Eine Untersuchung des Kulturmanagement Networks:

Online Geld verdienen?

Foto: Luidmila Kot / Pixabay

Coronoa und Online sind bald zwei unzertrennliche Begriffe geworden. Aber lässt sich damit Geld verdienen? Ein Beitrag des Netzwerks Kulturmanagement.

Von Kristin Oswald

So wunderbar es auch ist, dass die Online-Aktivität und die Follower*innenzahlen vieler Kulturbetriebe in den letzten Wochen gestiegen sind – Geld verdienen sie damit bisher meist nicht und können somit ihre coronabedingten Ausfälle nicht ausgleichen. Doch es ist durchaus möglich, digitale Kulturangebote zu monetarisieren.

Der (Hoch-)Kulturbereich steht aktuell an einem Punkt, an dem der Journalismus oder der kommerzielle Musikbereich bereits vor einigen Jahren standen und mitunter noch immer stehen: Es gibt zwar eine Fülle an digitalen Möglichkeiten, dennoch überträgt man erst einmal die altbekannten Formate ins Netz. Denn was offline funktioniert hat, kann auch online nicht falsch sein, richtig? Nun, die Entwicklungen der letzten Jahre haben immer wieder gezeigt, dass das so nicht stimmt. Die Schwierigkeit ist also, das Verhalten und die Erwartungen der Nutzer*innen online zu kennen und ihnen zu entsprechen.

Geht es um‘s Geld verdienen, kommt noch eine Hürde hinzu: Gerade im klassischen Kulturbereich spielen unternehmerisches Denken und die Entwicklung neuer Erlösmodelle sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis kaum eine Rolle, wie etwa Auswertungen der in Kultur-Stellenanzeigen geforderten Kompetenzen zeigen. Und auch die vielen und durchaus schönen institutionellen Online-Formate, die während der Coronakrise entstanden, zeigen nur wenig Innovationsgeist und sind meist kostenlos. Überraschenderweise waren sie oft nicht einmal mit Spendenaufrufen verbunden. Die freie Szene war diesbezüglich deutlich aktiver, die finanzielle Not wohl häufig größer.

Ich vermute, dass noch ein zweiter Aspekt hinzukommt: Für viele Kulturschaffende kann das Digitale das Analoge noch immer nicht ersetzen. Die damit verbundene Skepsis bzw. Geringschätzung wird auch auf die Besucher*innen übertragen und angenommen, dass diese nicht bereit sind, für digitale Kulturangebote zu bezahlen. Dabei gibt es bereits zahlreiche Formate, die das Gegenteil beweisen. Nur stammen sie zum großen Teil von wirtschaftlich agierenden Kulturunternehmen, können aber auf den öffentlichen Kulturbereich übertragen werden.

Streaming

Livestreams und on-Demand-Angebote von Kultureinrichtungen fast aller Sparten boomen seit Corona. Inzwischen ist es für das Publikum unmöglich geworden, sich alles anzuschauen. Wonach die Zuschauer*innen also auswählen, bleibt erst einmal unklar. Zumindest zeigt aber eine kleine, nicht-repräsentative Umfrage von Rainer Glaap unter ca. 300 großteils theateraffinen Teilnehmer*innen, dass diese zwar deutlich mehr Streams nutzen als vor Corona, fast die Hälfte aber keine davon zu Ende schaut. Immerhin 53% waren dennoch bereit, dafür Geld auszugeben, im Durchschnitt bis zu 5 Euro. Was erst einmal nicht viel klingt, kann bei guten Nutzer*innenzahlen aber dennoch einen Anteil zum Einnahmenausgleich oder in Zukunft zu mehr Einnahmen beitragen. Geld ist Geld.

Doch wenn selbst kulturaffine Menschen kaum Streams zu Ende schauen, braucht es dringend spezielle und onlinetaugliche Formate und Erlösmodelle. Mit Netflix, Audible & Co. gibt es bereits kommerzielle Anbieter, die etwa mit mutigem seriellen Erzählen oder der Möglichkeit zum zeitgestuften Hören sehr erfolgreich sind. Auch in Deutschland versuchen sich einzelne Künstler*innen und Einrichtungen an solchen Darstellungsweisen, bisher aber kostenlos. So liest beispielsweise das Ensemble des Deutschen Theaters Berlin jeden Tag ein Kapitel aus „Decamerone“, der Schauspieler Sven Walser trägt täglich für das Hamburger Ernst-Deutsch-Theater ein Stück aus dem „Zauberberg“ von Thomas Mann vor und manche Autor*innen präsentieren ihre eigenen Werke seriell auf Facebook oder Instagram.

