Ulrike Hinrichs – Tiefgang https://www.tiefgang.net Kultur, Politik, Kulturpolitik und mehr Sat, 03 Dec 2022 15:01:42 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.22 Posttraumatisches Wachstum entdecken https://www.tiefgang.net/posttraumatisches-wachstum-entdecken/ Fri, 22 Jul 2022 22:52:37 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9232 [...]]]> Traumatische Erlebnisse können zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Häufig wirken die schlimmen Erlebnisse ein Leben lang fort. Weniger bekannt ist, dass in der Forschung auch positive Traumafolgen beobachtet werden.

von Ulrike Hinrichs

Trauma beschreibt ein Erleben eines für den Betroffenen überwältigenden Ereignisses. Traumatische Ereignisse bedrohen die Unversehrtheit oder sogar das Leben des Menschen. Sie versetzen den Betroffenen in extreme Angst und Hilflosigkeit. Und sie sind so außergewöhnlich, dass normale Anpassungs- und Bewältigungsstrategien versagen. Bei den Traumafolgestörungen unterscheidet man einmalige bzw. einzelne Ereignisse wie Unfälle oder Naturkatastrophen (Typ I Trauma). Erleidet jemand andauernde oder sich wiederholende traumatische Erlebnisse, wie Folter, Missbrauch, Vernachlässigung und andere durch Menschenhand verursachte Traumata, ziehen sie oft tiefgreifende psychische Probleme nach sich (Typ II Traumata).

Die ganz neu gefasste ICD-11, die 11. Version der internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten definiert nunmehr diese zwei Trauma-Typen. Die Traumafolgestörungen sind vielfältig. Eine dauerhaft hohe Stressbelastung, Übererregbarkeit, innere Erstarrung, Depressionen, Schlafstörungen und Müdigkeit, Dissoziation, „Flash- Backs“ und Immobilität sind nur einige davon.

Kann man an einem Traumata auch wachsen? Damit haben sich die Professoren für Psychologie Richard G. Tedeschi und Lawrence G. Calhoun beschäftigt, die den Begriff des posttraumatischen Wachstum geprägt haben. Unter der Perspektive des posttraumatischen Wachstums wird nicht nur auf die Defizite fokussiert, sondern auch auf den durch die Erfahrung ausgelösten Reifungsprozess. Es zeigt sich, dass durch das Bewusstwerden der eigenen Verletzlichkeit auch das Gefühl der inneren Stärke wachsen kann. Viele Betroffene erleben nach traumatischen Erfahrungen eine Intensivierung der Wertschätzung für das Leben und Beziehungen. Die Prioritäten und Perspektiven ändern sich. Kleine, alltägliche Dinge gewinnen an Bedeutung. Materielle Dinge verlieren an Wert. Eine Reflexion über den Lebenssinn und eine spirituellen Verbundenheit mit dem größeren Ganzen führt zu mehr Tiefe und Zufriedenheit im Leben.

Je größer und anhaltender die traumatische Erfahrung war, desto schwierig kann es sein, ein Trauma auch anzunehmen und zu integrieren. Eine Aktivierung der inneren Ressourcen mit künstlerischen Mitteln kann diesen Prozess unterstützen. Betroffene können sich aus der Enge befreien, Schutzräume gestalten und Lebenskraft entwickeln. Der künstlerische Ausdruck, der ohne Worte Unaussprechliches zeigen kann, bildet eine Brücke zur Trauma-Bewältigung und zum posttraumatischen Wachstum. In meiner Arbeit mit Geflüchteten oder auch meiner Gruppe für Frauen mit Gewalterfahrungen kann ich diese Wachstumspotentiale immer wieder mitverfolgen. Es ist ein langer Prozess, der einen vielleicht auch lebenslang begleitet. Aber es lohnt sich. Ich weiß wovon ich spreche. Lies dazu gern auch meine Geschichte Wenn der Körper sich abschaltet, Guillain Barré Syndrom. Den Baum im Header habe ich im Jahre 1981 nach meinem Locked in Syndrom gemalt.

Ulrike Hinrichs ist Kunsttherapeutin (M.A.), Heilpraktikerin für Psychotherapie, Traumazentrierte Fachberaterin und ausgebildet in Positiver Psychologie. Sie ist auch Autorin des Fachbuches Kunst als Sprache der Intuition

www.lösungskunst.com

 

 

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Grundformen: Kreis, Quadrat, Dreieck, Kreuz https://www.tiefgang.net/grundformen-kreis-quadrat-dreieck-kreuz/ Fri, 24 Jun 2022 22:20:44 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9175 [...]]]> Aus den elementaren Grundformen Kreis, Quadrat, Dreieck, Kreuz lässt sich jede Form ableiten. Die Grundformen können in der kunsttherapeutischen und pädagogischen Arbeit mit Menschen genutzt werden, um Ängste und Unsicherheiten zu überwinden.

