Eine Zeitreise durch die Geschichte der SuedKultur Music-Night

Der Funke im Süden

Die niederländische Band "Monsieur Dubois" sorgte im einstigen "Jazzclub im Stellwerk" nicht nur für volles Haus sondern tanzbaren Jazz. (Foto: Archiv)

Am 11. Oktober 2025 geht die SuedKultur Music-Night in ihr 15. Jahr. Grund genug, mal in die Archive zu steigen …

Auch Feuilletonist*innen lieben die großen Bühnen, die hellen Lichter und die Namen, die die Massen anlocken. Doch wahre Geschichten, die das Herz eines Stadtteils ausmachen, finden sich oft im Verborgenen, in Archiven, die von einem kleinen, aber energiegeladenen Funken erzählen, der zu einem lodernden Feuer wurde. Die Geschichte der SuedKultur Music-Night ist eine solche Erzählung, die nicht auf der Reeperbahn begann, sondern im Hamburger Süden, als mutige Macher*innen die kulturelle Landkarte neu zeichneten.

Kapitel 1: Der Funke im Süden

Es war das Jahr 2006, als sich eine lose Gruppe von Kulturschaffenden im Süden Hamburgs zusammenfand. Sie waren Künstler*innen, Clubbetreiber*innen, Idealist*innen. Ihre Erkenntnis: Das kulturelle Leben im Süden existierte, doch es wurde kaum wahrgenommen. „Hier ist eh nix los – lass mal gleich auf die Reeperbahn“, so beschrieb Heiko Langanke vom seinerzeitigen „Jazzclub im Stellwerk“ in einem Rückblick die damals gängige Denkweise. Dieser Zustand war unhaltbar. Die Idee einer „Leistungsschau“ reifte, die, wie Langanke frei zugab, von der „Langen Nacht der Clubs“ abgekupfert war. Doch im Gegensatz zum Vorbild im Hamburger Zentrum, das an hohen Kosten für Bus und Bahn krankte, hatte Harburg einen entscheidenden Vorteil: „Hier liegt alles zentral, die einzelnen Spielorte sind fußläufig zu erreichen.“

Es schien aber auch allen an der Zeit die Harburger Musikszene zu beleben, die in den 2000er-Jahren als eher bescheiden galt. Clubs wie das „Consortium“ hatten geschlossen, und das lange Jahre legendäre Außenmühlenfest fiel aus. Die Music-Night sollte hier entgegenwirken und zeigen, dass Harburg das Potenzial für eine lebendige Musikszene hat. Das Konzept, bei dem die Locations fußläufig erreichbar sind, lädt die Menschen ein, den Stadtteil zu entdecken und zu feiern.

Die Idee stand, doch das Konzept brauchte Substanz und – vor allem – finanzielle Unterstützung. Eine entscheidende Wende kam, als Jörn Hansen vom Rieckhof den Vorstandsvorsitzenden der Eisenbahn-Bauverein eG Harburg, Joachim Bode, ansprach. Bode war sofort begeistert. „Wir sind ein lokaler Anbieter“, so zitierte eine Pressemitteilung vom 18. August 2011 den Vorstand, der betonte, die Music-Night als „Hamburger Ereignis“ zu sehen. Mit dem Eisenbahn-Bauverein Harburg war ein „solides, solidarisches Engagement“ gesichert, das bis heute anhält. Der Funke war entzündet.

Kapitel 2: Ein pulsierender Kern

Am Samstag, den 8. Oktober 2011, war es so weit. Die erste SuedKultur Music-Night lockte mit einem geradezu sensationell günstigen Eintrittspreis von drei Euro die ersten Besucher*innen an. Neun Orte, von der Stumpfen Ecke in der Rieckhoffstraße über den Jazzclub im Stellwerk bis hin zu Maria’s Ballroom, öffneten ihre Türen. Ein besonderes Kuriosum war die Technische Universität Harburg (TUHH), die dem Rieckhof „Asyl“ gewährte, da dieser wegen Sanierungsarbeiten nicht bespielbar war. „Es wäre auch eine Katastrophe gewesen, wenn wir als Mitinitiator und Veranstaltungszentrum nicht dabei gewesen wären“, betonte Jörn Hansen. Es war eine Nacht des Aufbruchs und des Austauschs, bei der Harburger*innen ihre abwechslungsreiche und breite Musik- und Club-Szene feierten.

Die Music-Night wuchs. Im zweiten Jahr lag der Eintritt bei fünf Euro, es gab elf Locations und 20 Bands. Immer wieder wurden neue Orte erschlossen: die Kulturwerkstatt Harburg am Kanalplatz, das Festzelt am damaligen Beachclub „Veritas Beach“ oder die Fischhalle Harburg. Die Presse sprach von „tausenden Musikfans“, die die Stadt rockten, jazzen und jammten. Die Music-Night war nicht mehr nur ein Experiment, sondern eine feste Größe.

Kapitel 3: Wachstum und neue Horizonte

Mit jedem Jahr wuchs die Initiative und erreichte 2016 mit über 16 Clubs und über 30 Gigs einen neuen Rekord. Das Event dehnte sich über das Harburger Zentrum hinaus aus und nahm auch das „Donnerwetter“ in Neugraben und die Kulturbühne Finkenwerder in seine musikalische Umarmung auf. Die SuedKultur Music-Night bewies, dass die Musikszene im Süden nicht nur vital, sondern auch vernetzt war.