Modelle – Einmal, Abos & Freemium

Die Frage, welches Erlösmodell eine Kultureinrichtung für ihre digitalen Angebote wählt, ist wie für analoge Formate entscheidend und nicht leicht zu beantworten. Der Bereich des Journalismus hat beispielsweise gezeigt, dass eine schlichte Übertragung analoger Erlösmodelle nicht funktioniert. So sind die digitalen Abonnementzahlen der meisten Zeitungen deutlich niedriger als für die Druckausgaben. Der Grund: Viele Menschen wollen sich online nicht auf einen Anbieter festlegen. Einmalpreise oder Kooperationen sollten also unbedingt durchdacht werden. Spotify, Disney+ oder Audible zeigen aber auch, dass Abo- oder Freemiummodelle dennoch ihren Reiz haben, wenn sie einen deutlichen Mehrwert für die Nutzer*innen liefern.

Oft zu hören ist zwar das Argument, digitale Angebote öffentlicher Kultureinrichtungen sollten kostenfrei sein, weil sie der Allgemeinheit zugutekommen. Doch müsste das dann nicht auch für analoge Angebote gelten? Hier zeigen Studien jedoch immer wieder, dass Eintritt keine der Top-Besuchshürden ist. Warum sollte er das für digitale Angebote sein? Grundlage jeder Preispolitik ist das Prinzip der künstlichen Verknappung bzw. des beschränkten Zugangs. Kostenpflichtig demnach können auch online nur seltene, spezielle oder begrenzte Angebote sein. Da hier jedoch das Liveerlebnis fehlt, braucht es andere Attraktivitätsfaktoren – oder günstigere Preise.

Einmalpreise

Im Bereich der Einmalpreise gehen aktuell vor allem die Darstellenden Künste erste Schritte. Die K-Pop-Band Super M machte das kürzlich im Großformat vor: Sie verkaufte 75.000 Tickets für ein Online-Konzert zum Durchschnittspreis von 30 Dollar. Im Vergleich zu normalen Konzerttickets der Band ist das ein Schnäppchen und für die Fans auch gerade deshalb attraktiv. Sieht man eine Aufführung sonst von den hinteren Sitzplätzen mitunter kaum mehr als schemenhaft, kann man den Künstler*innen bei einem Online-Konzert deutlich näher sein. Und diese Nähe ist dann vielleicht genau das Argument für ein kostenpflichtiges Ticket.

Auch die Beteiligung des Publikums an den coronabedingten Solidaritätskampagnen zeigt, dass durchaus eine Zahlungsbereitschaft besteht, die künftig ausgebaut werden kann. Daran versuchen sich aktuell erste einzelne Künstler*innen, etwa das Violinen-Duo Twiolins. Dieses veranstaltet im Mai und Juni vier Streaming-Konzerte. Die regulären Tickets kosten 10 Euro, spezielle und teurere Supportertickets werden ebenfalls angeboten. In der Sparte Kleinkunst streamen etwa die zwei Zauberkünstler Jan Logemann und Lucas Kaminski seit März unter dem Titel „savetheart“ Aufführungen mit Hamburger Künstler*innen. Die Tickets kosten 9,90 Euro pro Show.

Neben Eventbrite sind in den letzten Monaten weitere Ticketanbieter speziell für Livestreams entstanden, etwa Streamtick oder Snaptickets. Und auch Facebook verkündete kürzlich, demnächst eine Bezahloption für Livestreams einführen zu wollen.

Für Theater sind bei Einmalpreisen neben klassischen Aufführungen beispielsweise begleitete Formate denkbar, etwa Chats oder Fragerunden mit den Künstler*innen oder Mitarbeiter*innen. Auch für Museen und andere Kultureinrichtungen stellt sich die Frage, ob spezielle Führungen, Blicke hinter die Kulissen oder Formen der Vermittlung digitalisiert und monetarisiert werden können, wenn der Zutritt verknappt und das Erlebnis persönlicher gestaltet wird, die Teilnehmer*innen und ihre Interessen beispielsweise aktiv eingebunden werden. Mit einer übersichtlichen Teilnehmer*innen-Zahl ist es dabei deutlich einfacher möglich, auf individuelle Fragen einzugehen.

