Technik des Bergedorfer „großen Refraktors“ denkmalgerecht modernisiert

Der Blick nach den Sternen

Hamburgs Sternwarte mit dem Großen Refraktor (Foto: Sternwarte HH)

 

Der Blick zu den Sternen begeisterte die Menschheit seit eh und je. Und so auch die Technik dafür. In Bergedorf steht ein besonderes Exemplar …

Die Sternwarte in Bergedorf wurde zwischen 1906 und 1912 auf dem Gojenberg erbaut und galt bei ihrer Einweihung als das modernste und größte astronomische Observatorium Europas, da sie mit modernsten Instrumenten für Astronomie und Astrophysik ausgestattet war. Eines dieser Instrumente ist der Große Refraktor.

Das markante Kuppelgebäude der Sternewarte ist Teil des denkmalgeschützten Ensembles und beheimatet mit dem „Großen Refraktor“ ein Teleskop mit 60 Zentimetern Objektivdurchmesser und neun Metern Brennweite aus dem Jahr 1911.

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Der Große Refraktor ist das wohl eindrucksvollste Instrument der Hamburger Sternwarte. Mit 60cm Objektivdurchmesser und 9m Brennweite zählt er zu den größten Refraktoren Deutschlands. Größer sind nur noch die Refraktoren in Potsdam (Ø 80cm), Berlin-Babelsberg (Ø 65cm) sowie das ungewöhnliche Treptower Riesenfernrohr (Ø 68cm) der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow, das aber nie wissenschaftlich genutzt wurde. Der Hamburger Große Refraktor ist das größte noch existierende betriebsfähige Repsold-Instrument.

Als Anfang des Jahrhunderts anlässlich der Verlegung der Hamburger Sternwarte nach Bergedorf eine Neuausrüstung des Instrumentariums anlag, war der Wettstreit zwischen Refraktoren und Spiegelteleskopen in vollem Gange. Die Spiegelteleskope hatten zwar beachtliche Erfolge erzielt, bis dato galt jedoch ein großer langbrennweitiger Refraktor als das Nonplusultra der Teleskoptechnik. Die Hamburger Sternwarte beschaffte beide Instrumententypen, wobei allerdings der Große Refraktor allein die Hälfte der gesamten instrumentellen Investitionskosten verschlang.
Der Große Refraktor ist ein frühes Beispiel industrieller Kooperation. Tubus und Montierung stammen von der traditionsreichen Hamburger Firma A. Repsold & Söhne (es sollte das letzte große Repsold-Instrument sein), das Objektiv wurde von Steinheil in München angefertigt.

Als Hersteller von Kuppel und Hebebühne zeichnet sich die Firma Carl Zeiss in Jena verantwortlich. Während das Kuppelgebäude einschließlich der Hebebühne bereits 1909 stand und das Teleskop im Mai 1911 von Repsold fertiggestellt wurde, verzögerte sich die Lieferung des visuell korrigierten Objektivs bis zum April 1914, da Steinheil Schwierigkeiten hatte, genügend schlierenfreie Glasscheiben für das zweilinsige Objektiv zu erhalten.
1925 wurde ein zweites, photographisch korrigiertes Objektiv von Steinheil geliefert. Seinerzeit waren Photoplatten noch ausschließlich blauempfindlich. In diesem Spektralbereich war das visuelle Objektiv nicht optimal korrigiert, so daß damit keine scharfen Aufnahmen möglich waren. Um nun sowohl visuelle als auch photographische Beobachtungen durchführen zu können, hatte man in der Vergangenheit einige große Refraktoren als Doppelrefraktoren ausgeführt (z.B. Potsdam, Meudon). Bei anderen Refraktoren behalf man sich mit einer Korrektionslinse im Strahlengang. Mit dem Bergedorfer Refraktor wurde nun erstmals der Weg beschritten, zwei Objektive am selben Rohr gegeneinander austauschen zu können. Das photographische Objektiv wurde 1931 von Bernhard Schmidt umgeschliffen, um es besser auf die Empfindlichkeit der damaligen Emulsionen abzustimmen.

Illustration unihh

In den letzten Monaten nun wurde es für rund 3,2 Mio. Euro aufwendig saniert. Der Refraktor ist ein wichtiges Zeugnis der Wissenschaftsgeschichte, das heute überwiegend für öffentliche Himmelsbeobachtungen, aber auch für Lehr- und Forschungszwecke des Fachbereichs Physik der Universität Hamburg genutzt wird.

