Initiatoren des Kulturprojekts „3falt“ nehmen Stellung zum Projektablauf:

„Begründete Zweifel“

Harburgs Dreifaltigkeitskirche des Architektenehepaars Spengelin wird weiter leer stehen. (Skizze: Friedr. Spenglin)

Dem Projekt „3falt“ in der leerstehenden Dreifaltigkeitskirche Harburgs droht das Aus bevor es richtig los ging. Die Initiatoren erklären nun, warum sie sich auf die Vorgänge keinen Reim machen können.

Es müsse ein Konzept vorgelegt werden, die Tragfähigkeit wird nicht reichen oder die Kulturschaffenden müssen „aus dem Quark“ kommen. Vieles steht im Diskurs-Raum rund um das nun erstmal beendete Kulturprojekt „3falt – Kunst, Kultur, Kreativität“ und den Initiatoren kommt manches davon recht merkwürdig vor. Darum zeigen sie nun auf, wie es sich bis hierhin zugetragen hat. Merkwürdiges findet sich da in der Tat.

Die Stellungnahme im Wortlaut:
„Das Projekt „3falt – Kunst, Kultur, Kreativität“ war ein Projekt, das eine kulturelle Umnutzung der in Harburg seit gut 10 Jahren leerstehenden Dreifaltigkeitskirche auszuloten versuchte. Dies verlief binnen weniger Monate mehr als erfolgreich: vielfältige Kulturveranstaltungen jeglicher Couleur und jeden Genres fanden ein breites und offenes Publikum, ein kultureller Ort der Begegnung entstand und die „3falt“ wurde schnell zu einer neuen Marke Harburgs und zudem für den Hamburger Stadtteilkulturpreis nominiert. Nun muß der Gebäudekomplex wieder komplett geräumt werden, soll eine Firma beauftragt werden und eine Ausschreibung auf den Weg bringen. Vor Frühjahr 2020 wird somit außer Leerstand nichts zu erwarten sein.
Auf der Seite der Kulturschaffenden, die das Projekt 3falt mit hunderten Stunden Ehrenamt stemmten und mehr als nur einen Impuls gaben, was Harburg braucht und in diesem Komplex möglich ist, bestehen begründete Zweifel daran, dass der Bezirk in Fragen der kulturellen Entwicklung des Bezirks transparent agiert, die Kirchengemeinde anderes beabsichtigt als ein Höchstbieterverfahren zum Verkauf des Komplexes und Fragen der Stadtentwicklung bzw. lokalen Relevanz des Gebäudes überhaupt erörtert wurden oder werden.

„Bezirk steht in der Verantwortung“

Insbesondere die Initiative SuedKultur weist ausdrücklich darauf hin, dass der Bezirk umso mehr in der Verantwortung steht, dem hier besonders augenscheinlich gewordenen Bedarf an kulturellen Räumen gerecht zu werden und Abhilfe zu schaffen. Wenn nicht hier – und eine Ausschreibung ist nicht vor Jahreswechsel zu erwarten – dann andernorts!
Um dies zu untermauern, haben wir nun eine Abfolge der Ereignisse zusammengestellt, die im Groben aufzeigt, was der Anlass des Kulturprojektes 3falt war und was nun daraus gemacht wurde.

zur Abfolge:
Im Stadtentwicklungskonzept IEK Eißendorf-Ost findet sich auf Seite 31 der Hinweis:
[…] Die perspektivischen Projekte beschreiben jene Maßnahmen und Projekte, die aufgrund ihrer zu geringen Projektreife noch nicht in den Zeit-Maßnahmen-Kostenplan aufgenommen werden können.
Dennoch sind es Projekte, die das Potenzial besitzen, während der Förderlaufzeit noch die Projektreife zu erlangen, um gefördert zu werden.
Die Dreifaltigkeitskirche wurde bis 2013 als Klangkirche für Konzerte genutzt. Heute stehen die Räumlichkeiten der Kirche trotz der guten innerstädtischen Lage größtenteils leer. Die Erstellung eines Nachnutzungskonzepts für die Kirche könnte eine Maßnahme während des Gebietsentwicklungsprozesses werden, um die mindergenutzten Flächen zu revitalisieren. […]

Dies war Ende 2017 Anlass und Grund genug für Kulturschaffende der Initiative SuedKultur, die seit Jahren Mangel an Räumen für Kunst und Kultur beklagt, sich der einst als „Hamburger Klangkirche“ bekannten Dreifaltigkeitskirche anzunehmen. Denn die einstige Zwischennutzung für Konzerte aus Klassik und Jazz legte nahe, dass eine außergewöhnliche Akustik gute bis sehr gut Bedingungen für vielerlei Kulturaktivitäten lokaler Initiativen böte und zudem durch die zentrale Lage weitere Attraktivität gewinnt und auch den oft beschworenen Brückenschlag ins Hafengebiet inhaltlich beförderte.

