie in HH-Wilhelmsburg

Sonntag, 2. Feb., 15.00 Uhr, kostenfrei

Treffpunkt: Ecke Georg-Wilhelm-Str./Rotenhäuserstr. (Bushaltestelle), 21107 Hamburg

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Die Frauen von Fischbek https://www.tiefgang.net/die-frauen-von-fischbek/ Fri, 09 Aug 2019 22:52:27 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=5607 [...]]]> In der Drucksache XIX-1706 vom 11. Okt. 2013 (!) hatte die damalige CDU-Abgeordnete Treeske Fischer problematisiert, dass nur 0,2 % aller Verkehrsflächen im Bezirk Harburg nach verdienten Frauen benannt seien. Jetzt kommen neue hinzu – geballt.

(hl) Die Bezirksverwaltung hatte seinerzeit mitgeteilt, bei zukünftigen Benennungen verstärkt darauf zu achten und in konkreten Benennungsverfahren gegebenenfalls daran zu erinnern, dass künftig vermehrt nach verdienten Frauen benannt wird. Die Bezirksverwaltung hatte dann die Absicht, die Straßen im sogenannten „Plangebiet NF 66 Röttiger-Kaserne“ nach Frauen aus der Liste der Kulturbehörde und aus der Liste der Aktion „Gedenken in Harburg“ zu benennen, aber der Regionalausschuss Süderelbe und die IBA hatten sich da bereits auf eine andere Liste verständigt, , die dann auch realisiert wurde. Jetzt, bald sechs Jahre später, wird ein neuer Versuch gestartet. Wieder im Neubaugebiet Neugraben-Fischbek. Diesmal „NF 67, Fischbeker Reethen“. Die Wohnhöfe und ihre Wege sollen ausschließlich an Frauen erinnern, die zu Zeiten der Herrschaft der Nationalsozialisten ums Leben gekommen sind oder sich mit viel Mut und Menschlichkeit gegen diese gestellt haben. Die Benennungsvorschläge für den Regionalausschuss Süderelbe stammen dabei von der „Initiative Gedenken in Harburg“ und wurden vom Bezirksamt Harburg und vom Projektmanagement der IBA bereits vorgeprüft.

1 Am Weidenmoor nach dem sich am Fuße der Böschung der Bahntrasse auf einer Länge von 260m und einer Breite von 10-15m erstreckenden Weiden-Moor

2 Sophie-Scholl-Straße nach Sophia Magdalena Scholl, sie war eine deutsche Studentin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Sie wurde aufgrund ihres Engagements in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl zum Tode verurteilt. Geb. am 09.05.1921, gestorben 22.02.1943

3 Fischbeker Grenzweg die Straße verläuft parallel zur Landesgrenze, in einem Abstand von 60m

4 An der Rethenbek der Straßenzug verläuft an dem bestehenden Gewässer Rethenbek

5 Fischbeker Reethen es ist die Hauptzufahrtsstraße in das Erschließungsgebiet Fischbeker Reethen

6 Neuwulmstorfer Schulstraße es handelt sich um eine bereits bestehende Benennung, die beibehalten bzw. verlängert werden soll

7 Frieda-Cordes-Hof nach Frieda Cordes, „die Retterin in der Not“, bewies nicht nur Zivilcourage, sondern auch mitmenschliches Verhalten. Sie hatte sich unter der nationalsozialistischen Diktatur ihr eigenes Urteil bewahrt. Geb. am 03.08.1895 in Harburg, gestorben am 27.07.1978 in Harburg

8 Klara-Laser-Hof nach Klara Laser, sie nahm von 1942 bis 1945 als Christin ein jüdisches Waisenkind bei sich auf und beschützte es vor der Nazidiktatur. Geb. am 11.03.1877, gestorben am 26.03.1969 in Harburg

9 Johanne-Günther-Hof nach Johanne Günther, man sagt von Ihr, sie war für die überwiegend aus Osteuropa verschleppten Zwangsarbeiterinnen „die Mutter Theresa von Harburg“. Unvergessen in den Herzen vieler Zwangsarbeiterinnen. Geb. am 28.06.1876 in Tilsit, gestorben am 29.11.1949 in Harburg

10 Nina-Müller-Weg nach Nina Müller, als Jüdin geboren, arbeitete im KZ-Außenlager am Falkenbergsweg, sie wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, 1943 nach Auschwitz, 1944 nach Neuengamme. Geb. am 23.08.1921 in Prag, gestorben am 17.04.1945 in Bergen-Belsen