Sehr erfolgreich hat sich in den letzten Wochen der Bereich Film gezeigt, auch unabhängig von den großen Streaminganbietern. So wurde beispielsweise das Dokfest München, das eigentlich jedes Jahr im Mai live stattfindet, komplett ins Digitale verlagert, inklusive Talks und Chats mit den Künstler*innen. Die Preise lagen bei 55 Euro für den Festivalpass und 5 Euro für einen Einzelfilm. Mit 75.000 Zuschauer*innen waren die Zahlen dabei deutlich höher als die der letzten Jahre. Zudem konnte ein überregionales Publikum erreicht werden, das bisher nicht dafür nach München gefahren ist oder das Dokfest noch gar nicht kannte.

 Abonnements

Wenn man überhaupt von einem Standardmodell für digitale Kulturangebote sprechen kann, dann ist es wohl das Abo. So bieten beispielsweise die Berliner Philharmoniker mit der Digital Concert Hall oder die Wiener Staatsoper mit Staatsoper live kostenpflichte Streaming- und on-Demand-Angebote an. Obwohl beide Häuser über einen großen Kund*innenstamm verfügen, ist zumindest die Digital Concert Hall nicht kostendeckend – trotz 30.000 Nutzer*innen reichen hier knapp 15 Euro monatlicher Abopreis also nicht aus, den technischen und kreativen Aufwand zu decken. Das gilt im Übrigen auch für Netflix, obwohl die Einnahmen des Unternehmens in den letzten Jahren stark gestiegen sind.

Beide Beispiele zeigen demnach auch, wie schwierig es finanziell sein kann, eine eigene Plattform zu betreiben. Die größeren Streaminganbieter, für Hörbücher etwa Audible, Audioteka, Bookbeat oder Nextory, für Klassik beispielsweise Idagio, sind nur dann profitabel, wenn sie die Produktionen verschiedener Künstler*innen vereinen und eigene, exklusive Inhalte mit solchen verbinden, die auch bei anderen zu finden sind. Sie zeichnen zudem durch gestufte Preismodelle aus, beispielsweise für verschiedene Geräteanzahlen und Nutzer*innen-Unterkonten. Gerade die Hörbuch-Anbieter beschränken zudem die Nutzungszeit bzw. Anzahl. Das funktioniert, weil Hörbuch das Segment im deutschen Buchmarkt ist, das jährlich hohe Wachstumsraten aufweist. Die Ausgabe des Digital Publishing Report zum Hörbuchmarkt verweist zudem darauf, dass große Überschneidungen zwischen den Nutzer*innen der Abo-Streaming-Formate der verschiedenen Sparten bestehen und damit auch für serielles Kulturstreaming im Allgemeinen. Dabei ist die Zielgruppe ca. zwischen Mitte 30 und Mitte 40 – also genau jene, die Kultur außer Haus sonst eher wenig genießen.

Wie kooperative Plattformen funktionieren können, zeigt die noch junge, spartenübergreifende Berner Plattform Spectyou. Dort können Theaterschaffende, Tänzer*innen, Performer*innen Aufführungen hochladen. Das Ansehen ist kostenpflichtig, aber sehr günstig: Das erste Halbjahr kostet 5 Euro. Die technischen Kosten trägt die Plattform selbst. Ähnliche Ansätze sind auch zwischen Einrichtungen und/oder Künstler*innen denkbar, die sich damit die Kosten teilen und zugleich ein größeres Publikum ansprechen könnten.

Noch eine weitere Entwicklung ist spannend für Kultureinrichtungen, die sich auch im Audiobereich bewegen: Amazon bietet für Anwendungen auf seinem Smart-Speaker Alexa inzwischen ebenfalls bezahlpflichtige Abos an. Kulturbetriebe, die sich mit Amazons AGBs anfreunden können, müssen sich hier nicht einmal selbst um die Technik kümmern.

Freemium

Freemium-Modelle sind für alle die spannend, die nicht ganz auf kostenlose digitale Angebote verzichten, aber auch Geld damit verdienen möchten. Der Begriff setzt sich auf free und premium zusammen und beschreibt eine Mischform aus kostenfreien Basisangeboten und erweiterten/speziellen kostenpflichtigen Formaten. Zeitungsverlage bieten etwa eine bestimmte Anzahl kostenfreier Artikel im Monat an und ein Abo- oder Preismodell, wenn man mehr lesen möchte. Auch die Digital Concert Hall ist ein Freemium-Angebot, bei dem man mit einer kostenlosen Registrierung Zugang zu Interviews, Filmen des Education-Programms und einer Konzertaufzeichnung bekommt. Bei einem Ticket oder Abonnement kommen dann die Live-Übertragungen und Videos hinzu.