„Testbespielung“

So wurde im November 2017 im Quartiersbeirat der Antrag auf „Erkundung der grundsätzlichen Eignung der Dreifaltigkeitskirche (Neue Straße 44 in Hamburg-Harburg) für kulturelle Aktivitäten unterschiedlicher Art mittels „Testbespielung“ und Bewertung der Räumlichkeiten durch Aktive aus dem Stadtteil“ gestellt.
Und dort hieß es zur Zielsetzung:
„Erst einmal geht es uns „nur“ um eine „Testbespielung & Ersterkundung“ im kommenden Frühjahr.
Wenn dabei Mitte 2018 von den Aktiven im Stadtteil am Ende gesagt wird:
„Der Ort hat Charme & Eignung“ und der Eigentümer sich eine diesbezügliche Entwicklung generell vorstellen kann, soll danach (voraussichtlich Mitte 2018) in eine intensive Phase eingetreten werden, wo u.a.
• Nutzungs- und Raumplanung inkl. baulicher Optimierung (Barrierefreiheit, Energie etc.), als auch
• die Entwicklung & Erprobung spezieller Kulturformate im Vordergrund steht.

Am Ende dieser Phase (nicht vor Mitte 2019) soll dann eine belastbare Aussage getroffen werden können,
• ob und wie eine Nutzung der Kirche möglich ist,
• welche etwaigen Anpassungen vorgenommen werden müssten und
• wie unter städtebaulichen Gesichtspunkten ein Interessensausgleich zwischen den verschiedenen Akteuren aussehen könnte.“

Dies war also sowohl der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg, der Bezirksverwaltung Harburg als auch der Gemeinde St. Trinitatis bekannt und ist im Antrag an den Quartiersbeirat dokumentiert.

Letzter Versuch?

In Ermangelung von alternativen Angeboten und nach dem ein weiterer Interessent Ende Februar 2018 seine Interessensbekundung zurück gezogen hatte, kamen Eigentümer-Gemeinde, der Verein Stadtkultur Hafen e.V. wie auch die Initiative SuedKultur zu einer Testbespielung überein. Es wurde eine Anhandgabe bis Ende Februar 2019 vereinbart, die den Kulturschaffenden ermöglichte auch Einblick etwa in die Bauakte zu nehmen und die erforderlichen Rahmenbedingungen (Zwischennutzungsbestimmungen zu Brandschutz etc.) auf direktem Wege zu klären.
In der gemeinsam verfassten Presseerklärung ließ Pastorin Sabine Kaiser-Reiß die Bemerkung einfließen: „Das ist der letzte Versuch, eine neue Nutzung für dieses Gebäude zu finden.“

Im Juni 2018 waren bereits einige Grundbedingungen geklärt und noch vor den Sommerferien ein „Tag der offenen Tür“ für alle lokalen Kulturschaffenden initiiert, um sich selbst ein praxisorientierten Überblick über Gebäudestruktur, – zustand und –beschaffenheit zu verschaffen. Es wurde getanzt, gelesen, musiziert, vorgetragen, ausgekundschaftet und diskutiert. Nachfolgend kamen erste konkrete Vorschläge zutage, die konkrete Einzelbespielungen der diversen Räume nach den Sommerferien nach sich zogen. Letztlich wurden es bis Ende Februar mehr als 100 Veranstaltungen verschiedener Kulturgenres aus Sub- und Hochkultur als auch zahlreiche Gespräche mit interessierten Institutionen, Vereinen & Einzelpersonen und VertreterInnen aus Politik & Verwaltung (Senat, Behörde und Bezirk). Neben den über 3.500 BesucherInnen, den über 500 künstlerisch Mitwirkenden wurde das Projekt auch zum Stadtteilkulturpreis Hamburg 2019 nominiert und fand auch in den Medien Hamburg weit Aufmerksamkeit.