von Ulrike Hinrichs

Die klassischen Grundformen wie Kreis, Dreieck, Rechteck  kennt jedes Kind. Erste künstlerische Kritzeleien bei Kindern bestehen aus den Grundformen. Und auch die letzten Bilderwerke im hohen Alter sind von Motiven mit Grundformen geprägt. Ich erinnere eine Teilnehmerin meiner Gruppe „Kreativer Begegnungsraum für Hochbetagte“, die an Demenz erkrankt war und mittlerweile verstorben ist. Sie hat über die zwei Stunden unserer Begegnung in der Gruppe mit großer Euphorie nur Kreise gemalt.  Die wohl älteste Form der Kunst sind Sandzeichnungen und Höhlenmalereien, die ebenfalls sehr häufig die Grundformen zeigen. Zurück bis zu den Ursprüngen der Menschheit und bis in die entlegensten Ecken der Erde können wir solche Werke finden.

In meiner Arbeit als Kunsttherapeutin nehme ich oft eine große Unsicherheit und Angst bei den hochbetagten Menschen wahr, ob sie eine Aufgabe bewältigen können. Wichtig ist daher, mit ganz einfachen Themen zu arbeiten. Die Grundformen eigenen sich dazu besonders gut. Was man alles Wunderbares aus den Grundformen machen kann, zeigen die Abbildungen. Der Hintergrund besteht aus bemaltem Karton, den ich zu Karten zurechtgeschnitten habe. Die Bilder schneiden wir aus und kleben sie auf die Karten. Dadurch erfahren die Motive nochmal eine Aufwertung und jeder hat etwas in der Hand, das er/sie weiter nutzen kann als Postkarte.

Gruppe „Kreativer Begegnungsraum für Hochbetagte“: Löwe aus den Grundformen

Wer sich tiefergehend mit den Grundformen beschäftigen möchte, kann sich auch der symbolischen Bedeutung annähern.

Im Mittelpunkt des Kreises spiegeln sich Ganzheit, Vollkommenheit, das ganze Universum. In sprachgebräuchlichen Metaphern steht der Kreis für den Zusammen- oder Einschluss. Er definiert, wer dazu gehört. „Im Kreise meiner Familie“, „Sie gehört zum engeren Kreis“.  Der Kreis steht auch für Bewegung und die Wiederkehr. Er bevorzugt keine Richtung und ist frei in seiner Bewegung. „Meine Gedanken kreisen“, „Ich drehe mich im Kreis“.

Das Dreieck wirkt dynamisch, zeigt Polaritäten zwischen Spannung und Entspannung, zwischen Aggressivität und  Defensivität, seine Aufgabe ist die eines Vermittlers. Als Symbol für Spannungen balanciert es auseinanderstrebende Kräfte. Im Straßenverkehr erregt es als Warnschild unsere Aufmerksamkeit. Das Dreieck folgt der Dynamik der Drei, sie bedeutet Überwindung der Entzweiung, steht für Vollkommenheit und die Dreifaltigkeit, für Systeme wie Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft, Körper-Seele-Geist, Mutter-Vater-Kind.

Ein Quadrat  ist ein Rechteck mit vier gleichlangen Seiten.  Es ist ein Symbol der Formgebung, gibt einen Rahmen und klare Strukturen. Es steht für die Lebensebene der materiellen Welt (Materie). Das Quadrat wirkt eingrenzend bzw. umgrenzend und stellt damit auch eine Art Fundament für ein Zuhause dar. Es gibt Sicherheit.

Ulrike Hinrichs ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Gesprächstherapeutin und Kunsttherapeutin (M.A). www.lösungskunst.com

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Nicht jeder muss dich mögen https://www.tiefgang.net/nicht-jeder-muss-dich-moegen/ Fri, 10 Jun 2022 22:16:01 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9111 [...]]]> Gehörst du zu den Menschen, die gemocht werden wollen? Machst du es anderen gern recht? Da freuen sich ganz sicher die anderen. Und wie geht es dir damit?

Je mehr du für dich stehst, desto mehr Leute werden dich nicht mögen. Je mehr du dein Leben lebst, deine Wünsche und Bedürfnisse erfüllst, deine Ideen verwirklichst, desto mehr Neidern und Konkurrenten wirst du begegnen. Das kann unterschiedliche Gründe haben.

Vielleicht hältst du der Person gerade den Spiegel vor, weil du etwas machst, was sie sich  nicht traut. Oder du bist nicht mehr die permanent helfende Hand, auf die sich alle stillschweigend verlassen haben. Oder dein Gegenüber mag dich einfach nicht.

Wenn du deine Kraft lebst, dann wirst du mehr Menschen treffen, die dich nicht mögen. Und das ist auch völlig in Ordnung so.

