Buchtipp: Aladin El-Mafaalani - Das Integrationsparadox

Um so bunter, um so ärger

Eine integrative Gesellschaft ist keine harmonische. Aber das ist vielleicht auch ganz gut so ... (Foto: ernestoeslava / Pixabay)

Immer mehr und immer unterschiedlichere Menschen sitzen mit am Tisch und wollen ein Stück vom Kuchen. Wie kommt man eigentlich auf die Idee, dass es ausgerechnet jetzt harmonisch werden soll? Ein Buch klärt auf … 

Aladin El-Mafaalani ist Professor für Politikwissenschaft und politische Soziologie und arbeitet seit 2018 im nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf. Und er hat ein Buch geschrieben, das dieser Tage herauskam. Es wird schon jetzt in den Kritiken mit Lob überhäuft. Denn: seine Argumentation ist schlüssig, erkenntnisfördernd und auch tabuisierend. Beim Thema geht es nämlich um Migration und Integration. Und über die hat man eine Meinung, behält sie aber lieber für sich. Dabei ist es doch ganz einfach …, sagt El-Mafaalani. 

Zusammenwachsen tut weh

Wer davon ausgeht, dass Konfliktfreiheit ein Gradmesser für gelungene Integration und eine offene Gesellschaft ist, der irrt. Konflikte entstehen nicht, weil die Integration von Migranten und Minderheiten fehlschlägt, sondern weil sie zunehmend gelingt. Gesellschaftliches Zusammenwachsen erzeugt Kontroversen und populistische Abwehrreaktionen – in Deutschland und weltweit.

Aladin El-Mafaalani nimmt in seiner Gegenwartsdiagnose eine völlige Neubewertung der heutigen Situation vor.

„Nicht nur die Bevölkerungsstruktur hat sich enorm verändert, sondern auch die Gesellschaft und der Lebensalltag aller Menschen. In den Institutionen bemüht man sich zunehmend, sich an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen, was auch immer besser gelingt. Aber der enorme soziokulturelle Wandel überfordert offensichtlich einen Teil der alteingesessenen Bevölkerung. Ein mindestens genauso großer Teil scheint die Diversität zu lieben, was man nicht zuletzt daran erkennt, dass die internationalsten Städte auch die attraktivsten sind. Gleichzeitig nehmen selbst die Befürworter der Vielfalt Unstimmigkeiten und Spannungen wahr, können diese aber vielfach nicht angemessen deuten. Sie hängen mit dem bisher nicht angesprochenen Missverständnis zusammen: der Idee der konfliktfreien Gesellschaft.“ Und: „Wenn Integration gelingt und die offene Gesellschaft realisiert wurde, dann ist alles gut, harmonisch und im Einklang. Diese Vorstellung ist völlig unrealistisch. Daran gemessen werden wir immer unzufriedener, je mehr Ziele wir erreichen.“ (FAZ-Net vom 14. Aug. 2018)

Eine Schlussfolgerung des Autors:

Gelungene Integration erhöht deshalb das Konfliktpotential, weil Inklusion, Gleichberechtigung oder eine Verbesserung der Teilhabechancen nicht zu einer Homogenisierung der Lebensweisen, sondern zu einer Heterogenisierung, nicht zu mehr Harmonie und Konsens in der Gesellschaft, sondern zu mehr Dissonanz und Neuaushandlungen führt.

Das Buch hilft zu verstehen, warum Migration dauerhaft ein Thema bleiben wird und welche paradoxen Effekte Integration hat. Und dabei handelt es nicht allein von Ankömmlingen, sondern verfolgt das Thema über mehrere Generationen. Das Buch fördert die Erkenntnis darüber, woher die extremen Gegenreaktionen kommen und wappnet so in Diskussionen besser gegen Multikulti-Romantiker auf der einen und Abschottungsbefürworter auf der anderen Seite. Sein eigener Anspruch: zu erkennen, dass es in Deutschland nie eine bessere Zeit gab als heute und dass wir vor ganz anderen Herausforderungen stehen, als gedacht.

Aladin El-Mafaalani: Das Integrationsparadox – Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt, Kiepenheuer & Witsch erscheint , KiWi-Paperback, ISBN: 978-3-462-05164-3, 240 Seiten, Preis: 15 €

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