Als China Anfang des letzten Jahrhunderts für die Moderne stand, war es nicht nur eine neue Weltoffenheit sondern auch klares Marketing. Eine Ausstellung im Museum am Rothenbaum gibt nun neue Einblicke.
Was, wenn ein unscheinbares Werbeplakat mehr verrät als eine Geschichtsstunde? Wenn es nicht nur für ein Produkt wirbt, sondern den Aufbruch einer ganzen Epoche im Bild festhält? Das Museum am Rothenbaum (MARKK) lädt uns ein, in genau diese Momente einzutauchen: Eine Zeit, in der das Kaiserreich fiel und revolutionäre Drucktechnologien das Bild Chinas für immer veränderten. Die Ausstellung „Druckfrisch aus den Zwanzigern“ öffnet ein faszinierendes Fenster in eine Welt, die von glitzernden Werbebildern, politischer Propaganda und der Entstehung einer neuen Identität geprägt war.
Chinas neue Frau: Glamour und Emanzipation im Druck
Wir sehen sie auf dem Ausstellungsplakat: Zwei junge Frauen in eleganten Qipao-Kleidern, die sich lächelnd in einem ehemaligen kaiserlichen Park unterhalten. Sie sind das visuelle Symbol für den Wandel, der sich in den Metropolen wie Shanghai vollzog. Die „neue Frau“ betrat die Öffentlichkeit, sie trat in Bildung und Beruf ein und wurde zur Projektionsfläche politischer Debatten über Emanzipation und Nation. Aber dieses Bild hatte einen doppelten Boden. Ursprünglich war es ein Werbeplakat des deutschen Chemiekonzerns I.G. Farben, produziert von einem chinesischen Studio. Die Ausstellung entblättert diese komplexen Zusammenhänge und zeigt, wie Bilder, Mode und Konsumkultur die Gesellschaft prägten und wie sogar Theaterstars zu den Influencer*innen ihrer Zeit avancierten. Die Schau verdeutlicht, dass die moderne Druckkultur nicht nur eine Flut an Nachrichten, sondern auch eine neue Art von Massenmedien schuf, die das Lebensgefühl einer ganzen Generation veränderte.
Konsum als patriotische Pflicht

Ein besonders spannender Aspekt ist die Verknüpfung von Konsum und Patriotismus. Die „Nationale Produktbewegung“ rief die Bevölkerung auf, heimische Produkte zu kaufen, um eine starke Nation aufzubauen und den Import ausländischer Waren zu begrenzen. Diese Ausstellung macht sichtbar, wie die neu entstandene Werbeindustrie diese patriotische Botschaft geschickt verbreitete. Die Sammlung des MARKK, die den Großteil der Exponate stellt, ist dabei selbst ein historisches Zeugnis: Sie entstand in einer einzigartigen deutsch-chinesischen Forschungskooperation zwischen 1927 und 1932. Die Kuratorin Ricarda Brosch bezeichnet die Ausstellung als ein „faszinierendes Kapitel transkontinentaler Museumsgeschichte.“
Begleitprogramm und Praktisches:
Wer tiefer in die Materie eintauchen möchte, hat dazu bei verschiedenen Veranstaltungen die Möglichkeit. Das Begleitprogramm lädt ein, die Ausstellung zu erleben und mehr über die Hintergründe zu erfahren.
- Werkstattgespräch: Am Donnerstag, den 25. September um 19 Uhr, findet ein Werkstattgespräch mit den Kurator*innen Ricarda Brosch und Bernd Spyra und dem Ausstellungsdesigner Weng Xinyu statt. Sie geben Einblicke in den Entstehungsprozess der Ausstellung und die besonderen Herausforderungen.
- Stick-Workshop: Ein offener Workshop mit Anke Sievers am Donnerstag, 13. November um 18 Uhr, lädt dazu ein, mit Nadel und Faden Motive des MARKK auf Textilien zu verewigen.
- Vortrag: Am Mittwoch, 10. Dezember um 18 Uhr, hält die Kunsthistorikerin Clarissa von Spee einen Vortrag über die Darstellung von Frauen in der chinesischen Malerei und Druckgrafik.
Führungen:
- Kurator*innenführungen: Am Samstag, 20. September um 12 Uhr, Sonntag, 21. September um 14 Uhr, und Donnerstag, 23. Oktober um 18 Uhr.
- Englische Führungen: „HOT OFF THE PRESS“ am Samstag, 20. September um 14 Uhr, und Samstag, 4. Oktober um 14 Uhr.
- Elternzeit-Führung: Eine kulturelle Auszeit für Eltern und ihre Babys gibt es am Mittwoch, 1. Oktober von 10 bis 11 Uhr.
Ausstellung „Druckfrisch aus den Zwanzigern„
Museum am Rothenbaum (MARKK), Rothenbaumchaussee 64, 20148 Hamburg; 19. September 2025 bis 12. Juli 2026
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr, Donnerstag: 10 bis 21 Uhr. Montags ist das Museum geschlossen. Eintritt: Regulär 9,50 €, ermäßigt 5,00 €