Relevanz des Gebäudes

Parallel wurde ein inhaltliches Konzept erarbeitet, das zunächst die vielfältigen Aspekte auch des Gebäudes, seiner Geschichte als einstige Hauptkirche Harburgs an der Elbe, seiner außergewöhnlichen Nachkriegsarchitektur des Ehepaares Spengelins als auch seiner örtliche Relevanz beleuchtete und Ansätze zur Vertiefung bot. Ebenso wurde erarbeitet, was an dringlichen Instandhaltungsmaßnahmen erforderliche wäre, um vordringliche Energieeinsparungen oder Nutzbarkeit aller Räume überhaupt zu ermöglichen. Gespräche mit dem Denkmalschutzamt und auch Bauexperten der Steg, des Vereins Barrierefreies Hamburg, des Stadtmuseums Harburgs und der Hamburger Kreativgesellschaft fortgeschritten, dass Möglichkeiten zum Erhalt des Gebäudekomplexes aber auch zur Mitfinanzierung seiner Instandsetzung sichtbar wurde. Das war Ende September 2018.
Im Oktober 2018 fand ein weiteres Gespräch mit der Stadtentwicklungsgruppe RISE Eißendorf-Ost statt, an dem Vertreter aus Bezirksverwaltung, der Steg und eben der Kulturschaffenden zusammen fanden.
Im Protokoll wurde u.a. festgehalten:
„Ein 6-7-Seitiges Paper mit Grundlagen zur Immobilie sowie ersten Grundüberlegungen zur Überführung der Kirche in eine kulturelle Nutzung haben die Nutzer bereits verfasst. Es liegt dem Fachamt vor.
Ein Konzept bzw. dessen Entwurf liegt bislang noch nicht vor, soll jedoch laut Anhandgabevertrag bis Ende Februar 2019 durch die Nutzer vorgelegt werden.
Frau Knipfer berichtet von einer positiven Stimmung gegenüber dem Projekt im Kulturausschuss, in dem Herr Lintl und Herr Langanke das Projekt kürzlich vorgestellt haben.
Die Anhandgabenehmer wünschen sich vom Bezirk Unterstützung bei der Planungssicherheit.

Konkret wünschen sie sich eine klare Positionierung des Bezirksamtes/der Politik, gegen eine B-Planänderung, um z.B. für die Wohnungsbauwirtschaft attraktiv zu werden.“
Des weiteren wurden weitere notwendige Schritte bis Ablauf der Testphase zu Ende Februar 2019 benannt:
„Für ein Konzept würden bei Herrn Lintl und Herrn Langanke bis Februar weitere umfangreiche Arbeiten anfallen. Ohne eine Finanzierung dieser Konzepterstellung kann dies nicht geleistet werden. Mittel für eine Konzepterstellung und im Weiteren für die Projektentwicklung in Höhe von ca. 40.000 € erscheinen Herrn Lintl und Herrn Langanke angemessen („Angebot“ folgt).“
Auch die Schwachstellen der Konzeptentwicklung wurden klar benannt, da sich bereits abzeichnete, dass die Kirchengemeinde als Verpächterin des Gebäudes ausscheidet.

Auszug aus dem Protokoll vom 10.Okt. 2018:
„Es gibt noch keine endgültig favorisierte rechtliche Konstruktion.
Aus Sicht von Herrn Lintl bedarf es noch rechtliche Unterstützung in Bezug auf steuerliche Belange, was eine mögliche Rechtsform angeht. (Genossenschaft oder Stiftungen wären zwei von vielen Möglichkeiten).
Aus Sicht von Herrn Langanke und Herrn Lintl wäre es von Vorteil, wenn die Kirche Eigentümerin bleibt.
An Kosten fallen u.a. Kaufpreis bzw. Erbbauzins, Betriebskosten und Instandhaltungsrücklagen an.
Eine schrittweise Erhöhung der Zahlungen an die Kirche, falls diese Eigentümerin bleibt, wäre denkbar (von der reinen Zahlung von Betriebskosten im ersten Jahr bis zur Zahlung eines Mietzinses und ggf. schrittweise jährliche Erhöhung).
Herr Lintl spricht eine Landesbürgschaft im Falle einer Kreditaufnahme an.

  1. Verabredungen
    Übermittlung folgender Unterlagen an das Fachamt SR:
    Herr Lintl und Herr Langanke kündigen an, dem Bezirk (SR 3) ein Angebot über Projektentwicklerleistungen (inklusive der Konzepterstellung für die Zeit von Nov. 2018 bis Feb. 2019 zu schicken).
    Ein neuer Termin soll zeitnah gefunden werden.“

Ein Angebot zu einer Projektentwicklung, die bauliche, rechtliche, inhaltliche und stadtentwicklerische Aspekte einbezieht, wurde am 6. November 2018 von Mathias Lintl (Stadtkultur Hafen e.V.), Heiko Langanke (für SuedKultur) und Architekt Carsten Lünzmann eingereicht.