 

„Du kannst der saftigste Pfirsich auf der ganzen Welt sein

und es wird immer noch jemanden geben, der Pfirsiche nicht mag“,

 

bringt es die US-amerikanische Tänzerin und Unternehmerin Dita von Teese auf den Punkt.

Für Frauen ist es oft besonders schwer, diese kraftvolle Seite aus den Tiefen ihres Herzens hervorzuholen. Hinzu kommt, dass Frauen in unserer Gesellschaft gelernt haben, sich zurückzunehmen. Meine Oma erzählte mir noch das Sprichwort: „sei artig und bescheiden, dann mag dich jeder leiden“. Auch wenn die Rollenbilder im Wandel sind, gibt es beim weiblichen Geschlecht immer noch eine deutliche Zurückhaltung, sich zu zeigen.

„Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein. Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich machtvoll sind. Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit“, hat Nelsen Mandela in seiner Antrittsrede 1994 gesagt.

Der Preis, den du zahlst, wenn du in dein Licht gehst, ist die Sichtbarkeit.

Du stehst im Rampenlicht, wirst erkennbar mit deinen Talenten und Stärken, aber eben auch mit deinen Unzulänglichkeiten und Schwächen. Damit wirst du verletzlicher und angreifbarer. Und das ist wunderbar. Gib dir und den Menschen die Erlaubnis dich nicht zu mögen. Denn erst dann lebst du deine volle Kraft.

 

Buchtipp: Brene Brown, Verletzlichkeit macht stark. Kailash Verlag

Ulrike Hinrichs ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Gesprächstherapeutin und Kunsttherapeutin (M.A). www.lösungskunst.com

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Eigenlob als Booster für deine Psyche https://www.tiefgang.net/eigenlob-als-booster-fuer-deine-psyche/ Fri, 13 May 2022 22:42:54 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=9055 [...]]]> „Eigenlob stinkt“, eines von vielen deutschen Sprichwörtern, die uns in unserer Entwicklung einschränken. Schmeiß die alten Glaubenssätze über Bord und klopf dir auf die Schulter.

von Ulrike Hinrichs

Zu einem gesunden Selbstvertrauen gehört, dass wir mit Fehlschlägen umgehen und unsere Leistungen wertschätzen können. Beide Eigenschaften sind bei vielen Menschen nicht gut ausgeprägt. Und das liegt unter anderem auch in unseren kollektiven Glaubenssätzen begründet, die uns bestimmte Konzepte in den Kopf setzen, mit denen wir uns und die Welt betrachten. Eigenlob stinkt, ist einer dieser Sätze. Diese kollektiven Felder, die auch durch die Weitergabe solcher Volksweisheiten über viele Generationen hinweg bestehen bleiben, engen uns ein. Es gibt unzählige behindernde Glaubenssätze. „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“, sagt der Volksmund und schrumpft damit deine Visionen und Träume in kleine Portionen. Und denk an die alte Geschichte (1845) von „Hans-guck-in-die-Luft“ aus dem Buch „Der Struwelpeter“, dem sein Tagträumen ins Wasser stürzen ließ.

„Wenn der Hanns zur Schule ging,
Stets sein Blick am Himmel hing.
Nach den Dächern, Wolken, Schwalben
Schaut er aufwärts, allenthalben:
Vor die eignen Füße dicht,
Ja, da sah der Bursche nicht,
Also daß ein jeder ruft:
„Seht den Hanns Guck-in-die-Luft!“

 „Wer hoch steigt, fällt tief“, ebenfalls ein Sprichwort, dass uns den Mut zu großen Visionen nimmt und suggeriert, dass Fallen (Fehler machen) unerwünscht ist. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, meint das Arbeit keinen Spaß macht und Vergnügen verpönt ist. Prüfe mal, welche behindernden Glaubenssätze du mit auf den Weg bekommen hast.

Unser größter innerer Schritt besteht darin, uns von diesen kollektiven und individuellen Dogmen der Einengung zu verabschieden. Eigenlob ist das beste Parfüm für dich. Oft nehmen wir unsere kleinen und großen Visionen und Erfolge gar nicht richtig wahr, sie scheinen selbstverständlich. Unsere auf Leistung gedrillte Gesellschaft suggeriert uns, dass Dauerleistung auf Hochtouren völlig normal ist. Daher ist es wichtig, dass wir ganz bewusst inne halten und hinschauen.

Übrigens belegen Studien sogar, dass ein leicht übertriebenes Selbstvertrauen wie eine positive selbsterfüllende Prophezeiung wirkt. Es fördert Kreativität, Zuversicht, Durchsetzungsvermögen und Leidensbereitschaft (siehe dazu: Steve Ayan in Spektrum der Wissenschaft, kompakt, Ausgabe 02.22, S. 21 ff „Sich zu überhöhen ist gesund“). Gesunde narzisstische Anteile lassen uns strahlen, machen uns selbstbewusst, ehrgeizig und führungsstark. Zu einer gesunden Eigenliebe gehört, dass wir unsere Erfolge und Leistungen nicht nur anerkennen, sondern am besten auch feiern. Voraussetzung dafür ist ein positives Selbstbild. Dazu gehört auch, dass wir unsere Grenzen kennen und wahren.

