GAGEPLUS_Hamburg und die Gretchenfrage der Konzertauslastung

Hoffnungsschimmer für Hamburgs Jazzklänge

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Endlich scheint ein Weg gefunden, die oft prekäre finanzielle Situation von Jazzmusiker*innen zu verbessern.Es heißt GAGEPLUS_Hamburg.

Die Nachricht von GAGEPLUS_Hamburg, dem Förderprogramm zur Aufstockung von Jazzgagen in Hamburg, wurde in der Szene mit verständlicher Erleichterung aufgenommen. Doch inmitten der Euphorie drängt sich eine kritische Frage auf: Dient dieser Zuschuss tatsächlich der Stärkung einer lebendigen Jazzszene, oder subventioniert er möglicherweise auch schlecht besuchte Konzerte und verdeckt tieferliegende Probleme?

Doch um was geht es? Die Hamburgische Bürgerschaft hat im Dezember letzten Jahres ein deutliches Zeichen für die Kultur gesetzt und den Etat um über elf Prozent aufgestockt. Ein direkter Profiteur dieser Entscheidung ist die lebendige, aber oft unterbezahlte Jazzszene der Hansestadt. Mit einer neuen Strukturförderung von 100.000 Euro soll nun ein Projekt namens GAGEPLUS_Hamburg initiiert werden, das darauf abzielt, die teils prekären Gagen der Hamburger Jazzmusiker*innen spürbar zu verbessern.

„Mit GAGEPLUS_Hamburg wollen wir den Jazz-Standort Hamburg stärken und die Aufstockung von Gagen über einen selbstverwalteten Fonds testen,“ betont Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien. „Fairere Bezahlungen sind eine Grundlage für eine langfristig lebendige Jazzszene. Auch die zahlreichen Jazz-Locations in der Stadt und Nachwuchskünstler*innen können davon profitieren, wenn es gelingt, dem Jazz eine nachhaltige Zukunftsperspektive in Hamburg zu eröffnen.“

Hamburg, neben Berlin und Köln eine der Hochburgen des deutschen Jazz, kämpft mit einem Paradoxon: Eine vitale Szene mit zahlreichen Spielstätten und engagierten Musiker*innen steht oft niedrigen Durchschnittsgagen von lediglich 50 bis 200 Euro pro Konzert gegenüber. Dies liegt weit unter den Empfehlungen des Deutschen Musikrats und der Deutschen Jazzunion, die aktuell eine Untergrenze von 300 Euro ansetzen.

Hier setzt GAGEPLUS_Hamburg an, koordiniert vom Jazzbüro Hamburg e.V., dem Dachverband der lokalen Jazzszene. Seit dem 1. Mai startet die Testphase des Projekts, für die sich professionelle, in Hamburg ansässige Jazzmusiker*innen ab sofort registrieren können. Konzerte, die ab dem 1. März 2025 im Hamburger Stadtgebiet stattgefunden haben und mit maximal 200 Euro vergütet wurden, können rückwirkend zur Förderung angemeldet werden. Zukünftig sollen monatliche Antragszyklen folgen.

Die Fördermaßnahme sieht vor, einzelne Konzertgagen von bis zu 200 Euro um jeweils 150 Euro aufzustocken – und das für maximal vier Konzerte pro Monat, sofern die Teilnahmebedingungen erfüllt sind. Ziel ist es, die empfohlene Honoraruntergrenze von 300 Euro pro Konzert häufiger zu erreichen und somit die beruflichen Rahmenbedingungen für die Jazzschaffenden in Hamburg nachhaltig zu verbessern.

Réka Csorba, die Geschäftsführerin des Jazzbüro Hamburg e.V., zeigt sich erfreut über den Start des Programms: „Wir freuen uns mit dem Förderprogramm GAGEPLUS_Hamburg professionelle Jazzmusiker*innen darin zu unterstützen, dass sie von ihrem Beruf in Hamburg besser leben können. Das Förderprogramm GAGEPLUS_Hamburg zielt darauf ab, die oftmals prekäre Entlohnung von Jazzmusiker*innen spürbar zu verbessern. Außerdem soll dem Brain-Drain durch Wegzug von exzellent ausgebildeten Künstler*innen in andere Städte bzw. dem Verlust von musikalischer Kreativkraft in ganz andere Berufsfelder oder der gänzlichen Abkehr von der Musik effektiv und nachhaltig entgegengewirkt werden. Damit stärkt Hamburg auch seine Strahlkraft als lebenswerte Musikstadt.“

Das Jazzbüro Hamburg, seit 1996 die Stimme der lokalen Jazzszene, hat in enger Zusammenarbeit mit einem Beirat, dem Vorstand und verschiedenen Arbeitsgruppen dieses Förderinstrument entwickelt. Um den Musiker*innen den Einstieg in das Programm zu erleichtern, bietet das Jazzbüro Online-Workshops an, in denen die Antragsmodalitäten erläutert und Fragen beantwortet werden. Die ersten Termine sind bereits für den 7. und 20. Mai angesetzt.

