Werkbundarchiv – Museum der Dinge wurdem vom Eigentümer zu Mitte 2023 gekündigt

Rauswurf zum 50jährigen

Das Museum der Dinge in der Oranienstraße. (Foto: JF)

Das Berliner „Museum der Dinge“ des Werkbundarchivs in Berlin-Kreuzberg beeindruckt die meisten Besuchenden. Nun wird es bald 50 und bekommt als perfides Geschenk seinen Rauswurf. Ein Immobilienfonds sieht die Dinge eben wohl anders …

Kurz vor dem Jubiläum zu seinem 50-jährigen Bestehen wurde dem international renommierten Berliner Werkbundarchiv – Museum der Dinge vom Immobilienfonds Victoria Immo Properties V S. à r.l. gekündigt. Dem Museum droht der Verlust seiner Ausstellungsflächen sowie der Archiv- und Büroräume in der Oranienstraße 25.

Verantwortlich für die Kündigung ist eine Briefkastenfirma in Luxemburg, die bislang noch anonymen Spekulanten gehört. Diesen konnte es beim Rauswurf des letzten Mieters offensichtlich nicht schnell genug gehen, denn bei der Kündigung zum 30.06.2023 wurde noch nicht einmal die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Jahr eingehalten.

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Detailansicht Offenes Depot, Werkbundarchiv – Museum der Dinge © JF / Museum der Dinge.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge ist seit 2007 in der Kreuzberger Oranienstraße 25 beheimatet. Mit seinem offenen Schaudepot und seinen innovativen Sonderausstellungen zur alltäglichen Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts erreicht das Museum ein stetig wachsendes Publikum. Es ist Anlaufpunkt für alle Menschen, die sich kritisch mit der Gestaltung, der Produktion und dem Gebrauch von Produkten in unserer Lebensumwelt auseinandersetzen wollen.

 Werkbundarchiv – Museum der Dinge.

Über seine vielfältigen Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramme hat sich das Museum als ein wichtiger außerschulischer Lernort etabliert und sich einen guten Ruf in der Fachwelt erworben. Die innerhalb der kulturellen Infrastruktur des Bezirks stark verankerte Einrichtung zieht vor allem ein jüngeres Publikum aus dem lokalen wie internationalen Feld an. Die vielseitigen und lebendigen Partnerschaften des Museums erhalten ihren besonderen Charakter durch ihre Einbettung in den Kiez.

Durch die überraschende Kündigung sind die für die kommenden Jahre geplanten und zum Teil schon gestarteten Projekte – Ausstellungen, Veranstaltungen und Kooperationen – des Werkbundarchiv – Museum der Dinge gefährdet.

Die Kündigung stellt das Museum vor große Herausforderungen. Es wird schwierig und kostspielig, vor dem für 2027 geplanten Umzug in einen Pavillon auf der Karl-Marx-Allee innerhalb der Kündigungsfrist geeignete Flächen für die derzeit präsentierten ca. 15.000 Objekte, das Archiv des Deutschen Werkbunds mit über 45.000 Dokumenten, die umfangreiche Bibliothek und – nicht zuletzt – die 12 Arbeitsplätze zu finden.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge wird solange wie möglich die geplanten Ausstellungen und Veranstaltungen in der Oranienstraße realisieren, um für das Publikum, alle Kooperationspartner*innen, die Nachbar*innen und den Kiez da zu sein. Wir hoffen auf die Solidarität und die Unterstützung des Publikums.

Auch andere alteingesessene Institutionen in der Oranienstraße 25 wie der Kunstverein ngbk (Neue Gesellschaft für bildende Kunst), die Traditionsbuchhandlung Kisch & Co., das Yogastudio Jivamukti und das Architekturbüro kleyerkoblitz wurden entmietet oder werden nur noch wenige Monate geduldet.

Neben den Herausforderungen, die die Kündigung für das Werkbundarchiv – Museum der Dinge selbst bedeutet, ist der durch Entmietung verursachte, fortlaufende Verlust gewachsener kultureller und sozialer Orte und Strukturen eine Herausforderung für die gesamte Stadt.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge ist eine vereinsgetragene Institution, die vom Land Berlin gefördert wird.

Zur Institiution

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge ist ein Museum der Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts, die von der industriellen Massen- und Warenproduktion geprägt ist. Kern der Institution ist das Archiv des Deutschen Werkbundes. Diese 1907 gegründete Vereinigung von Künstlerinnen und Künstlern, Industriellen, Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern strebte als Teil der utopischen Kulturtendenzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Lebensreform an.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge steht als autonome Organisation bewusst in dieser Werkbund-Tradition und sieht seine Aufgabe gleichermaßen in deren materieller Bewahrung und wissenschaftlichen Dokumentation wie in deren zeitgenössischer Interpretation und Reflexion.

Die als „Offenes Depot“ präsentierte Sammlung wird im Rahmen von Ausstellungsprojekten ständig neu befragt, weiterentwickelt und kommentiert.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge versteht sich als museale Versuchsanstalt, in der sich die Aufmerksamkeit darauf richtet, ausgehend von der heutigen Produktkultur die Geschichte der Dinge im 20. und 21. Jahrhundert immer wieder neu wahrzunehmen und wahrnehmbar zu machen. Dabei gilt es den Museumsraum, die Auswirkungen der spezifischen musealen Struktur auf den Objektstatus und die Konstruktion von Wahrnehmung sowie die Möglichkeiten von ästhetischer Bildung in Museen und Ausstellungen zu erforschen.

Nicht der Repräsentation von Kultur und Geschichte verschrieben, versucht das Werkbundarchiv – Museum der Dinge die Partizipation daran zu ermöglichen – eine zentrale bildungs- und gesellschaftspolitische Aufgabe.

Das Museum ist bemüht, die in seiner Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit erkennbare Identität als Labor und Experimentierfeld für Lernende weiter zu kultivieren und die langjährige erfolgreiche Vermittlungsarbeit (Ausstellungen, Veranstaltungen, Seminare) weiter zu entwickeln. Das Museum versteht sich als eine Lern- und Erfahrungsplattform zur ästhetischen Gestaltung für Studierende gestaltungs- und museumsrelevanter Studienrichtungen. Es soll ein Ort sein, an dem Studierende während ihrer Ausbildung zu Gestalterinnen und Gestaltern und Analytikerinnen und Analytikern von Dingen, Räumen und Prozessen Anregungen finden und die Kommunikationsstrukturen zwischen den Disziplinen gefördert werden, die das Arbeitsfeld Museum bestimmen.

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