Sophie Selbst-Zweifel – Tiefgang https://www.tiefgang.net Kultur, Politik, Kulturpolitik und mehr Fri, 02 Dec 2022 23:58:53 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.22 Lackmustest https://www.tiefgang.net/lackmustest/ Fri, 30 Jul 2021 22:37:15 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8248 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Ich habe mir ein Gedanken-Experiment überlegt.

Zum Versuchsaufbau gehören unterschiedliche Interessengruppen. Um sie auseinanderhalten zu können, färbe ich sie: z. B. schwarz, weiß, rot, grün, gelb, blau, braun… Mist, jede einzelne wird schon mit etwas assoziiert, symbolisiert eine Hautfarbe oder politische Position. Das Experiment soll allerdings einen neutralen Ausgangspunkt haben. Pink und die Farbe Lila scheiden auch aus. Hm. Ich dachte, ich suche mal schnell willkürlich etwas aus und fertig ist der Lack!
Dann nehme ich jetzt halt gestreifte und karierte Strukturen und bringe noch einen entscheidenden Vorteil ins Spiel kommen: Macht. Wir dürfen gespannt sein, was passiert. Die Privilegierten halten ihre Stellung ab sofort für ihr gutes Recht und freuen sich über ihre Vorteile. Dass die andere Gruppe benachteiligt ist, nun ja… das ist halt so, deren Problem. Die einen sind also zufrieden, die anderen sauer.
Versuchsweise lasse ich nun eine weitere Gruppe auf der Bildfläche erscheinen: die Gesprenkelten – und die Rollen werden neu verteilt. Großer Aufschrei bei den bisherigen „Gewinnern“! Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Das ist unfair, gegen die Natur und gehört verboten!
Was passiert, wenn Petrischalen vertauscht werden?
Liegt Machterhalt in des Menschen Natur? Oder kann das überwunden werden? Ich blicke auf die Frage der Sozialisation und träufele ein wenig Gemeinsinn ins Gedankengut. Bin gespannt, ob und wie sich daraus ein neues Verständnis von Würde entwickelt.

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Wahrsagerei https://www.tiefgang.net/wahrsagerei-2/ Fri, 23 Jul 2021 22:27:34 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8226 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Ich denke viel, wenn der Tag lang ist, und manchmal sogar nachts. 

Und nun: die Wettervorhersage.
Ich glaube ja, es gibt sie gar nicht, DIE Wettervorhersage. Es gibt sie in allerlei Variationen und darum nur im Plural. Im Hamburg Journal kündigen sie beispielsweise oft anderes Wetter an als in der Tagesschau eine Viertelstunde später. Also entweder sprechen die sich im Sender nicht ab oder das Wetter ändert sich einfach zu schnell, siehe WetterApp. Die hat nämlich offenbar auch ziemliche Anpassungsschwierigkeiten. Da hieß es zum Beispiel einmal für den nächsten Tag 14 Stunden Sonne. Ich dachte: Wow, cremte mich zu gegebener Zeit von Kopf bis Fuß mit Strahlenschutz ein, zog Sandalen und kurze Hose an und wartete darauf, dass der graue Morgen heller und blauer würde. Aber die Wolkendecke blieb geschlossen und behielt das schöne Wetter erst einmal für sich. Ich erkundigte mich bei der App wegen der Verspätung. Die hatte die Verheißung überarbeitet, die Sonnenstunden auf 4 gekürzt und auf nachmittags verschoben. Für Morgen wurden zum Trost 12 Stunden in Aussicht gestellt. Wurde dann allerdings auch nichts draus.
Wenn das vorausgesagte Wetter von der App immer wieder verändert wird, erinnert mich das an die Prognosen zum Wirtschaftswachstum. Da wird auf Nachkommastellen geschätzt und später in schöner Regelmäßigkeit mehrmals nach oben bzw. unten n. Also, raten kann ich auch.
Ich weiß gar nicht, warum ich mir das Wetter prophezeien lassen möchte, noch dazu, obwohl ich weiß, wie unzuverlässig die Auskünfte sind. Ich kann mich doch auch gleich tagesaktuell überraschen lassen. Am besten habe ich immer alles dabei, wenn ich das Haus verlasse: Sonnenhut, Regenjacke und Schneeschuhe.
Um den jüngsten Wetter-Ereignissen gerecht zu werden, möchte ich erwähnen, dass diese Wahrsagerei schon ein paar Wochen alt ist. Sie hatte keinerlei Bezug zur Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz und es liegt mir absolut fern, mich darüber lustig zu machen. Vielmehr denke ich als Fortsetzung über Betroffenheit nach.
Das Lachen in tragischen Momenten verbietet sich von selbst. Oder bleibt jenen vorbehalten, die unmittelbar betroffen sind. Heiterkeit Außenstehender ist fehl am Platze und erweckt schnell den Anschein von Zynismus. Siehe A. L.
Die Glaubwürdigkeit von emotionaler Anteilnahme steht und fällt mit der sichtbaren Entfernung zum Geschehen. Stehe ich vor den Trümmern meiner Existenz bzw. mir nahestehender Menschen oder sitze ich betroffen auf dem Sofa und verfolge mit Tele-Empathie die Nachrichten? Was ist echt, was sensationsgierige Gafferei? Und was ist vielleicht Wahlkampf statt Mitgefühl? Laschet´s Lachen war unglücklich, ein Fauxpas. Aber ich bitte um mildernde Umstände: Er konnte doch nicht ahnen, dass er ins Fernsehen kommt, obwohl er noch gar nicht vor die Kamera getreten war. Mir ist das ehrlich gesagt ganz egal, was es da hinten zu lachen gab.
Nicht egal ist mir dagegen, dass er das eigentliche Thema lieber vertagen will, weil er es für den falschen Zeitpunkt hält. Armer Armin, DAS ist wirklich schlechtes Timing! Wenn heute nicht der Tag ist, um sich wegen des Wetters und die Folgen des Klimawandels Gedanken zu machen bzw. politische Weichen zu stellen, dann denke ich über unseren blauen Planeten: Das Wasser hat´s gegeben, das Wasser hat´s genommen.