Die Botschaft an die Hamburger Jazzgemeinschaft ist klar: Registrieren, Gigs nachweisen und von der Aufstockung profitieren. GAGEPLUS_Hamburg könnte sich als ein wichtiger Schritt erweisen, um die Wertschätzung für die künstlerische Arbeit der Jazzmusiker*innen in Hamburg zu erhöhen und die Strahlkraft der Stadt als bedeutender Jazzstandort weiter zu festigen. Die Hoffnung ist groß, dass diese Initiative nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein bleibt, sondern eine nachhaltige Verbesserung der Einkommenssituation und damit der Zukunftsfähigkeit der Hamburger Jazzszene bewirkt.

Alle notwendigen Informationen und Formulare zum GAGEPLUS_Hamburg Programm finden sich unter: https://www.jazzbuero-hamburg.de/gageplus.

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, betont zwar die Stärkung des Jazz-Standorts und die Ermöglichung fairer Bezahlungen. Réka Csorba vom Jazzbüro Hamburg e.V. hebt die Notwendigkeit hervor, dem „Brain-Drain“ entgegenzuwirken und die Attraktivität Hamburgs als Musikstadt zu steigern. Unbestreitbar ist, dass eine faire Bezahlung eine Grundvoraussetzung für professionelles Arbeiten und künstlerische Weiterentwicklung ist.

Allerdings birgt die pauschale Aufstockung von Gagen auch potenzielle Schattenseiten. Wenn ein Konzert kaum Publikum anzieht, die Musiker*innen aber durch GAGEPLUS_Hamburg dennoch ein aufgebessertes Honorar erhalten, stellt sich die Frage nach der langfristigen Nachhaltigkeit. Werden dadurch möglicherweise Strukturen konserviert, die sich am Markt kaum behaupten können? Fehlt ein Anreiz für Veranstalter, innovative Konzertformate zu entwickeln oder intensiver um Publikum zu werben, wenn ein Teil der Kosten ohnehin durch öffentliche Mittel gedeckt wird?

Es liegt auf der Hand, dass niedrige Besucherzahlen vielfältige Ursachen haben können: mangelnde Bekanntheit der Künstler*innen, unattraktive Spielorte, ungeschickte Programmgestaltung oder auch ein generelles Desinteresse eines bestimmten Publikumssegments. Eine reine Gagenaufstockung adressiert diese potenziellen Probleme nicht direkt. Sie könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass Mittel in Konzerte fließen, die kaum einen kulturellen Mehrwert für ein breites Publikum generieren und die strukturellen Herausforderungen der Szene ungelöst lassen.

Ein differenzierterer Ansatz könnte darin bestehen, die Förderung stärker an Kriterien wie Publikumsresonanz, innovative Programmkonzepte oder die Erschließung neuer Zuhörerkreise zu knüpfen. Dies würde Veranstalter und Künstler gleichermaßen incentivieren, sich aktiv um ein zahlreiches Publikum zu bemühen und die Attraktivität von Jazzkonzerten in Hamburg insgesamt zu steigern.

Die Testphase von GAGEPLUS_Hamburg bietet nun die Chance, diese Aspekte genau zu beobachten und zu evaluieren. Es wird entscheidend sein, nicht nur die unmittelbare finanzielle Entlastung der Musiker*innen zu betrachten, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf die Vitalität und Innovationskraft der Hamburger Jazzszene. Eine transparente Analyse der Konzertbesucherzahlen und der künstlerischen Konzepte der geförderten Projekte könnte wertvolle Erkenntnisse liefern, ob die Gagenaufstockung tatsächlich das effektivste Mittel ist, um Hamburg als lebendigen und zukunftsfähigen Jazzstandort zu etablieren – oder ob es ergänzender oder alternativer Förderinstrumente bedarf.

Die Gretchenfrage bleibt: Subventionieren wir damit wirklich die Kunst, oder lediglich schlecht besuchte Veranstaltungen? Die Antwort wird die Zukunft des Hamburger Jazz maßgeblich beeinflussen.

 

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