Dubiose Absage

Bis Ende Februar 2019 gab es darauf keine Reaktion, dann die Absage mit der Begründung: „vielen Dank für Ihr Initiativangebot vom 6.11.2018 zur Projektentwicklung „3falt – Kunst, Kultur, Kreativität“ zur kulturellen Umnutzung der leerstehenden Dreifaltigkeitskirche.
Der Eigentümer hat über den weiteren Umgang mit dem Objekt noch nicht entschieden. Insofern ist auch noch nicht klar, ob der Eigentümer eine Projektentwicklung wünscht.
Überdies kann ein Auftrag für eine Projektentwicklung nur durch den Eigentümer und nicht durch das Bezirksamt erfolgen.
Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen aufgrund der beschriebenen Situation aktuell keine andere Auskunft geben kann.“
(Mail vom 22. Feb. 2019)

„kein RISE-Projekt“

Nebenher ergab eine Anfrage zum Gebäudekomplex (Drucksache 20-4439.012 Bezirk HH-Harburg) im Rahmen des Stadtentwicklungskonzeptes Eissendorf-Ost Folgendes:
„Frage: Wurde bei der Erstellung des IEK darüber mit der Eigentümergemeinde St. Trinitatis Harburg kommuniziert?
Nein, es gab keine direkten Gespräche mit Gemeindevertretern. Aber Gemeindevertreter sind bzw. waren bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des IEKs im Beirat und haben diese Formulierungen mitgetragen.
Sind im Rahmen des IEK Gelder für die Reaktivierung als Klangkirche eingepreist worden und wenn ja, in welcher Höhe und für welche Maßnahmen?
Nein, die Reaktivierung zur Klangkirche war und ist kein RISE Projekt, eine Kostenschätzung hat nicht stattgefunden.
Bestehen derzeit andere Konzepte als die der kulturellen Umnutzung, wie sie die Initiative SuedKultur und der Verein Stadtkultur Hafen e.V. anstreben?
Zur Zeit nicht. Im Übrigen befindet sich das Bezirksamt mit dem Eigentümer im Gespräch über die Nachnutzungsmöglichkeiten.“

15 Minuten

Nun, nach Beendigung der kulturellen Testphase gab es derweil zwei Werkstattgespräche des Bezirksamts HH-Harburg zum Gebäudekomplex. An nur einem davon (am 12. Febr. 2019) waren die Kulturschaffenden beteiligt und zwar in Form einer Einladung, um „über Ihre Erfahrungen mit der Anhandgabe der Dreifaltigkeitskirche berichten (max. 15 Minuten).“

In ihrer Pressemitteilung vom 20. März 2019 wiederum ließ nun die Eigentümergemeinde St. Trinitatis verlauten: „Der Kirchengemeinderat der Ev. – Luth. Kirchengemeinde St. Trinitatis Harburg hat in seiner Sitzung am 12.03.2019 beschlossen, dass ein öffentliches Interessenbekundungsverfahren (IBkV) für die Nachnutzung des Gebäudeensembles Neue Str. 44 (Dreifaltigkeitskirche) durchgeführt wird. Die damit verbundenen Kosten trägt die Kirchengemeinde. Die Bezirksversammlung und das Bezirksamt Harburg, sowie das Hamburger Denkmalschutzamt befürworten dieses Verfahren, das derzeit vorbereitet wird.
Die Kulturinitiative Dreifalt ist informiert und ist aufgefordert, sich im Rahmen des IBkV mit ihrem Konzept zu bewerben.
Eine Nutzung der Kirche während des Verfahrens wird es nicht geben. (Ausnahme: Nutzung als Wahllokal zu Europa- und Bezirksversammlungs-Wahl am 26.05.2019)“

In diesem Zusammenhang sehen wir als Impulsgeber mit dem Projekt „3falt – Kunst, Kultur, Kreativität“ folgende Bemerkungen für irritierend oder gar als Indiz dafür, dass eine kulturelle Nutzung weder „ein letzter Versuch“ war, noch generell eine Ernsthaftigkeit besteht, den Gebäudekomplex einer wirklichen kulturellen Nutzung zuzuführen:
· „Die Kulturschaffenden müssen auch aus dem Quark kommen und ein Konzept vorlegen“ (Zitat Holger Böhm, SPD-Bezirkspolitiker, im Hamburger Abendblatt v. 28. Feb. 2019)
· „Das uns vorliegende Konzept der Initiative 3falt ist zwar inhaltlich in Ordnung, aber der Gemeinderat ist nicht überzeugt, dass es auch finanziell nachhaltig wäre“, sagt Pastor Friedrich Degenhardt, „deshalb haben wir uns entschlossen, die Nachnutzung noch einmal öffentlich auszuschreiben. Die Initiative 3falt hat die Möglichkeit sich an dem Verfahren zu beteiligen.“
(Hamburger Abendblatt v. 20. März 2019)

Fazit siehe Stellungnahme zu Beginn.
Mathias Lintl, Heiko Langanke, Carsten Lünzmann

3falt: kulturelle Umnutzung der ehem. Dreifaltigkeitskirche
Neue Str. 44, Hamburg-Harburg
www,dreifalt.info   / http://www.facebook.de/3falt/“

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