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Spieglein https://www.tiefgang.net/spieglein/ Fri, 16 Jul 2021 22:54:59 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8216 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Obwohl ich ein großer Fan von Reflexionen bin, habe ich ein eher zerrüttetes Verhältnis zu Spiegeln.

Zu solchen, die mir nicht schmeicheln, also fast allen. Am schlimmsten sind die in den Umkleidekabinen der Damenunterwäsche bei Karstadt in Harburg, wo sonst? Leserinnen können das vielleicht aus eigener Erfahrung bestätigen, männliche Begleiter als Augenzeugen, wenn ihre Frau, Mutter, Schwester, Freundin oder Geliebte kreidebleicher nach der Anprobe wieder auftaucht.

Dort ist das Licht nicht einfach nur unvorteilhaft, nein: Es ist voll fies. Grausam anzusehen, was sich dort als eigen Fleisch und Blut darstellt. Solche Beleuchtungskörper gehören verboten! Welche Verkaufsstrategie sich dahinter verbergen mag, kann ich nur mutmaßen. Vielleicht macht es sich bezahlt, damit Kundinnen unbesehen kaufen, statt anzuprobieren, um sich den Frust zu ersparen.
Im Urlaub machte ich die niederschmetternde Erfahrung, dass es solche Spiegelbilder auch woanders gibt. Ich war irritiert. Ist das schon wieder ein Stresstest? Gab es davon in den letzten Monaten noch nicht genug?? Der Spiegel antwortet nicht. Vielleicht denkt er sich seinen Teil. Reden ist Silber, Schweigen ist sicherer. Denn ein Spiegel lebt gefährlich, besonders wenn er ehrlich seine Meinung sagt.

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Schlangenstudium https://www.tiefgang.net/schlangenstudium/ Fri, 09 Jul 2021 22:34:33 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8190 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Schlangen gab es schon immer, also bereits in vorcoronaler Zeit. Besonders lebhaft sind mir diejenigen vor Damentoiletten und an Supermarktkassen im Gedächtnis geblieben.