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank: „Die Sternwarte in Bergedorf ist eine der ältesten wissenschaftlichen Einrichtungen Hamburgs und auch heute noch von großer Bedeutung für die Forschung. Als Kultureinrichtung leistet sie gleichzeitig einen wichtigen Beitrag für die Öffnung der Wissenschaft in die Gesellschaft: Jedes Jahr kommen knapp 40.000 Besucherinnen und Besucher nach Bergedorf, um den einzigartigen Ausblick zu genießen und sich mit den Forscherinnen und Forschern über die Vielfalt des Kosmos auszutauschen. Die Modernisierungsmaßnahmen und neue Technik sorgen dafür, dass hier auch in Zukunft noch mehr Hamburgerinnen und Hamburger ihr Tor zu den Sternen genießen können.“

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Mit der Sternwarte in Bergedorf besitzt Hamburg ein wissenschafts- und architekturgeschichtliches Kulturdenkmal von internationalem Rang. Die denkmalgerechte und barrierefreie Sanierung der Sternwarte zeigt einmal mehr, was die Zusammenarbeit mehrerer Hamburger Behörden mit dem Bund bewegen kann. Die Erhaltung der Gesamtanlage ist für Hamburg von besonderer Bedeutung, weil sie neben ihrer Forschungstätigkeit auch einzigartiges Wissen über unseren Kosmos vermittelt. Durch die Sanierung ist der Große Refraktor wieder für alle zugänglich und wird zu einem lebendigen Denkmal der Wissenschaft und der Forschung und gleichzeitig des Erlebens und Entdeckens.“

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank hat heute gemeinsam mit dem Senator für Kultur und Medien, Dr. Carsten Brosda, Prof. Dr. Robi Banerjee, Geschäftsführender Direktor der Hamburger Sternwarte, und dem Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi den Großen Refraktor der Hamburger Sternwarte feierlich wiedereröffnet.

In zwei Teilbaumaßnahmen wurden seit September 2017 unter anderem Fenster, Außenfassade, Mauerwerk und Verwaltungsgebäude erfolgreich restauriert sowie der Kuppelbau „Großer Refraktor“ inklusive Spaltverschlüssen und Haustechnik erneuert. Ziel war eine denkmalgerechte Sanierung, die den Refraktor zudem barrierefrei der Öffentlichkeit zugänglich macht. Die Gesamtkosten der Modernisierung belaufen sich auf rund 3,2 Millionen Euro, wovon der Bund knapp zwei und die Freie und Hansestadt Hamburg rund 1,2 Millionen Euro übernommen hat.

Prof. Dr. Robi Banerjee, Geschäftsführender Direktor der Hamburger Sternwarte: „Ich freue mich sehr, dass nach jahrelangem Ringen um die Finanzierung und einer äußerst intensiven Bauzeit dieses besondere Teleskopgebäude nun endlich wiederhergestellt und damit die Bleibe des wertvollen Großen Refraktors gerettet ist!“

Über die Hamburger Sternwarte

 Die Grobbewegung des tonnenschweren Teleskops funktioniert durch Schwenken von Hand. Untergebracht ist der Große Refraktor in einem großen Kuppelgebäude: Der Rundbau mit dem Refraktor im Zentrum ist mit einer drehbaren Kuppel von 13 Meter Durchmesser überdacht, die geöffnet werden kann. Der Fußboden um den Refraktor ist höhenverstellbar. Dazu wurde in Bergedorf die erste derartige Hebebühne Europas eingebaut.

1968 wurde die Sternwarte als Institut in den Fachbereich Physik der Universität Hamburg integriert und ist seitdem gleichermaßen der akademischen Lehre als auch der astronomischen Forschung verpflichtet. In der Sternwarte wird mittels hochwertiger Linsenfernrohre und Spiegelteleskope sowohl astronomische als auch astrophysikalische Forschung betrieben. Zudem hat sie sich mit dem 2011 eröffneten Besucherzentrum, in dem Vortragsreihen und Informationsabende stattfinden und sich ein Café befindet, zu einem attraktiven Ort auch für die breitere Öffentlichkeit entwickelt. Seit 1996 steht das Ensemble der neobarocken Gebäude samt seiner Originalausstattung – einer Reihe wertvoller Teleskope und anderer teilweise noch aus der Gründerzeit gut erhaltener optischer Instrumente – sowie der technischen Details unter Denkmalschutz. 2008 wurde die Hamburger Sternwarte in Bergedorf als Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung anerkannt.

Mehr Infos unter: www.hs.uni-hamburg.de und www.sommerdeswissens.de

 

 

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