11 Elisabeth-Polach-Weg nach Elisabeth Polach, als Jüdin geboren, arbeitete im KZ-Außenlager am Falkenbergsweg, sie wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, 1943 nach Auschwitz, 1944 nach Neuengamme. Geb. am 28.09.1902 in Brünn, gestorben am 29.06.1945 in Bergen-Belsen

12 Lili-Wertheimer-Weg nach Lili Wertheimer, als Jüdin geboren, arbeitete im KZ-Außenlager am Falkenbergsweg, sie wurde 1943 nach Theresienstadt deportiert, 1944 nach Auschwitz, Ende 1944 nach Neuengamme. Geb. am 21.06.1901 in Neu Bidschow, gestorben am 16.05.1945 in Bergen-Belsen

13 Hella-Beer-Weg nach Hella Beer, als Jüdin geboren, von Harburg nach Belgien geflohen, von dort 1943 aus dem Sammellager Mechelen in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Geb. am 16.09 1923 in Harburg, für tot erklärt

14 Jenny-Behrens-Weg nach Jenny Behrens, als Jüdin geboren, wurde im Alter von 73 Jahren, 1942 von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert. Geb. am 12.08.1868 in Harburg, gestorben am 08.08.1942 in Theresienstadt

15 Henny-Hansen-Weg nach Henny Hansen, als Jüdin geboren, 1941 von Hamburg nach Minsk deportiert. Geb. am 03.01.1889 in Harburg, verschollen in Minsk

16 Bertha-Katzenstein-Weg nach Bertha Katzenstein, als Jüdin geboren, wohnhaft in Harburg, wurde im Alter von 80 Jahren, 1942 von Hamburg in das Getto von Theresienstadt deportiert. Geb. am 06.01.1862 in Gehaus, verstorben am 15.11.1942 in Theresienstadt

17 Marion-Krauthamer-Weg nach Marion Krauthamer, als Jüdin geboren, wurde im Alter von 17 Jahren, 1941 von Hamburg in das Getto Lodz deportiert. Geb. am 18.04.1924 in Harburg, verschollen in Lodz

18 Edith-Schloss-Weg nach Edith Schloss, als Jüdin geboren, wurde im Alter von 16 Jahren, 1941 von Harburg nach Minsk deportiert. Geb. am 12.05.1925 in Harburg, verschollen in Minsk

19 Franziska-Simon-Weg nach Franziska Simon, als Jüdin geboren, 1942 von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert. Geb. am 20.05.1877 in Harburg, verstorben am 25.08.1942 in Theresienstadt.

20 Anna-Weinstein-Weg nach Anna Weinstein, als Jüdin geboren, 1941 aus Harburg in das Getto Lodz deportiert. Geb. am 03.05.1881 in Harburg, verschollen in Lodz

21 Gerda-Wittkowsky-Weg nach Gerda Wittkowsky, als Jüdin geboren, 1943 von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert, von dort weiter in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Geb. am 29. 05 1933 in Harburg

22 Toni-Neufeld-Weg nach Toni Neufeld, als Jüdin geboren, 1942 von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert, von dort weiter nach Minsk deportiert. Geb. am 20.12.1867 in Harburg, verschollen in Minsk

23 Rosa Zinner nach Rosa Zinner, als Jüdin geboren, 1942 von Hamburg in das Getto Theresienstadt deportiert, weiter deportiert nach Minsk. Geb. am 15.03.1872 in Harburg, verschollen in Minsk

Quellen: Harburger Opfer des Nationalsozialismus; Stolpersteine Hamburg; Süderelbe-Archiv; Gedenken in Harburg; Geschichtswerkstätten Hamburg

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Bundesverdienstkreuz für Klaus Möller https://www.tiefgang.net/bundesverdienstkreuz-fuer-klaus-moeller/ Fri, 19 Apr 2019 22:45:11 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=5166 [...]]]> Der Harburger Klaus Möller engagiert sich seit Jahren gegen das Vergessen des Nazi-Terrors. Nun wurde ihm zu Ehren Hamburger Rathaus gefeiert.