Es ging allerdings kein Weg daran vorbei: Sie mussten mit der Zeit gehen, mit dem Ergebnis einer evolutionären Schlangenverlängerung. Immerhin ist jetzt das Risiko gesunken, dass man von hinten mit einem Einkaufswagen angeschoben wird; Markierungen sei Dank!
Solange die Zeichen noch auf Abstand stehen, bietet sich vielerorts die Gelegenheit, das menschliche Sozialverhalten zu studieren, praktischerweise am Feldversuch teilzunehmen und andere sowie sich selbst zu beobachten.
Erstens kann Schlangestehen die Kommunikation fördern, denn kreuzen sich selbige, sind Nachfragen sinnvoll: „Sind Sie das Ende der Schlachterschlange oder stehen Sie beim Bäcker an?“
Zweitens kann es zur kategorischen Erfassung einzelner Stereotypen beitragen. Die vermutete Mehrheit sieht meistens nichtssagend aus. Das sind augenscheinlich diejenigen, die alles stillschweigend erdulden. Ob es sich dabei um stoische Gelassenheit handelt oder im Gegensatz zum äußeren Schein innerlich brodelt, ist schwer zu beurteilen. Man kann in die Menschen nun mal nicht hineinsehen, und aus z. T. vermummter Mimik lässt sich auch nur ansatzweise etwas ablesen.
Vielleicht verfluchen sie gedanklich gerade all jene, die vor ihnen dran sind. Doch sie sind diszipliniert genug, die Flüche für sich zu behalten. Andere sind dagegen sichtlich oder hörbar genervt. Ungehalten darüber, dass welche das Gleiche wollen wie sie. Einige mögen sich sorgen, dass alles alle ist, wenn sie endlich selber am Ziel ankommen und recken ihre Köpfe, um sich mit Blicken weiter vorne zu platzieren.
Es gibt allerdings auch seltene Exemplare. Beispielsweise beobachtete ich einmal eine Geistersteherin, die links aus der Reihe tanzte – und dann denjenigen permanent im Weg stand, die verrichteter Dinge wieder gehen wollten. Das irritierte stets nur den Gegenverkehr, der sich an der Frau vorbeischlängeln musste, sie selber blieb konsequent bei ihrer verqueren Einstellung.
Eine andere Frau bemühte sich um anschauliche Gemütsruhe, indem sie die Yogahaltung „Der Baum“ einzunehmen versuchte: ein Bein angewinkelt und abgestützt am Standbein. Eine denkwürdige Demonstration auf der Suche nach innerem und äußerem Gleichgewicht – leider nur mit mäßigem Erfolg.
Zeitvertreiber gibt es häufiger als vorgenannte Ausnahmen. Zeitvertreiber widmen sich gerne ihrem Smartphone, um die Wartezeit zu verkürzen, verlieren bisweilen den Anschluss, weil sie zu vertieft sind, um zu bemerken, dass es längst weitergeht.
Dann gibt es noch die Renitenten, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wo und wie sie sich anzustellen haben, und natürlich das Pendant dazu: Diensteifrige Aufsichtspersonen, die diejenigen anpampen, die nicht vorschriftsmäßig anstehen.
Und ich, wo stehe ich? Natürlich dazwischen, leider ohne Stühle, denn es ist ja eine An-Steh-Schlange und kein Wartezimmer. Ich habe ein bisschen was von allen: schwanke wackelig zwischen den unterschiedlichen Haltungen und Gemütszuständen, mal verärgert, mal nachsichtig, mal amüsiert.
Ich denke mich als Bindeglied ohne Haftung in einer Menschenkette, wo jede*r für sich selber steht. Gibt es kein höheres Ziel? Doch, vielleicht: Wenn Geduld eine Tugend ist, lohnt es sich möglicherweise, das über jeden Zweifel erhabene Schlangestehen zu kultivieren und gnädig miteinander umzugehen.
Aus der Not eine Tugend zu machen, war schon immer ein schlauer Rat. Da ist noch viel Luft nach hinten.

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Zum Auswachsen https://www.tiefgang.net/zum-auswachsen/ Fri, 02 Jul 2021 22:56:17 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8155 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Technisch betrachtet stecke ich noch in den Kinderschuhen, ca. Gr. 27,5.