Wenn du in einem pathologisch narzisstischen Familiensystem ausgewachsen bist, mit Abwertung, Bewertung und Liebesentzug konfrontiert wurdest, dann fällt dir Selbstliebe und Eigenlob besonders schwer. Siehe dazu auch:

 

Ulrike Hinrichs ist Kunsttherapeutin (M.A.) und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie ist auch Autorin des Fachbuches Kunst als Sprache der Intuition

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Friedensbotschaft zu Ostern https://www.tiefgang.net/friedensbotschaft-zu-ostern/ Fri, 15 Apr 2022 22:45:35 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8954 [...]]]> Goldene Osterhasen, bunte Ostereier, die ersten Krokusse und Narzissen prägen das Osterfest, bei dem nach christlichem Glauben die Auferstehung Jesu gefeiert wird. Seit den 1960er Jahren wird Ostern auch von der Friedensbewegung geprägt, die gegen Gewalt und Krieg auf die Straße geht.

von Ulrike Hinrichs

 Frie | de, Frie | den

  1. [vertraglich gesicherter] Zustand des inner- oder zwischenstaatlichen Zusammenlebens in Ruhe und Sicherheit
  2. Zustand der Eintracht, der Harmonie
  3. Geborgenheit in Gott

Duden online www.duden.de/Friede

Der Begriff Frieden hat unterschiedliche Bedeutungsebenen, gemeinsam ist ihnen der Zustand der Sicherheit und Eintracht. Über den menschenverachtenden Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hören, lesen, sehen wir aktuell viel. Wir erleben, wie fragil und unsicher unsere Welt geworden ist. Unsere Gesellschaft ist solidarisch und hilfsbereit mit ukrainischen Geflüchteten. Das finde ich großartig.

Mich erschüttert allerdings die aufkeimende Diskussion um die vermeintlich „besseren und schlechteren Flüchtlinge“. Vor allem erlebe ich diese Diskussion auch innerhalb der helfenden Community. Beispielsweise wurde in einem Netzwerk zur Flüchtlingshilfe, in dem ich Mitglied bin, von einer Teilnehmerin erläutert, die ukrainischen Menschen seien ja nun „wirklich“ vor Krieg geflohen (gemeint war damit ein Vergleich zu allen anderen Geflüchteten, die seit der Flüchtlingsbewegung 2015 nach Deutschland flohen). Von einer anderen Person hörte ich „die Menschen aus der Ukraine sehen ja nicht aus wie Flüchtlinge, sondern wie wir“. Das mögen nur zwei kleine Beispiele sein, sie stehen aber symptomatisch für ein verzerrtes Menschenbild und eine selektive Wahrnehmung der Flüchtlingssituation in der Welt.

Im Begriff Frieden ist enthalten, dass Menschen untereinander Frieden finden. In der Künstlergruppe für Flüchtlinge, die ich seit 2015 leite, kommen Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund zusammen. Bigigul beispielsweise, eine Frau mittleren Alters, ist aus Afghanistan geflohen. Sie hat Sehnsucht nach ihrer Heimat. Eine Rückkehr ist seit der erneuten Machtübernahme der Taliban in 2021 in unabsehbare Ferne gerückt. Afghanistan sei – so las ich kürzlich – für Frauen mittlerweile das gefährlichste Land der Welt.

ein Teilnehmer der Künstlergruppe für Flüchtlinge

Alaa, eine junge Frau aus dem Irak, ist Jesidin. Mit dem Völkermord an den Jesiden durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ wurden Männer und ältere Frauen getötet, Jungs als Kindersoldaten eingezogen. Die jungen Frauen und Mädchen wurden als Sklavinnen verkauft, systematisch vergewaltigt und misshandelt. Alaa könnte eine davon sein, wenn sie nicht hier in Deutschland wäre. Adil, ein Arzt aus Syrien, wurde in im Gefängnis gefoltert. Johnson, der Künstler der Friedenspostkarte, ist aus Ghana geflohen. Er ist schwerkrankt und schafft es nur mit viel Mühe von seinem Zimmer zum wenige Schritte entfernten Gemeinschaftsraum zu laufen, um an unserer Gruppe teilzunehmen. Gemeinsam haben alle vor allem einen Wunsch. Frieden, um nach Hause in die Heimat zurückzukehren. In den letzten Wochen haben wir das Thema Frieden künstlerisch aufgegriffen und eine Friedenspostkarte drucken lassen. Wir möchten damit eine Friedensbotschaft in die Welt senden.

 

Wir wünschen uns offene Herzen, die Menschen mit Menschen verbinden.

Frohe Ostern. Friede sei mit dir.

