Ein Weckruf zum Welttag des geistigen Eigentums am 26.4.:

Die Kreative Seele Europas in Gefahr

Am heutigen Welttag des geistigen Eigentums hallt ein eindringlicher Appell durch die europäischen Kulturlandschaften.

Schriftstellerinnen und Schriftsteller, vereint unter dem Dach des PEN Deutschland, fordern zum 26. April gemeinsam mit einem breiten Bündnis der Kreativbranche ein entschiedenes Handeln der Europäischen Union. Im Zentrum ihrer Sorge: die rasante Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz und deren potenziell existenzbedrohende Auswirkungen auf das geistige Eigentum.

Inmitten der digitalen Revolution, in der Algorithmen scheinbar mühelos neue Texte, Bilder und Melodien erschaffen, sehen sich die Urheberinnen und Urheber ihrer traditionellen Rechte beraubt. „Wir fordern von der Europäischen Kommission, beim Training generativer KI-Modelle eine vollständige Transparenz zu gewährleisten“, betont Tobias Kiwitt vom deutschen PEN, der diese Thematik federführend in bundesweiten Gremien vertritt. Es geht um mehr als nur um das Copyright einzelner Werke; es geht um die Wertschätzung kreativer Arbeit und die Sicherung der kulturellen Vielfalt Europas.

Der offene Brief, initiiert von der paneuropäischen Bewegung „Creators for Europe United“, ist ein flammender Appell an die EU-Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen. Unter dem Titel „Schützen Sie Europas kreative Seele!“ warnen Autor*innen, Musiker*innen, Filmschaffende, Journalist*innen und viele andere Kreative vor einer Entwicklung, die ihr Schaffen zur „bloßen Ressource“ degradiert.

„Europa ist mehr als ein geografischer Raum. Es ist ein kulturelles Versprechen – ein Versprechen für Freiheit, Vielfalt, Innovation und Zusammenarbeit“, heißt es in dem eindringlichen Schreiben. Doch dieses Erbe sehen die Kreativen durch die unkontrollierte Nutzung ihrer Werke für das Training von KI-Systemen bedroht. Milliarden kreativer Werke würden ohne Wissen, Zustimmung und faire Vergütung als Grundlage für diese Technologien verwendet.

Michael Landgraf, der Generalsekretär des PEN Deutschland, erinnert an die jahrelangen Bemühungen der Schriftstellervereinigung, die Kultur- und Kreativbranche in die Debatte um KI und geistiges Eigentum einzubinden. Resolutionen auf Jahrestagungen in Tübingen und Hamburg zeugen von der frühen Sensibilität für diese Problematik. Namenhafte PEN-Mitglieder wie Lutz Götze, Lena Falkenhagen, Ilija Trojanow und zuletzt Klaus-Peter Wolf haben sich öffentlich zur Gefährdung des geistigen Eigentums durch KI geäußert und damit die Dringlichkeit des Themas unterstrichen.

Die Bewegung „Creators for Europe United“ versteht sich als breites Bündnis der europäischen Kreativwirtschaft. „Das sind Autor:innen, Musiker:innen, Schauspieler:innen, Filmschaffende, Fotograf:innen, Illustrator:innen, Komponist:innen, Designer:innen, Architekt:innen, Journalist:innen, Übersetzer:innen Künstler:innen, Produzent:innen, Verleger:innen, Medien- und Kulturunternehmen aller Sparten aus ganz Europa“, heißt es in ihrer Selbstbeschreibung. Sie sehen in der unregulierten Entwicklung der KI eine Gefahr für die kulturelle Identität und die wirtschaftliche Stärke Europas.

„Wir sind die Ideen, die Bilder, die Stimmen, Lieder und die Geschichten, die Europa lebendig machen„, betonen die Kreativen. Ihre Arbeit sei mehr als reine Unterhaltung; sie stifte Identität und sei zugleich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Diesen Reichtum gelte es zu schützen.

Der offene Brief formuliert klare Forderungen an die EU-Kommission: vollständige Transparenz über die verwendeten Trainingsdaten, eine faire Vergütung für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte, die konsequente Durchsetzung bestehender Urheberrechtsgesetze – auch gegenüber globalen Technologiekonzernen – und die Einbindung der Kultur- und Kreativbranche in alle regulatorischen Prozesse zur KI-Governance.

Die Kreativen betonen, dass Künstliche Intelligenz auf ihre Inhalte angewiesen ist, um überhaupt funktionieren zu können. Ohne die Werke der Urheberinnen und Urheber sei sie „blind, leer und sprachlos“. Doch derzeit würden allein die Entwickler der Modelle profitieren, während die Schöpferinnen und Schöpfer ihrer Rechte und Einkünfte beraubt würden.

Die Initiatoren des offenen Briefs, darunter die Initiative Urheberrecht, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger, sehen in der aktuellen Entwicklung eine existenzielle Bedrohung für die europäische Kulturlandschaft. Sie fordern von der EU-Kommission ein schnelles und entschiedenes Handeln, um die „kreative Seele Europas“ zu schützen und eine faire, transparente und rechtskonforme Entwicklung der Künstlichen Intelligenz zu gewährleisten.

Auch auf der bevorstehenden PEN-Jahrestagung in Darmstadt wird das Thema eine zentrale Rolle spielen. Am Eröffnungsabend wird Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, ein Statement zur Gefährdung des geistigen Eigentums durch KI abgeben.

Der offene Brief, der zum Welttag des geistigen Eigentums unterzeichnet werden kann, ist ein Weckruf an die Politik und die Gesellschaft. Er mahnt uns, den Wert kreativer Arbeit nicht zu unterschätzen und die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der technologische Innovation und der Schutz geistigen Eigentums Hand in Hand gehen. Die kreative Seele Europas steht auf dem Spiel – es ist Zeit zu handeln.

Der offene Brief findet sich hier: https://creators-for-europe-united.eu/de/

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