Die Digitalisierung treibt mich noch zum Wahnsinn – oder weiteren Einsichten. Ich sage mir schon seit langer Zeit, dass noch keine Meister vom Himmel gefallen sind. Alles braucht Übung. Wenn es doch nur nicht so anstrengend wäre… und zum Verzweifeln… und zum… Mäusemelken, kleinteilig-friemelig. Aber Kapitulation? Niemals! Aufgeben ist keine Option. Neustart hingegen schon. Reset. Wie oft habe ich es schon erlebt, dass ein Neustart die Probleme in Luft auflöste. Einfach mal alles runterfahren, tief durchatmen und dann sein Glück nochmal versuchen. Wunder gibt es immer wieder.
Manchmal hilft es auch, kleinbeizugeben, sprich: weniger erreichen zu wollen und stattdessen mit dem Machbaren zufriedenzugeben. Ist natürlich keine leichte Übung, die eigenen hohen Ansprüche hinunter-, statt sich in unliebsame Gefühle hineinzuschrauben… z. B. in tiefen Groll, weil ich der Technik nicht Herr bin – oder Frau. Ich biete dann tapfer der emotionalen Verschwörungstheorie die Stirn, dass das Problem nur existierte, um mir das Leben schwer zu machen!
Weil ich vermutlich nicht die Einzige bin, die mit Hard- und/oder Software zu kämpfen hat, mache ich mir jetzt einmal die Mühe die Vor- und Nachteile abzuwägen, die für bzw. gegen ein digitales Format sprechen und nehme als Beispiel die SuedLese 2021, die dieses Jahr Premiere hatte. Das Ganze stelle ich mir als Schlagabtausch vor.
Pro: Online-Lesungen haben den Vorteil einer größeren Reichweite.
Contra: Theoretisch ja. Praktisch ist das Scheitern scheinbar schon vorprogrammiert. Man kommt nicht rein oder fliegt wieder raus, hat keinen Ton, kein Bild, eine ohrenbetäubende Rückkopplung…
Pro: Vor Ort kommt aber auch nicht jede*r rein, z. B. Rollstuhlfahrer*innen wegen Stufen.
Contra: Es kann ebenfalls frustrierend sein, sich online ausgeschlossen zu fühlen oder benachteiligt, weil die Verbindung schlecht ist.
Pro: Schon, trotzdem hinkt der Vergleich! Denn beim nächsten Date kann schon alles besser laufen. Eine Mobilitätseinschränkung ist dagegen eine Hürde, die sich durch Üben nicht überwinden lässt.
Contra: Und der Überdruss, was ist damit? Viele sitzen ja berufsbedingt schon viel am PC, während der Pandemie noch dazu reichlich im Homeoffice. Da hat man doch keine Lust, sich sowas auch noch in der Freizeit.anzutun.
Pro: Das ist doch etwas völlig anderes, sowohl inhaltlich als auch atmosphärisch. Außerdem haben Menschen fast dauernd ein Handy in der Hand und stecken ihre Nase freiwillig ins Internet. So abschreckend scheint die digitale Welt also vom Prinzip her nicht zu sein.
Contra: Aber…
Pro: Und im Ernstfall ist ein Zoom-Meeting besser als nichts. Man sieht sich: Kollegen, Freunde
und Familie – und das ohne Maske!
Contra: Man selber sieht aber generell voll schlimm aus! Ich erschrecke mich immer, wenn ich mich sehe.
Pro: Dann guck´ halt nicht dich an, sondern die anderen! Außerdem hast du die Option, dein Bild auszublenden. Wobei es natürlich gerade darum geht, sich wenigstens virtuell zu treffen, also annähernd wie im richtigen Leben zu begegnen: sicht- und hörbar.
Contra: Apropos hörbar. Es gibt auch Schüchterne, die sich scheuen, etwas zu sagen. Dann kann so ein peinliches Schweigen entstehen, wenn alle schweigen.
Pro: Das kann vor Ort auch passieren, dass sich keiner traut, das Wort zu ergreifen. Bei Online-Lesungen kannst du deine Fragen oder Anmerkungen auch in den Chat schreiben. Das ist doch ein niedrigschwelliges Angebot, um sich zu beteiligen.
Contra: … Mir gehen langsam die Argumente aus.
Pro: Tooor! 1:0 für mich!
Contra: Aber Online ist einfach kein Ersatz für eine Live-Lesung.
Pro: Nö, aber durchaus eine sinnvolle Ergänzung.
Contra: Naja, so gesehen… könnten alle was davon haben.
Pro: Genau, analog & digital zu paaren könnte im Ergebnis zu einer win-win-Situation führen.
Das lasse ich jetzt mal so im virtuellen Raum stehen.