 

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Die Künstlergruppe für Flüchtlinge wird gefördert vom Bezirksamt Harburg.

Projektleitung Ulrike Hinrichs

 

 

 

 

 

 

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Wenn Political correctness zur Ideologie wird https://www.tiefgang.net/wenn-political-correctness-zur-ideologie-wird/ Fri, 01 Apr 2022 22:43:54 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8906 [...]]]> Es ist richtig und wichtig, dass wir in unserer Sprache darauf achten, andere nicht zu diskriminieren. Das Herz sollte dabei allerdings nicht auf der Strecke bleiben.

von Ulrike Hinrichs

Ich bin Mitglied einer facebook Gruppe in der sich Kunsttherapeut*innen austauschen. Eine Teilnehmerin bat die Gruppe um eine Idee für die Arbeit mit Geflüchteten. Ich stellte ein Praxisbeispiel aus meiner Gruppe mit Menschen im letzten Lebensabschnitt vor. Ich nannte sie in meinem Kommentar ahnungs- und arglos „Die Alten“, auch weil sich die Malgruppe selbst so nennt. Wir hatten erst im November 2021 auf dem Harburger Kulturtag eine Ausstellung unter dem Titel „Alt war gestern“. Unter anderem hatten die Teilnehmer*innen ein Bild mit Apfelbäumen als gemeinsame Collage erschaffen. Der von der Gruppe vorgeschlagene Titel  lautete liebevoll „Zusammen sind wir Altes Land“.

Bisher wurde ich noch nicht von der Sprachpolizei angehalten. Ich achte auf meine Worte. Worte schaffen Bilder, schließen ein oder aus. Daher ist die Wahl der Worte für eine Gemeinschaft, in der alle dazugehören, wichtig.

Nun aber wurde ich heimtückisch erwischt und wegen Diskriminierung gerügt. O-Ton: Der Begriff „Alte“ ist diskriminierend, hieß es in einem Kommentar der „Europäische Akademie für psychosoziale Gesundheit und Kreativitätsförderung“.

Diese Rückmeldung motivierte mich, sowohl die Fakten zu beleuchten, als auch die Herzen zu befragen. Ich darf vorwegnehmen, die Rüge ist sowohl rechtlich als auch sprachlich falsch. Zudem unterminiert sie Herz und Seele.

Die spröden Fakten: Als ehemalige Anwältin bin ich gut vertraut mit dem Antidiskriminierungsgesetz und den Grundrechten. Die Grundrechte sind eines meiner Steckenpferde. Um meine Reputation zu unterstreichen, darf ich darauf hinweisen, dass ich im Kontext der Grundrechte bereits Fachbücher und Schulbücher veröffentlicht haben (z.B. Unsere Tochter nimmt nicht am Schwimmunterricht teil, Verlag an der Ruhr).

Aus rechtlicher Sicht darf niemand wegen seines Alters diskriminiert werden. Und das ist gut und richtig. Auch darf man nicht über „die Alten“ wie Objekte sprechen. Die Definition der WHO lau­tet: „Altersdiskriminierung liegt vor, wenn das Alter benutzt wird, um Menschen auf eine Art zu kate­go­risieren und einzuteilen, die zu Schaden, Nachteilen und Ungerechtigkeiten führt und die Solidarität zwischen Generationen untergräbt.“

Die Altersfeindlichkeit oder auch Altersdiskriminierung beschreibt also die Ausgrenzung sowie die Herabwürdigung von Menschen eines gewissen Alters. Das Wort „alt“ oder „Die Alten“ allein sagt darüber gar nichts aus. Es geht um den feindlichen, ausgrenzenden Kontext. Man kann aber nicht von einer Diskriminierung sprechen, wenn sich eine Malgruppe von rund zehn Menschen um die 90 Jahre liebevoll selbst so bezeichnet, wie man sie dann auch nennt. Auch kann man einzelne Menschen und Gruppen so betiteln, wie es die deutsche Sprache vorsieht, wenn man sie damit nicht herabwürdigend ausgrenzt. Wer alt ist darf als alt bezeichnet werden. Wer Kind ist, darf als jung bezeichnet werden.

Nun kann man sich allerdings fragen, ab wann man zu den Alten gehört. Vielleicht bin ich das mit 57 Jahren auch schon? Fragen wir die Koryphäe, Frau Dr. Adelheid Kuhlmey, Leiterin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité und wissenschaftliche Direktorin des Charité-Centrums für Human- und Gesundheitswissenschaften: „Ab wann ist überhaupt jemand alt? Biologisch definieren wir, dass ein Mensch alt ist, wenn die Hälfte seiner Geburtskohorte bereits verstorben ist. Daran sehen Sie, dass heute weder die 60- noch die 70-Jährigen alt in diesem Sinne sind. Bei heutiger Lebenserwartungssituation kann, der Definition folgend, ein Mensch als alt bezeichnet werden, wenn er über dem 80. Lebensjahr ist.“

Auch nach dieser gerontologischen Definition sind die von mir betreuten Menschen, alle um die 90 Jahre und darüber, alt.

