Jury entschied über Wettbewerb zur Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals

Diskurs zur Dekolonisierung

Foto: Falco / Pixabay

Eine unabhängige Jury hat diese Woche über die Entwürfe zur Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals im Alten Elbpark beraten und entschieden.

Sie hat einstimmig entschieden, die Preisgelder als Aufwandsentschädigung zu gleichen Teilen an die acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zweiten Runde des Wettbewerbs zu vergeben. Sie empfiehlt, in einem aufbauenden nächsten Verfahrensschritt, den Schwerpunkt auf Vermittlung und gesellschaftlichen Diskurs zu verlagern. Der Prozess zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Denkmal und zur künstlerischen Kontextualisierung wurde angestoßen, nachdem es aus der Zivilgesellschaft Proteste gegen die unreflektierte Sanierung des Denkmals und die mangelnde Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit Hamburgs gegeben hatte.

Die Behörde für Kultur und Medien hatte 2021 mehrere Workshops veranstaltet, in denen sie Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland eingeladen hatte, sich mit der historischen Bedeutung Bismarcks, insbesondere seiner Rolle im deutschen Kolonialismus, auseinanderzusetzen und Vorschläge für einen angemessenen Umgang mit dem Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark zu diskutieren. Im August 2022 startete in Kooperation mit der Stiftung Historische Museen Hamburg ein offener internationaler Ideenwettbewerb zur Kontextualisierung des Denkmals. Personen aus Kunst, Architektur und Zivilgesellschaft waren aufgerufen, Denk- und Gestaltungsansätze zu entwickeln, wie die komplexen Bezüge des Denkmals zu Kolonialismus, Nationalsozialismus, Diskriminierung und Fragen der sozialen Gerechtigkeit sichtbar gemacht werden können und dazu angeregt wird, sich mit der Geschichte zu befassen. Ziel des Wettbewerbes war es, künstlerische Ideen für eine kritische und aktuelle Auseinandersetzung mit dem Denkmal zu ermitteln und bisher wenig beachteten Perspektiven auf das historische Standbild Raum zu geben. Eine 13-köpfige unabhängige Fachjury, bestehend aus Expertinnen und Experten aus Kunst, Kultur und Wissenschaft, darunter Vertreterinnen und Vertreter diasporisch-migrantischer Initiativen, die sich seit langem kritisch mit Hamburgs kolonialer Vergangenheit auseinandersetzen, hat sich intensiv mit den eingereichten Vorschlägen befasst. Das Wettbewerbsverfahren hatte zwei Phasen: Im ersten Schritt konnten alle Interessierten Ideen entwickeln und kurze Konzeptskizzen einreichen. Aus den 76 eingereichten Entwürfen hat die unabhängige Jury acht ausgewählt und ihre Urheber und Urheberinnen aufgefordert, eine differenzierte Ausarbeitung für eine zweite Wettbewerbsrunde einzureichen.

Die Entscheidung der Jury im Wortlaut:

„Die Jury hat bei ihrer dritten Sitzung am 5. Juli 2023 entschieden, die Preisgelder als Aufwandsentschädigung auf die acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zweiten Runde zu gleichen Teilen aufzusplitten. Als Ergebnis eines intensiven Beratungsprozesses würdigt die Jury die Vielseitigkeit und Kreativität der Ideenentwürfe.

In der ausführlichen Auseinandersetzung mit den Wettbewerbsbeiträgen kam die Jury zur Auffassung, dass durch eine einzelne künstlerische Intervention die Aufgabe in ihrer Komplexität und mit all ihren Facetten nicht erfüllt wurde.

Zudem machte der Wettbewerbsprozess deutlich, dass auch die topographischen Gegebenheiten besonders schwierige Herausforderungen darstellen.

Die Jury empfiehlt in einem aufbauenden nächsten Verfahrensschritt den Schwerpunkt auf Vermittlung und gesellschaftlichen Diskurs zu verlagern, um die zwingend notwendige Kontextualisierung des Ortes darstellbar zu machen.“

Alle für das Wettbewerbsverfahren eingereichten Entwürfe werden der Öffentlichkeit ab dem 26. Juli 2023 für einen Zeitraum von rund drei Wochen in einer Präsentation im Museum für Hamburgische Geschichte vorgestellt.