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Für nichts und wieder nichts https://www.tiefgang.net/fuer-nichts-und-wieder-nichts/ Fri, 25 Jun 2021 22:37:36 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8120 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Aktuell kämpfe ich an so vielen Fronten gegen die Tücken der Technik, dass ich mich geradezu schikaniert fühle.

Don Quichotte hatte es gut, denke ich gerade, der konnte immerhin ganz analog gegen Windmühlen antreten, während ich digital gegen unsichtbare Gegner antrete. In Anbetracht zahlreicher unvorhergesehener Komplikationen erkläre ich nun zwei bereits verfasste Kolumnen für hirntot. Vielleicht können sie später einmal von einer Nahtod-Erfahrung berichten. An den Schnittstellen muss unbedingt noch gearbeitet werden, damit es zu keinen tragischen Datenverlusten kommen kann! Andernfalls drohe ich dem Schicksal mit Schlägen. Bin nämlich stocksauer deswegen und habe Gewaltfantasien, in denen Smartphone, Laptop und WLAN zu Boden gehen und nie wieder aufstehen…

Vielleicht sollte ich einfach endlich den alten Schriftsteller-Rat befolgen. „Kill your darlings!“ Darin steckt die Weisheit, man solle sein Herz nicht an alle Sätze hängen, sondern sich von einigen trennen können. Ja, denke ich bemüht, es sind doch nur Texte.

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Lange Leitung https://www.tiefgang.net/lange-leitung/ Fri, 11 Jun 2021 22:57:30 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8010 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Kennt jemand Aron? Welch biblischer Name für einen digitalen Assistenten.

Drum will ich nun Zeugnis ablegen von meiner Zeit in einer ewigen Warteschleife, um zu einer Sprechstundenhilfe durchgestellt zu werden. Zunächst hörte ich mir die obligatorische Begrüßung vom Band an und durfte wählen zwischen Option 1 und 2, hätte mein Anliegen doch nur dazu gepasst. Andernfalls sollte ich zur Anmeldung weitergeleitet werden. „Bitte warten Sie, um mit einem Mitarbeiter zu sprechen. Danke für Ihre Geduld.“ Ich war schon öfter in der Praxis gewesen, sah immer nur Frauen in der Anmeldung, aber egal.

Es folgte Musik, sogar ganz angenehme. Dann die Ansage: „Sie sind zurzeit Anrufer Nr. 2. Bitte warten Sie, um mit einem Mitarbeiter zu sprechen. Danke für Ihre Geduld.“ Die Musik erklang, 10 Sekunden lang, wurde unterbrochen von derselben Ansage, ich hörte weiter 10 Sekunden Musik, dann wieder die Ansage und so weiter und so fort. Ich verharrte geduldig als Anrufer Nr. 2 in der Leitung.

Nach grob geschätzten 20 Wiederholungen wechselte das Programm. „Ihr Anruf ist nun der nächste in der Warteschleife und wird zum nächsten freien Mitarbeiter durchgestellt. Danke für Ihre Geduld.“ Es folgte andere Musik bei gleicher Taktung. Ansage – Musik – Ansage – Musik… Doch jetzt – Achtung! Aufgepasst! Überraschung! – „Leider kann Ihr Anruf aktuell nicht zeitnah entgegengenommen werden. Wir leiten Sie an unseren digitalen Assistenten Aron weiter.“ Ich dachte, Aron gehöre längst der Vergangenheit an, doch ich dachte falsch und legte auf. Und versuchte es erneut. Begrüßung, Auswahlverfahren, Warteschleife zur Anmeldung, wieder Anrufer Nr. 2, höre Jazz und 20-mal dasselbe, natürlich abwechselnd, bevor ich in der Warteschleife aufrücke, einem Klavier lausche und ein ums andere Mal den Dank für meine Geduld entgegennehme – um schließlich bei dem einvernehmlichen Bedauern anzukommen. Assistent Aron will sich um mich kümmern, aber ich will mir partout nicht von ihm helfen lassen. So schnell gebe ich nämlich nicht auf! Und heißt es nicht, aller guten Dinge wären drei? Frisch gewählt ist… eine Zumutung. Ich habe ein Dé·jà-vu. Bin Nr. 2, aber mir wächst inzwischen ein Damenbart. Lange Geschichte, abruptes Ende. Ich gab schließlich doch auf.