Allein die Fakten mögen unsere Herzen nicht beruhigen. Fakten bleiben im Gehirn hängen und versickern. Das Herz rebelliert. Daher noch etwas Fühliges zum Abschluss. Die Teilnehmer*innen des „Kreativen Begegnungsraum für Hochbetagte“, der Woche für Woche dem späten Leben einen kreativen Schub verpasst, haben nichts dagegen, dass man sie „Die Alten“ nennt. Ich habe heute extra nochmal nachgefragt. Im Gegenteil, sie nennen sich mit viel Herz und Liebe selbst so, darauf habe ich schon beim Faktencheck hingewiesen.

Wer Wörter verbieten will, die mit Liebe und Seele aufgefüllt sind, hat das Thema Antidiskriminierung nicht verstanden.

Es grüßen die Alten und ich. Ulrike Hinrichs 2022

 

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Narzisstische Grenzverletzung https://www.tiefgang.net/narzisstische-grenzverletzung/ Fri, 18 Mar 2022 23:17:26 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8867 [...]]]> Kinder, die in einem narzisstischen Umfeld aufwachsen, lernen ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken. Sie haben auch als Erwachsene Schwierigkeiten, ihre Grenzen wahrzunehmen und ihre Bedürfnisse zu fühlen.

von Ulrike Hinrichs

„Narzissten kapern den anderen wie Piraten“, beschreibt es der Psychiater Pablo Hagemeyer (S. 25). „Automatisch besetzen sie die Persönlichkeit des anderen und verschieben die Grenzen auf Kosten des Opfers. Auch das ist Teil der Zerstörung des anderen. Die massive Besetzung einer Person durch einen Narzissten ist wie eine feindliche Übernahme“, führt Pablo aus (a.a.O.).

Für Kinder ist das die emotionale Hölle. Allerdings normalisieren Kinder das Entsetzliche, weil sie nichts anderes kennen und irgendwie damit umgehen müssen. Mir begegnet dieses Thema des narzisstischen Missbrauches in meiner Praxis vor allem bei Frauen. Töchter narzisstischer Mütter (Narzisstische Mütter) fühlen sich fremdbestimmt, abgeschnitten von den eigenen Gefühlen. Sie haben in der narzisstischen Erziehung gelernt, sich von den eigenen Bedürfnissen abzukoppeln und auf die Wünsche, Erwartungen und Stimmungen der Mutter zu reagieren.

Diese Erfahrung findet sich im Laufe des Lebens in destruktiven Beziehungsmustern wieder. Frauen, die unter narzisstischen Müttern groß geworden sind, können sich oft perfekt in die Bedürfnisse anderer einfühlen. Zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen haben sie dagegen kaum einen Zugang, so dass sie über ihre eigenen Grenzen gehen oder andere diese Grenzen überschreiten lassen.

Die Gefahr der Selbstaufgabe, der grenzenlosen Hilfe für andere, ist eine typische Folge narzisstischer Vergiftung. Oft versteckt sich dahinter ein weiblicher Narzissmus. Menschen mit weiblichen narzisstischen Anteilen leben den Gegen-Part zum grandiosen Narzissten, indem sie ihre Minderwertigkeits- und Nichtigkeitsgefühle in den Vordergrund stellen. Bis zur völligen Selbstaufgabe umsorgen, hegen und pflegen sie ihre/n Beziehungspartner/in. Daher passen diese narzisstischen Strukturen in Beziehungskonstellationen perfekt zusammen. Der weibliche Narzissmus wird deshalb auch Komplementär-Narzissmus genannt.

Der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung ist es, diese Beziehungsdynamik zu verstehen und die eigenen Grenzen wieder wahrzunehmen.

Weitere Beiträge zum toxischen Narzissmus:

 

Ulrike Hinrichs ist Kunsttherapeutin (M.A.) und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie ist auch Autorin des Fachbuches Kunst als Sprache der Intuition

 

Literatur:

Hagemeyer, Pablo (2020). „Gestatten ich bin ein Arschloch“. Ein netter Narzisst und Psychiater erklärt, wie Sie Narzissten entlarven und ihnen Paroli bieten. Hamburg: Eden books.

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Wenn Sehnsucht wehtut https://www.tiefgang.net/wenn-sehnsucht-wehtut/ Fri, 04 Mar 2022 23:45:22 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8838 [...]]]> Wir kennen alle das bittersüße Gefühl von Sehnsucht. Sehnsucht nach einem Menschen, nach einer anderen Zeit, nach anderen Zuständen, nach der Heimat. Sehnsucht kann gesund sein, aber auch toxisch wirken.

 von Ulrike Hinrichs

Sehnsucht

Sie saugt mich aus, verschlingt mich, speit mich aus.

