Corona-Portraits I

„Es brennt“

Corona Portraits: es brennt

Die Welt ist eine andere geworden. Nach zwei Jahren Pandemie hat sich in unserem persönlichen wie kollektivem Umfeld vieles verändert. Im Krisenmodus haben wir kaum Zeit, uns mit den gravierenden Veränderungen auseinanderzusetzen, sie zu reflektieren und uns im positiven Sinne anzupassen.

von Ulrike Hinrichs

In der Gruppe „Corona Portraits“, die im September 2021 im Kulturhaus Süderelbe startete, haben wir das Thema mit der Kunst als Ausdrucksform umgesetzt, Ängste und Verzweiflung ebenso ernstgenommen wie die Chancen, an der Krise zu wachsen. Auch mit Schreibimpulsen haben wir den Prozess unterstützt. Geplant war ursprünglich eine Ausstellung. Omikron hat uns ausgebremst. In einer Tiefgang-Serie präsentieren wir nun einige Bilder und Texte der Öffentlichkeit.

Die Corona-Themen sind breit gefächert. Von einem Zerwürfnis unter Schwestern über Flashbacks in die Kindheit bis zu einer Trennung durch unüberbrückbare Differenzen wegen der Impfung, spiegelt die Gruppe gesellschaftliche Anliegen, die uns alle beschäftigen. Auch den Corona- Ausbruch in einer Seniorenresidenz hat unsere Älteste zum Anlass genommen, die Einsamkeit und das Eingesperrtsein festzuhalten.

Der authentische künstlerische Ausdruck verdichtet und zeigt Gefühle, schafft Raum und respektiert Vielfalt. Die Kunst hat dabei geholfen, Mitgefühl zu zeigen, differenzierter hinzuschauen und hinzufühlen.

Wir können das Virus nicht kontrollieren. Die Ohnmachtsgefühle, die Unberechenbarkeit, das Nicht-enden-wollen der Pandemie machen uns auf unterschiedliche Art und Weise Angst. Oft nehmen wir die Angst aber gar nicht als solche wahr. Wir sind wütend, ruhelos und gereizt. Wir suchen nach Schuldigen für die Misere.  Auch Leugnen ist ein typischer Abwehrmechanismus unserer Psyche, damit wir die dunkle Seite nicht fühlen müssen. Am schwersten ist es für uns, wenn wir keine Perspektive haben. Wüssten wir, wann die bedrohliche Situation der Pandemie vorüber ist, dann könnten wir besser damit umgehen.

Wir haben uns daher gefragt:

  • Was geht mir durch den Kopf? Worum drehen sich meine Gedanken?
  • Was belastend?
  • Wie fühle ich mich?
  • Was ist gut? Was gibt es Neues für mich?
  • Wovon brauche ich weniger?
  • Wovon brauche ich mehr?
  • Was hat sich verändert für mich persönlich, in der Familie, Umfeld, Gesellschaft?
  • Was ist kaum noch auszuhalten?
  • Was sehe, höre, schmecke, rieche, fühle ich?
  • Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf?
  • Was fehlt mir?
  • Was muss angepasst werden, was gelockert, was betont?
  • Bin ich auf dem richtigen Weg?
  • Was muss geschützt, gestärkt, gewichtiger gemacht werden?
  • Was muss über Bord geworfen, bewegt oder verändert werden?
Selbstportrait einer Teilnehmerin

Künstlerisch starteten wir mit einem Selbstportrait. Die Herausforderung bestand allerdings darin, den Stift beim Zeichnen der Umrisse nicht abzusetzen! Dazu haben wir dann noch ein Elfchen verfasst, ein Gedicht mit 11 Wörtern, das bestimmten Regeln folgt.

Feuer.

Es brennt in meinem Herzen.

Ich will es halten.

Leben!

 

 

 

Mich persönlich hat ein Satz bewegt, den ich bei Nathal Hill in seinem Roman „Geister“ (S. 857) gelesen habe: „Wenn ein neuer Anfang wirklich neu ist, fühlt er sich wie eine Krise an. Jede wirkliche Veränderung sollte dir zunächst einmal Angst machen. Wenn sie dir keine Angst macht, ist es keine wirkliche Veränderung.“

Vielleich werden wir in einigen Jahren zurückblicken und uns wundern, was sich durch diese globale Krise doch auch zum Positiven verändert hat.

Projektleitung Ulrike Hinrichs

Das Projekt wird gefördert durch das Bezirksamt Harburg.

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