Wahrscheinlich bin ich zu ungeduldig.

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Idiotie https://www.tiefgang.net/idiotie/ Fri, 04 Jun 2021 22:56:11 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=7986 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Vor kurzem stieß ich auf eine Überschrift, H. P. Baxxter (Hans Peter Geerdes von der Band Scooter) fände Gendern zum Kotzen. Das wäre Idiotensprache.

Super-coole Ansage für einen wie ihn, der sich dumm und dämlich daran verdient „Hyper! Hyper!“ in ein Mikro zu brüllen. Aus Sicht meiner Ohren ist das zum… Weghören. Aber gut, die Geschmäcker sind verschieden.

Die einfache Sprache gibt mir erneut zu denken. Sie erreicht Menschen emotional deutlich schneller als die politisch korrekte. Es ist so viel mühsamer, im gesellschaftlichen Kontext mit- oder gar umzudenken. Das erfordert Konzentration – jedenfalls solange, bis es zur Gewohnheit geworden, sprich: in Fleisch und Blut und vor allem ins Gehirn übergegangen ist.

Ich finde es vollkommen nachvollziehbar, dass sich jede*r so äußern können möchte, wie ihm oder ihr der Schnabel gewachsen ist. Vielleicht wäre das wirklich die Lösung! Macht doch, was ihr wollt! Die einen wie früher, die anderen mit Sternchen, wieder andere bevorzugen vielleicht ausschließlich die weibliche Form, und: man kann beim Sprechen und Schreiben die Artikel sogar ganz weglassen! Oder ganz innovativ das neutrale, englische THE verwenden, eingedeutscht: TEE, weil die Aussprache von TH ungeübten Zungen schwerfällt.

Wäre es nicht ein Zeichen von Diversität, wenn man alles zuließe und akzeptierte, selbst ein Bewerbungsschreiben mit der Anrede „Ey, Digga“? Ich bin mir nicht sicher, wie ernst ich meinen Gedanken nehmen soll. Tatsächlich ist ja etwas dran, dass eine Doktrin a la George Orwells „Neusprech“ nicht schmeckt und sogar sauer aufstößt, und Verbote etwas von einem Maulkorb haben. Wenn jede*r sagt, was und wie er oder sie denkt, weiß man wenigstens, woran man ist, und kann sich über Inhalte austauschen. Das hat doch was. Einen Hauch von Wahrhaftigkeit

 

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Zum Spaß – oder Ironie des Schicksals https://www.tiefgang.net/zum-spass-oder-ironie-des-schicksals/ Sat, 29 May 2021 07:23:09 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=7953 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Ich mache mir Sorgen um den Humor. Wenn der verloren geht, dann sind Hopfen und Malz auch gleich weg.

Das Leben kann so schrecklich sein! In schwierigen Phasen, wenn Schwierigkeiten einem wie Wegelagerer auflauern und die Gefahr des Scheiterns in düsteren Farben ausmalen, ist – und das ist der Witz an der Sache – Humor angesagt, um auch das Unerträgliche zu ertragen, selbst auf die Gefahr hin, dass einem das Lachen mal im Hals steckenbleibt. Von solchen Kollateralschäden einmal abgesehen, wirkt es sowohl körperlich als auch seelisch entlastend, schmerzlindernd, ja geradezu erlösend.

Ich hatte einmal das Vergnügen, mich im Rahmen einer Projektarbeit mit den vielen Facetten des Humors zu befassen. Das selbstgewählte Thema hatte allerhand zu bieten. Bei der Recherche stieß ich auf Schwank und Schadenfreude, konstruierte Witze und unfreiwillige Situationskomik, Parodien und Satire, Sketche, Cartoons, Komödien und Karikaturen. Das war alles sehr aufschlussreich.