Die Lunge reißt, das Herz zerbricht.

Ich strampele, tauche ein.

Ich sinke, ich ertrinke.

Sie dehnt sich aus, weit wie der Ozean.

Es zieht mich so.

Ich flehe. Bitte!

Sie hört mich nicht.

Ich sehe nichts.

Sehnsucht.

Sie stoppt die Zeit.

Sie leert den Raum

Ich falle.

Ich ertrinke.

Der blaue Himmel tropft aufs Meer.

Die Gischt schlägt an die Klippen.

Ich falle, falle, falle.

Sehnsucht.

Ulrike Hinrichs

 

Die gesunde bzw. nährende Sehnsucht strebt nach Entfaltung und Wachstum. Dazu gehören schwelgende Erinnerungen und Tagträume. Diese Form der Sehnsucht ist wichtig, denn sie zeigt uns, was für uns im Leben von Bedeutung ist. Sie ist ein Wegweiser in die richtige Richtung.

Die verzehrende, regressive Sehnsucht dagegen entspringt dem kindlichen Wunsch nach Symbiose. Die verzehrende Sehnsucht kann nie erfüllt werden. „Es ist ein schwarze Loch in das du hineinfällst“, beschrieb es eine Klientin.

Es ist die kindliche Sehnsucht nach Verschmelzung. „Die regressiven, verzehrenden Sehnsüchte sind mit starken, beißenden Gefühlen verbunden, einem intensiven Sog in Richtung des ersehnten Menschen und qualvoller Traurigkeit, nicht bei ihm zu sein. Es ist, als zehre diese Form der Sehnsucht die Frau auf, statt, wie bei der nährenden Sehnsucht, sie zu beflügeln und für ihre Suche nach Liebe zu stärken“, so Bärbel Wardetzki in ihrem Buch „weiblicher Narzissmus (S. 236).

Kinder, die mit emotionalem Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung aufgewachsen sind, haben das Gefühl von Liebe und Urvertrauen nicht erfahren. Emotionale Abwendung und Liebesentzug sind für Kinder lebensbedrohlich, denn sie sind von den Eltern abhängig.

Die kindliche Sehnsucht wirkt auch im Erwachsenenalter nach. Diese Wunde bleibt ein Leben lang. Die innere Leere kann nicht gestopft werden. Der Sog gleicht einem universellen Staubsauger. Es ist die Sehnsucht nach Ganzheit. Beziehungen werden dadurch zur Tortur. Wenn der Liebespartner Autonomie leben will, wird es für Betroffene bedrohlich. Die innere Leere wird nur scheinbar durch eine Beziehung überwunden. Die Trennung vom Partner fühlt sich wie ein Zerbrechen der eigenen Identität an.

Oft hilft es Betroffenen, diese Dynamik erst einmal zu verstehen. Denn sie spüren, dass etwas nicht stimmt, dass der Sog zu groß, zu überwältigend ist.

„Die Psychoanalyse hat das Graben in der Tiefe übertrieben. Im Fluss des Lebens fließt alles mehr oder weniger weit oben. Die allertiefste Tiefe ist eine Illusion“ beschreibt es der indischer Psychoanalytiker Sudhir Kakar (in: Jochen Peichl. Narzisstische Verletzungen der Seele heilen, S. 7)

Es geht um die Heilung der kindlichen Wunde. Verlassenheitsgefühle, Lieblosigkeit, Todesangst müssen überwunden werden. Wir heilen, wenn die Dinge sein dürfen. Dazu gehört, dass wir den alten Schmerz bewertungslos spüren und ein Gegenüber, das da ist, zuhört. Ein Hören mit den Ohren Gottes.

Siehe zum toxischen Familienumfeld:

 

Ulrike Hinrichs ist Kunsttherapeutin (M.A.) und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie ist auch Autorin des Fachbuches Kunst als Sprache der Intuition

 

 

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Spiritueller Narzissmus https://www.tiefgang.net/spiritueller-narzissmus/ Fri, 18 Feb 2022 23:55:47 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8765 [...]]]> Spirituelle Praktiken, die unsere Achtsamkeit trainieren, führen nach innen, nicht nach außen. Unserem Ego ist allerdings nichts heilig. Auch Yoga und Mediation können zum Ego-Booster missbraucht werden.

von Ulrike Hinrichs

Erst kürzlich begegnete mir in den sozialen Medien ein Foto einer wunderschönen Frau, die auf einem Bootssteg mit Blick auf das weite Meer meditierte. Die Perfektion dieses Bildes hatte es in sich. Perfekte Meditationshaltung. Perfekte Körper. Perfekter Himmel, Perfektes Meer. Ich erinnerte mich beim Betrachten des Bildes an eine Beitrag „Spiritualität auf Abwegen“, den ich kürzlich im Magazin Spektrum Psychologie gelesen hatte (von Scott Barry Kaufmann, Heft 01.22). In den vergangenen Jahren habe die Forschung das Phänomen des spirituellen Narzissmus und der spirituellen Selbstaufwertung entdeckt. „Die Selbstaufwertung mit Hilfe spiritueller Praktiken kann uns glauben machen, wir würden als Menschen wachsen, während eigentlich nur unser Ego wächst“, so Kaufmann in dem Beitrag (a.a.O., S. 50).