Die gute Nachricht kam per Post: In einem Schreiben teilte die Hamburger Senatskanzlei Klaus Möller (83) mit, dass ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen werde. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterschrieb die entsprechende Urkunde bereits im Dezember. Bei einer Feierstunde im Hamburger Rathaus nahm Möller nun Urkunde und Verdienstkreuz aus der Hand von Schulsenator Ties Rabe entgegen: Außergewöhnliche Auszeichnung eines Mannes, der seit Jahrzehnten wie kaum ein anderer in Harburg unermüdlich im Einsatz ist wider das Vergessen der nationalsozialistischen Gräueltaten.

Dass sich Klaus Möller für Geschichte interessiert, kommt nicht von ungefähr: 38 Jahre hat er Englisch und eben Geschichte unterrichtet. Zuletzt, und bis zu seiner Pensionierung 1999, lange Zeit als stellvertretender Leiter des Heisenberg-Gymnasiums. Damals wie heute speiste er seine Motivation aus dieser Überzeugung: „Wer die Geschichte kennt, weiß, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht wiederholt.“ Ein Ansatz, den auch der Senator in seiner Ansprache hervorhob: „Sie haben mit Beharrlichkeit und viel Fingerspitzengefühl dafür gesorgt, dass sich auch junge Menschen mit den Geschichten der Opfer, ihrem Leben und ihrem Leiden auseinandergesetzt haben.“

Bertini-Preis für neun Dokumentationen

Als Lehrer und später auch als treibende Kraft bei der „Initiative Gedenken in Harburg“, die im vergangenen Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feierte und der er fast von Anfang an angehört, hat er immer wieder Schüler bei ihren Projektarbeiten begleitet und unterstützt. Mit großem Erfolg: Zehn dieser Dokumentationen gingen ins Rennen um den Bertini-Preis, neun wurden tatsächlich mit dem Preis ausgezeichnet: „Das ist unter Hamburger Lehrkräften absoluter Rekord“, sagte Rabe.

Der Bertini-Preis wird jedes Jahr an Schüler vergeben, die sich in besonderer Weise für mehr Toleranz und gegen das Vergessen von Unrecht und Unmensch-lichkeit während der Nazi-Zeit einsetzen. Der Bertini-Preis e. V. war es auch, der Möller für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen hat. An sich hätte er es in Hannover entgegennehmen sollen. Denn Möller lebt mit seiner Frau Irmtraut (75) seit 50 Jahren in Rosengarten. Doch Hamburg konnte sich durchsetzen: Weil Möller mit seinem Engagement hier so sehr verwurzelt ist, kam es zur Feierstunde im Hamburger Rathaus.

An der nahmen auch ehemalige Schüler, Lehrer sowie Mitstreiter von „Gedenken in Harburg“, dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden, der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der Landeszentrale für politische Bildung, der Hamburger Stolperstein-Initiative und des Bertini-Preis e. V. teil. Alles Menschen, „ohne die meine jahrelange Arbeit Stückwerk geblieben wäre“, sagt Möller. So aber ergibt sich ein komplexes Bild: Möller veröffentliche zahlreiche Kurzbiografien von Opfern des Nationalsozialismus. Er sorgte mit dafür, dass die Idee des Kölner Künstlers Gunter Demnig, mit Stolpersteinen an die Opfer des Nazi-Terrors zu erinnern, vor 15 Jahren auch in Harburg umgesetzt wurde. Aktuell bringt es der Bezirk auf 231 Steine.

Möller organisierte Putzaktionen und mehr als 100 Rundgänge. Zudem sorgte seine Harburger Initiative dafür, dass mehr als 100 Zeitzeugen Harburg einen Besuch abstatteten. Was Möller dabei stets besonders beeindruckt und nachhaltig bewegt, ist der direkte Austausch zwischen diesen Holocaust-Überlebenden und Schülern. Klaus Möller ist überzeugt: „Ein Gespräch mit einem Zeitzeugen bringt so viel wie fünf Stunden Geschichtsunterricht.“

Möller selbst merkt noch an: „Über die unerwartet vielen Glückwünsche zu meiner Ehrung durch den Bundespräsdidenten habe ich mich ungemein gefreut, ohne dabei zu vergessen, dass Unzählige von Euch zu dieser eindrucksvollen Bilanz einer lebendigen Erinnerungsarbeit im Bezirk Harburg in erheblichem Maße beigetragen haben. Für diese Mitwirkung bin ich überaus dankbar. Ich hoffe, dass das Engagement gegen das Vergessen auch in Zukunft viel Positives bewirkt, und wünsche allen ein frohes Osterfest.“

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