Humor hat die kluge Angewohnheit, etwas durch den Kakao zu ziehen, um uns zum Lachen zu bringen. Er neigt zu maßloser Übertreibung und provoziert mit Tabubrüchen. Alles in allem hat er also einen schwierigen Charakter. Weil er auf ausgefallene Denkhürden steht, nennt er sich auch Checkpoint Toleranzgrenze.

Mit all seinen Ecken und Kanten macht er sich nämlich nicht nur Freunde. Es gibt beispielsweise Machthaber, die verstehen überhaupt keinen Spaß! Die wollen das Lachen am liebsten unterdrücken. Also den Anlass der Belustigung, denn das Lachen selbst ist ein reflexartiger motorischer Vorgang – Humor hingegen eine Frage der inneren Einstellung: eine geniale Erfindung des Geistes, um sich auf ungewöhnliche Weise über Schwächen und Unzulänglichkeiten lustig zu machen und diese damit zu entkräften. Humor ist selten sinnlos, sondern bezweckt etwas: eine befreiende Umdeutung in einem ernstzunehmenden Kontext.

Apropos Sinn: Mal nachzählen, der wievielte es wohl ist… 1-5: hören, sehen, riechen, schmecken, tasten. Der 6. vermittelt eine Ahnung und der 7. lief mal im Fernsehen. Also nominiere ich den Sinn für Humor für die formschöne 8.

Manchen Menschen fehlt er leider, die sind komplett humorlos. Die können einem leidtun, denn sie haben es besonders schwer. Andere finden nur, dass man sich in bestimmten Zusammenhängen nicht lustig machen darf, z. B. weil das pietätlos wäre.

„Treffen sich zwei Jäger im Wald. Beide tot.“ Also, Vorsicht: Humor kann sehr verletzend sein! Auf der einen Seite ist es lustig, auf der anderen nicht – dazwischen liegt der bodenlose Abgrund. Horizontal können wir den Ernst der Lage überbrücken. Die Methode gleicht einer morschen Hängebrücke. Ob der Humor trägt, ist meistens eine Frage der Kultur und des persönlichen Geschmacks. Das Niveau kann schwanken und hat bekanntlich viel Luft sowohl nach oben als auch nach unten.

Trotz alledem. In erster Linie ist Humor ein starker Trost, denn Lachen ist gesund. Schweinchen Schlau mit dem Schlusswort: „Zwischen Auslachen und Humor besteht ein wesentlicher Unterschied, denn man sollte sich möglichst nicht auf Kosten anderer amüsieren. Am besten ist es, wenn man über sich selber lachen kann.“

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Screenshot https://www.tiefgang.net/screenshot/ Fri, 21 May 2021 22:29:48 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=7930 [...]]]> Mein Name ist Sophie und ich bin Denkerin. Ich war schon immer kamerascheu, aber nun gewöhne ich mich wohl oder übel daran, optisch mit mir selbst konfrontiert zu werden, ZOOM sei Dank.

Seit geraumer Weile verbringe ich wie so viele andere auch noch mehr Zeit vor dem Bildschirm. Ob im Büro oder Homeoffice, bei der Arbeit oder in meiner Freizeit. Manches ist ein Muss, anderes mache ich freiwillig. Onlinekonzerte und Fortbildung beispielsweise. Es kann ja nicht schaden, aus der Not eine Tugend zu machen.

Online-Formate der Begegnung waren Neuland, aber nach anfänglichen Schwierigkeiten komme ich auf den Geschmack, weil ich Möglichkeiten entdecke in dem digitalen Schnickschnack. Anfangs sind die Hürden hoch, steht man doch wie ein Ochs vorm Berg. Aber so ist das im Leben: Man macht so vieles zum ersten Mal und hat es dann mit etwas Übung irgendwann drauf. Laufen und lesen beispielsweise. Anfangs stammelt oder taumelt man noch rum – oder stürzt eben online ab. So groß ist der Unterschied im Prinzip nicht. Learning by doing. Zur Belohnung eröffnen sich dann neue Möglichkeiten.

Und wie nebenbei komme ich darauf, dass nur ich selbst mich an meinen Anblick gewöhnen muss, die anderen waren damit schon länger vertraut. Und bisher hat noch niemand wegen meines Aussehens den Kontakt zu mir abgebrochen. Eine schöne Lektion für meine Eitelkeit.

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