Dieser Wachstumstrend setzte sich fort. Die neunte Music-Night im Jahr 2019 wartete bereits mit 16 Clubs und über 40 Acts auf. „Hat Harburg überhaupt das Potenzial für eine echte Music-Night?“, fragte das Hamburger Abendblatt damals, um die Frage gleich selbst zu beantworten. Die Antwort war ein donnerndes Ja. Das Spektrum reichte von Klezmer in der Auferstehungskirche Marmstorf bis hin zu Psychedelic Rock im „Millimeterklub“. Der Eisenbahn-Bauverein war von Anbeginn ein „treuer Unterstützer“, ohne den der Erfolg der Veranstaltung kaum denkbar gewesen wäre.

Und: die Music-Night war die musikalische Blaupause weiterer SuedKultur-Aktionen wie die 2015 erstmals ins Leben gerufenen SuedLese-Literaturtage und der 2019 gegründeten Kunstleihe Harburg.

Kapitel 4: Ein „Fight for live!“ und die Corona-Jahre

Dann kam die Zäsur. Die Corona-Pandemie drohte, die liebgewonnene Tradition zunichtezumachen. Doch die Macher*innen der SuedKultur wären nicht sie selbst, hätten sie nicht eine Lösung gefunden. Aus der Notwendigkeit entstand im Jahr 2020 das Motto „Fight for live!“ und ein ungewöhnlicher „Heißer Harburger Musik-Herbst“. Die Music-Night fand nicht in vollen, engen Clubs statt, sondern in einer Kooperation von The Old Dubliner, dem Kulturcafé Komm du und Marias Ballroom, die mit Unterstützung der Hamburger Behörde für Kultur und Medien Outdoor-Konzerte ermöglichten. „Live ist eben immer noch das Geilste!“, betonte Heimo Rademaker, Sprecher der Initiative und Inhaber von Marias Ballroom, und zeigte damit die ungebrochene Leidenschaft und den Überlebenswillen der Szene.

Kapitel 5: Die Tradition lebt

Die Jahre 2022 und 2023 sahen die Rückkehr der gewohnten Form. Trotz wirtschaftlicher Krisen und Zurückhaltung des Publikums blieben die Clubs am Leben. 2022 luden 14 Locations und über 30 Acts zum 12. Jubiläum ein. 2023, beim 13. Event, waren es bereits 13 Clubs und 35 Acts. Das Netzwerk SuedKultur nutzte die Music-Night weiterhin als das, was sie von Anbeginn war: ein „erstes Gemeinschaftsprojekt“, das die Kultur im Süden stärken sollte. Und die Kontinuität des Erfolgs ist nicht nur dem Engagement der Organisator*innen zu verdanken, sondern auch der unermüdlichen Unterstützung des Eisenbahn-Bauvereins, der das Event „in all den Jahren und jetzt erst recht finanziell möglich macht“, so Rademaker.

Beharrlichkeit und Leidenschaft

Die Geschichte der SuedKultur Music-Night ist eine von Beharrlichkeit und Leidenschaft. Was einst mit einem symbolischen Eintritt von drei Euro und neun Orten begann, ist heute eine Institution, die die kulturelle Identität Harburgs prägt. Es ist eine Geschichte von Menschen wie Heiko Langanke, Jörn Hansen und Heimo Rademaker, die die Vision von einer pulsierenden Musikszene im Süden hatten. Eine Geschichte, die nicht in einem Archiv verstaubt, sondern jedes Jahr aufs Neue in den Clubs, Kneipen und Veranstaltungsorten von Harburg lebendig wird. Sie ist die Einladung an alle, die Nachbarschaft für sich zu entdecken – und das in der Sprache, die jede*r versteht: der Musik.

Im Laufe der Jahre nahmen an der SuedKultur Music-Night folgende Locations teil:

Akademie für Musik und Kultur | Alles wird schön e.V. | Auferstehungskirche Marmstorf | Café Che | Café kleiner Ozean/Wohnschiff „Stadersand“ | Central | Contemporary Art Gallery „Mytoro“ | contrazt e.V./Nachbarschaftstreff Heimfeld | Deichdiele | Dreifalt | Festzelt des Veritas Beach | Fischhalle Harburg | Gloria-Tunnel (Kulturwohnzimmer e.V.) | Goethe-Schule Harburg (Jugendmusikschule HH-Süd) | Goldener Engel | Harburg Marketing | Inselklause | Klangfabrik Harburg | Kneipe Bla Bla | KulturWerkstatt Harburg | Kulturcafé Komm du | Kulturbühne Finkenwerder | Kulturpalast-Saal an der Rieckhoffstraße | Maria’s Ballroom | Millimeter Klub | „Musik im Gespräch“ | Old Dubliner | Pauluskirche Heimfeld | Rieckhof | Speicher am Kaufhauskanal | (Jazzclub im) Stellwerk | TUHH | Weltladen Harburg | Zur Stumpfen Ecke

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