
Wie können Theater, Museen und Bibliotheken nicht nur überleben, sondern zu aktiven Gestalter*innen einer sich wandelnden Gesellschaft werden?
Von Anna Herbst
Die deutsche Kulturlandschaft befindet sich im Wandel. Nicht erst seit gestern, doch die Dringlichkeit, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen, wächst stetig. Das von der Kulturstiftung des Bundes initiierte Programm „Übermorgen – Neue Modelle für Kulturinstitutionen“ nimmt sich dieser Frage nach der Zukunft beherzt an. 50 Kulturinstitutionen bundesweit wurden ausgewählt, um zwischen Mai 2025 und Dezember 2026 innovative Konzepte zu entwickeln. Ziel ist es, diese Einrichtungen zu lebendigen Orten künstlerischen Schaffens und gesellschaftlicher Verständigung zu transformieren.
Katarzyna Wielga-Skolimowska, die Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, betont den Mut und die Offenheit der Institutionen: „In ihren Anträgen zeigen die Kulturinstitutionen und die Kommunen bundesweit großen Mut und große Offenheit. Theater, Bibliotheken und Museen, oft gemeinsam mit Kulturpolitik oder -verwaltung, beschäftigen sich trotz der angespannten Haushaltslage vieler Kommunen damit, wie sie in der Zukunft als relevante und offene, gemeinwohlorientierte Einrichtungen funktionieren können. Sie arbeiten dafür mit anderen Institutionen zusammen und nehmen auch die eigenen Strukturen unter die Lupe.“
Vielfalt als Stärke: Ein Spiegel der Kulturellen Landschaft
Die ausgewählten Institutionen könnten unterschiedlicher kaum sein – und genau das ist Programm. Von international renommierten Häusern bis zu tief in der Region verwurzelten Initiativen, von freien Trägern bis zu kommunalen Verbünden spiegelt sich die gesamte Bandbreite der deutschen Kulturlandschaft wider. Und auch die Lösungsansätze sind vielfältig:
- Theater experimentieren mit neuen Weiterbildungsformaten, um dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel zu begegnen, oder denken über die gemeinsame Nutzung von Werkstätten nach, um Ressourcen zu bündeln. Hier meldet sich beispielsweise Pınar Karabulut, designierte Co-Intendantin am Schauspielhaus Zürich und Jurymitglied des Programms, zu Wort: „Wir müssen uns von alten Hierarchien verabschieden und neue Formen der Zusammenarbeit finden. Theater kann ein Labor für gesellschaftlichen Wandel sein, wenn wir es zulassen.“
- Museen stellen ihre oft festgefahrene Ausstellungspraxis auf den Prüfstand und suchen den Schulterschluss über Landesgrenzen hinweg. „Wer sagt denn, dass ein Museum immer nur ein Ort der Bewahrung sein muss?“, provokant gefragt von Kurator Jan Boelen, ebenfalls Jurymitglied. „Museen können auch Orte der Auseinandersetzung, der Kontroverse, des Experiments sein.“
- Orchester wagen sich an neue Formen der Öffnung, verbinden internationale Vernetzung mit lokaler Verankerung, etwa durch Community-Music-Projekte. „Musik gehört allen!“, so die klare Ansage von Marie Østergård, Bibliotheksdirektorin der öffentlichen Bibliotheken von Aarhus/DOKK1 und Jurymitglied. „Wir müssen die Konzertsäle verlassen und die Menschen dort abholen, wo sie sind.“
Hamburg im Aufbruch: Lokale Antworten auf Globale Fragen
Auch Hamburg ist im „Übermorgen“-Programm vertreten. Gleich mehrere Institutionen der Hansestadt wurden für ihre zukunftsweisenden Ideen ausgezeichnet:
- Das Ensemble Resinanz
- Die Symphonker Hamburg
- Das Fundus Theater / Forschungstheater
Mehr als nur ein Förderprogramm
„Übermorgen“ ist mehr als nur ein finanzieller Zuschuss. Neben den 50.000 Euro Fördermitteln pro Institution bietet das Programm den Teilnehmenden eine Plattform für den Austausch untereinander, die Expertise von Fachleuten in den „Zukunftsforen“ und Inspirationsreisen in europäische Städte. Hier werden Best-Practice-Beispiele präsentiert, Modelle kritisch hinterfragt und Mut zur Veränderung gestärkt.
Mit einem Gesamtbudget von 4,6 Millionen Euro für die erste Phase ist „Übermorgen“ ein deutliches Signal: Die Kulturstiftung des Bundes nimmt die Zukunftsfragen des Kulturbetriebs ernst. Und wenn es nach den Verantwortlichen geht, soll es nicht bei dieser ersten Phase bleiben. Eine Fortsetzung des Programms ab 2027 ist durchaus denkbar, um ausgewählte Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die 50 geförderten Institutionen entwickeln werden. Eines ist jedoch sicher: Der Aufbruch hat begonnen. Die Kultur von „übermorgen“ wird anders sein als die von heute – vielfältiger, partizipativer, mutiger.
weiterführende Informationen: https://uebermorgen-programm.de/

