Harburger Ideenabwehr am Beispiel eines Marmstorfer Bauprojekts

40 Fuß zu groß

Äußerlich nicht zu erkennen: der geplante Containerbau in Marmstorf. (Bilder&Videos: 40feet Gmbh)

Hamburg als Törchen zur Welt, wie Modemacher Lagerfeld mal spöttelte, hat zudem ein Nadelöhr: Harburg. Ein Wohnungsbauprojekt in Marmstorf zeigt aktuell, wie wenig aufgeschlossen man Innovationen gegenübersteht …

 Die Nachverdichtung durch Wohnungsneubau schlägt in Harburg alle Rekorde. Knapp 800 neue Wohnungen wurden in Harburg 2018 fertig gestellt, genehmigt mehr als 1.000. Darauf ist die Politik und Verwaltung stolz wie Bolle, auch wenn absehbar ist, dass mancher Freiraum und manche Stadtplanung auf der Strecke geblieben sind. Die Folgen werden wir in Jahren zu spüren bekommen. Doch wenn dann mal etwas dabei ist, was ebenso Wohnungen schafft aber auch andere Ideen von Nachhaltigkeit oder Kostenreduktion integriert, dann zeigt Harburg schnell seine bürgerliche Behäbigkeit: am Besten alles bleibt, wie es ist.

So  heißt es diese Woche beim Online-Nachrichten-Portal harburg-aktuell Anwohner sind wenig begeistert. An der Marmstorfer Poststraße entstehen gerade Containerwohnungen“ .

Nicht an dieser Stelle, man sei gar nicht informiert, geschweige denn gefragt worden etc.pp.. Die Aufregung ist groß. Um was es aber geht, welche Ideen dahinter stecken könnten, wird gar nicht erst gefragt. Ist ja klar: Container in Marmstorf? So weit kommt es noch!

Ein Entwurf gestapelter Containerwohnungen.

 

Dabei ist die Idee doch eigentlich typisch Hamburg und auch Harburg. Als Hafenstadt stehen aller Orten Container und die Reederei „Hamburg-Süd“ wirbt quasi indirekt damit für den Süden der Stadt weltweit.

Das Team, das hinter dem Projekt steht, kommt aus Berlin und nennt sich passend zum Containermaß „40feet“. Nach eigenen Aussagen bildeten sich die Planungsgruppe aus derweil 15 Architekten, Ingenieuren und Fachberatern bei der Findung von Komplettlösungen für Hotels, Hostels und wohnlichen Studentenapartments. Dann kamen schnelle aber auch solide und kostengünstige Lösungen für Flüchtlingsunterkünfte hinzu. Und am besten sollten diese auch nachfolgend einfach und schnell in Apartments beispielsweise für Studenten umgewidmet oder im Hotelbetrieb weiter genutzt werden können. Eben anders als die schwimmende Unterbringung in Harburgs Hafen. Ein Versuch wäre es wert.

Die Lösungsidee der Stahl-Verbauer waren eben Überseecontainer. Und zwar gebrauchte. Diese einer nachhaltigen Nutzung zu zuführen und sie in serieller Vorfertigung zu qualitativ hochwertigen, transportablen und multifunktional einsetzbaren Wohnmodulen mit Charakter umzubauen, war der Gag. „In Reihe und gestapelt nach dem Lego-Prinzip, entstehen daraus in kürzester Bauzeit flexibel nutz-, skalier- und komplett rückbaubare Gebäude, die Wohnraum mit bestechendem Design und hohem Komfort bieten – auf Zeit oder auf Dauer. Alle Produktionsschritte der Modulfertigung finden in Deutschland statt“, ist im Unternehmenskonzept zu lesen.

Und auch zu den Stärken des Konzepts:

  • Sehr kurze Bauzeit durch Fertigung in Serie
    • Exzellente Ökobilanz ähnlich der eines Holzbaus und vier Mal besser als Stahlbeton
    • Hohe Energieeffizienz
    • Planungssicherheit für Kosten und Termine
    • Sehr hohe gleichbleibende Qualität durch optimale Baubedingungen in der Halle
    • Mobil, flexibel, reversibel, skalierbar durch intelligente Plug & Play Bauweise
    • Nachhaltig durch Verwendung ausschließlich gebrauchter Frachtcontainer
    • Hohe Investitionssicherheit durch Flexibilität und Reversibilität
    • Made in Germany

Fazit der Planungsgruppe: es ermöglicht ein menschenwürdiges Wohnen auf gerade mal 40 Fuß.

Innenansicht. Im Block findet sich das Bad.

Und so wurde aus der 40 feet refugee später die 40 feet development GmbH, die damit zwei Megatrends unserer Zeit bedienen will: Nachhaltigkeit und Mobilität. Außerdem soll es „eine passende Antwort auf die zunehmende Wohnungsknappheit“ geben und gleichzeitig nachhaltig sowie ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu bauen. „Anders als bei immobilen, massiven Gebäuden, deren Bau erheblich mehr Planung und Zeit erfordert, können Unterkünfte in 40 feet Modulbauweise nach stadtplanerischen Erwägungen auch hinsichtlich Standort und Nutzung rasch an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Städtebauliche Fehlentwicklungen, wie sie gerade unter den aktuellen Gegebenheiten unter Druck entstehen können, lassen sich hierdurch vermeiden. 40 feet vereinigt somit die Vorteile modularer Bauten mit der Stabilität und Langlebigkeit von Massivbauten auf sehr hohem Qualitäts- und gestalterischem Niveau. Die kurze Bauzeit ermöglicht, auch kurzfristig entstehende Bedarfe abzudecken. Die transportable, multifunktionale Ausführung gestattet eine hochwertige Weiternutzung z.B. als Studentenwohnheim nach der Flüchtlingsunterbringung. Die optisch ansprechende Gestaltung und die nachhaltige Produktionsweise steigern auch die Akzeptanz in der Bevölkerung, insbesondere bei Anwohnern.“

Und da ist es: Akzeptanz. Schon in der Fertigungsphase steht für manchen Harburger fest: geht gar nicht!

Dabei würde es sich zumindest lohnen, sich die Art und Weise der Innengestaltung ebenso anzuschauen wie auch ihre Verwendbarkeit. Denn auch wenn manchem Alteingesessenen der klassische Giebeldachbau als das einzig Wahre erscheinen mag und der Bungalowbau schon Argwohn hervorruft: viele urbane Zeitgenossen suchen nach neuen Ideen des Wohnens, des Lebens und auch der Stadt. Ob dafür ein Nadelöhr (siehe Satz 1) der geeignete Ort ist … eher nicht.

Weiterführender Link: www.40feet.net

Video:

 

 

 

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