Unsere Gesellschaft setzt auf Leistung, Schönheit und Erfolg. Scheitern ist untersagt. Nichtstun ist unerwünscht. Damit verbunden ist auch ein kollektiver Perfektionismus. Wir leben in einer „narzisstisch geprägten Welt des Alles-Machbaren und Besser-Seins“, beschreibt es Bärbel Wardetzki in ihrem Buch Weiblicher Narzissmus (S. 13). Selbstoptimierung und Leistungsorientierung dominieren unseren Alltag. Auch die spirituelle Szene ist nicht immun dagegen. Wir sind die besseren, wir sind erleuchtet!

Die kollektive Taubheit schwebt wie eine dunkle Wolke über uns. Unsere zerstörerische Geschichte des Nationalsozialismus hat den Samen der Gefühllosigkeit gesät. Individuelle Traumata stärken die innere Spaltung. Um in einem toxischen System zu überleben, dissoziieren sich Menschen von ihren Gefühlen. Sie werden innerlich taub. Diese Gefühl- und Sprachlosigkeit der Eltern und Großeltern haben viele Nachkriegskinder zu spüren bekommen. Sie wurden materiell versorgt. Eine emotionale und empathische Fürsorge blieb aber aus. Dissoziation ist ein Bewältigungsmechanismus der Psyche, um traumatische Erlebnisse, unlösbare oder unerträgliche Konflikte aufzuhalten.

Dissoziation ist das Gegenteil von Achtsamkeit. Spirituelle Praktiken setzen auf Achtsamkeit. Es geht darum, über das Ego hinauszuwachsen, auch die eigenen dunklen Seiten kennenzulernen, Mitgefühl und Wertschätzung zu schenken. Es geht um wahrnehmen, was   passiert, ohne es zu bewerten.

Es spricht nichts dagegen, dass spirituelle Praktiken das Selbstwertgefühl steigern. Schwierig wird es aber, wenn diese Praktiken dafür eingesetzt werden, um einen hohen Selbstwert zu erreichen.

Ulrike Hinrichs, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Kunsttherapeutin

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Vergessen tut man es nie! https://www.tiefgang.net/vergessen-tut-man-es-nie/ Fri, 18 Feb 2022 23:05:04 +0000 https://www.tiefgang.net/?p=8768 [...]]]> Die Corona Pandemie hat unsere Urängste erweckt. Alte traumatische Erlebnisse spülen an die Oberfläche, individuelle Geschehnisse ebenso wie kollektive Traumata.

von Ulrike Hinrichs

In der Gruppe „Corona Portraits“ haben Menschen aus Süderlebe die Pandemie mit Pinsel und Farbe aufgegriffen. Auch schreibend haben sich die Teilnehmerinnen dem Thema gewidmet. Die Gruppe präsentiert einige ihrer Werke in Tiefgang.

Karin berichtete, dass die Ausgangsbeschränkungen während der Corona Pandemie traumatische Erinnerungen aus ihrer Kindheit erweckten. ANGST kroch in ihr hoch.

Als Siebenjährige war sie zur Verschickung in einer Lungenfachklinik in Ahrensburg gewesen. Es waren die 1950er Jahre, die menschenverachtende Nazi-Diktatur und ihre Erziehungsmethoden noch allgegenwärtig. Regelverstöße wurden von Schwester Ingeborg kollektiv sanktioniert. Fünf Kinder waren diesmal an der Reihe. Karin war mit sieben Jahren die Älteste.

„Wir wurden gemeinsam in einen Raum gesperrt. Die vergitterten Fenster waren geschlossen. Auch die Tür wurde verschlossen. Während langsam Desinfektionsdämpfe in den Raum geleitet wurden, schnappte ich nach Luft.  Atemnot. Ich hatte Angst zu ersticken. Panik brach aus, wir konnten nicht raus. Vor allem die Kleinen schrien.“  

 

Vergessen tut man es nie!
„Virus Ausgangssperre “
hörte ich,
Gitterstäbe am Fenster
Qualm aus dem Desinfektionsgerät,
kleinere Kinder schreien.

Angst kroch in mir hoch.
„Vorsicht“
ich war damals ein Kind.

Karin

 

Weitere Portraits:

 „Es brennt“

„Dieses Nichtdürfen, das ist so schlimm“

Der Fremde

Projektleitung Ulrike Hinrichs – Das Projekt wird gefördert durch das Bezirksamt Harburg.

 

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