In anderen Kultursparten wäre Freemium beispielsweise im Kontext der individuellen Führungen möglich. Möchten die Teilnehmer*innen live daran teilnehmen und mit Künstler*innen oder Mitarbeiter*innen ins Gespräch kommen, kostet dies Geld. Die Aufzeichnung auf Youtube usw. hingegen könnte kostenfrei bleiben.

Neue Formate

Alle angesprochenen Angebote entstammen weitgehend dem klassischen Formatspektrum der Kultureinrichtungen. Doch online ist der Ort für neue Ideen und Experimente. Eine Beschäftigung mit erfolgreichen Plattformen und deren Kund*innen auch aus anderen Kultursparten sowie eine Befragung der eigenen Besucher*innen kann dabei sehr erhellend sein, um herauszufinden, was ihnen Geld wert wäre.

Gerade in den letzten Wochen ist beispielsweise die Anerkennung für digitale Seminare, Kurse usw. deutlich gestiegen. Deshalb könnte das Thema Weiterbildung ein spannender Ansatz sein. Die meisten Kultureinrichtungen fokussieren ihre Vermittlungsformate auf das Lernen zu ihrem Thema. Doch sie könnten auch anhand ihrer Expertise handfeste Kompetenzen vermitteln – online und gegen Geld. Beispiele hierfür wären etwa Präsentations- oder Recherchekompetenzen, Fachwissen für bestimmte Berufsgruppen oder Kunst- und Musikstunden. Auch der Bereich Konferenzen beschreitet hier erste Wege. So veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen im Juni eine kostenpflichtige Tagung.

Ein spannendes Beispiel ist auch das Chocoversum Schokoladenmuseum in Hamburg. Dieses verbindet mit dem „Digital Chocolate Tasting“ analoge und digitale Formate: Wer die Schokolade live mitverkosten wollte, konnte sich dafür ein Tasting-Paket bestellen.

Schließlich kann auch ein neuer Kanal zu neuen Formaten anregen. Viel Potenzial für den Kulturbereich bietet beispielsweise Twitch. Die eigentlich für Let’s Plays und Gaming entwickelte Plattform wird inzwischen auch von zahlreichen Anbietern von außerhalb der Gamingbranche genutzt, etwa vom Erfurter Club Engelsburg. Twitch ist speziell auf Livestreams und die Interaktion mit dem Publikum ausgerichtet. Zwar sind diese nicht kostenpflichtig, Twitch bietet Kanalinhaber*innen aber zahlreiche Vergütungsoptionen. Zu diesen gehören zahlungspflichtige Abonnements, bei denen die Abonnent*innen spezielle Formate und Benefits bekommen, und eine eigene Währung, die Fans für die Streamer*innen ausgeben können. Auch die Werbeeinnahmen sind bei Twitch deutlich höher als etwa bei Youtube. Und schließlich gehören Spenden fest zur Kultur der Plattform. Zentral sind hierbei stets Spaß, Community und Interaktivität. Ein reines Aussenden von Inhalten genügt also nicht. 

Fazit

Für Kultureinrichtungen bieten sich zahlreiche Wege, online Geld zu verdienen, aber bisher werden nur wenige genutzt. Gerade die Museen sind hier sehr zurückhaltend. Um mit digitalen Erlösmodellen erfolgreich zu sein, sind dabei zwei Aspekte entscheidend: Sie sollten kostendeckend und an den Wünschen der Nutzer*innen ausgerichtet sein bzw. diesen einen konkreten Mehrwert liefern. Zudem kann es hilfreich sein, die Kosten für digitale Angebote transparent zu machen, um das Verständnis dafür zu steigern.

Sollte sich eine Kultureinrichtung grundsätzlich dagegen entscheiden, spricht aber zumindest nichts gegen Spendenaufrufe, wie die zahlreichen Solidaritätskampagnen in den letzten Monaten gezeigt haben. Das Supporterticket der Kölner Streamingplattform dringeblieben hat inzwischen etwa beinahe 250.000 Euro Spenden für die Kölner Kulturszene gebracht. Und mit Patreon gibt es bereits seit einigen Jahre eine Plattform für Kulturmäzene, die ihre Lieblings-Podcaster*innen, Musiker*innen und andere Künstler*innen unterstützen wollen. Patreon hat seit Januar 2020 auch einen Sitz in Berlin. Auch über Paypal lassen sich Spenden relativ einfach einnehmen und verwalten. Probieren Sie es einfach aus.

Quelle: www.kulturmanagement.net

 

Zur Autorin:

Kristin Oswald leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.

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