Prof. Dr. Christina Weiss, Vorsitzende der Jury und Staatsministerin für Kultur und Medien a. D. und ehemalige Kultursenatorin in Hamburg: „Ich danke der Jury für die intensiven Debatten, die dem Prozess einen wichtigen weiterführenden Erkenntnisgewinn gebracht haben. Es ist deutlich geworden, dass in den nächsten Schritten ein Fokuswechsel notwendig ist, der die Vermittlung und den gesellschaftlichen Diskurs stärker in den Mittelpunkt stellt.“

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Ich danke allen, die sich mit dem Bismarck-Denkmal künstlerisch auseinandergesetzt haben. Dass die Jury nach intensiven Beratungen feststellen musste, dass die eingereichten Arbeiten der Komplexität und Vielschichtigkeit der Aufgabe nicht gerecht werden konnten, ist natürlich bedauerlich. Zugleich aber ist dieser weitere Schritt des Diskussionsprozesses sehr wertvoll und wird mit der Ausstellung der eingereichten Arbeiten einen zusätzlichen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Denkmal leisten. Ich begrüße das einstimmige Votum der Jury, das den Fokus stärker auf Vermittlung und Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit lenkt. Das werden wir bei der weiteren Erarbeitung eines postkolonialen Erinnerungskonzepts und den Projekten der Stiftung Historische Museen Hamburg zur Dekolonisierung Hamburgs berücksichtigen und entsprechende Vorschläge entwickeln.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Czech, Direktor und Vorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg: „Die vielseitigen Einreichungen zum internationalen Wettbewerb verdienen weithin großen Respekt für die entwickelten Ideen zu einem möglichen Umgang mit dem monumentalen Bismarck-Denkmal. Sie machen auch nochmals die Bedeutung und die Komplexität des von verschiedenen Gruppen und Institutionen der Stadt angestoßenen Prozesses der Auseinandersetzung mit den vielfältigen Verflechtungen der Hamburger Stadtgeschichte mit dem Kolonialismus und der Diskussion über geeignete post- und dekoloniale Formen des Erinnerns und Gedenkens deutlich. Die Stiftung Historische Museen Hamburg wird alle Einreichungen ab 26. Juli im Museum für Hamburgische Geschichte in unmittelbarer Nähe zum Bismarck-Denkmal für einen Zeitraum von rund drei Wochen für die breite Öffentlichkeit zugänglich machen.“

Stimmberechtigte Mitglieder des Preisgerichts waren (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Hans-Jörg Czech (Direktor und Vorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg)
  • Zandile Darko (Beirat zur Dekolonisierung Hamburgs)
  • Gabriele Dolff-Bonekämper (Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin, Technische Universität Berlin
  • Detlef Garbe (ehem. Leiter Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen)
  • Kodjo Valentin Gläser (ISD Bund e. V. – Initiative Schwarze Menschen in Deutschland)
  • Julia Grosse, Mitgründerin und künstlerische Leiterin der Plattform Contemporary And, Berlin
  • Anna Joss, Leiterin des Denkmalschutzamts der Freien und Hansestadt Hamburg
  • Flower Manase (Kuratorin für Geschichte des National Museum of Tanzania)
  • Bisrat Negassi (M.Bassy, Hamburg)
  • Eliphas Nyamogo (Redaktionsleitung „Zeitgeister“, Goethe-Institut)
  • Jan Philipp Reemtsma (Literaturwissenschaftler, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, Hamburger Institut für Sozialforschung, Arno Schmidt Stiftung, Hamburg)
  • Christina Weiss (Vorsitz des Preisgerichts | Staatsministerin für Kultur und Medien a. D. und Publizistin, Berlin)
  • Jürgen Zimmerer (Universität Hamburg, Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die (frühe) Globalisierung)

Der Wettbewerb zur Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals im Alten Elbpark ist Teil der „Hamburg dekolonisieren! Initiative zur Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe der Stadt“, einem Projekt der Stiftung Historische Museen Hamburg in Kooperation mit und gefördert von der Behörde für Kultur und Medien Hamburg. Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes. Die Kulturstiftung des Bundes wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

 

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