Letzte Woche veröffentlichten wir den Aufruf #FutureCityHH. Darin werden bessere Bedingungen für Musikclubs in der wachsenden Metropole gefordert. Heute zeigen wir die konkreten Bedingungen.
Hamburg wächst rasant, die Mieten steigen und der Verdrängungswettbewerb wird von einkommensstarker Klientel bestimmt. Hamburger Musikclubs kämpfen daher massiv mit Lärmbeschwerden, Mietsteigerungen, wachsenden Behördenauflagen und auch steigenden GEMA-Aufwendungen. In dem Aufruf des Hamburger Branchenverbandes (´Tiefgang`berichtete letzte Woche zum Start der Petition: „Völker hört die Musikclubs!“) heißt es daher: „Wenn wir jetzt nichts tun, gibt es Deinen Lieblingsclub vielleicht bald nicht mehr und die Ausgehviertel werden geprägt von Musik aus der Konserve oder wandern ab an den Stadtrand, wo Mieten eventuell noch bezahlbar sind. Das willst Du nicht? Wir auch nicht! Wir wollen Musikclubs in Hamburg eine Zukunft geben, in der Musikvielfalt das Herzstück bildet. Eine Zukunft, in der sich junge KünstlerInnen auf kleinen, kreativen Bühnen ausprobieren, Neues wagen können und in der Du Abend für Abend und Nacht für Nacht durch die Stadt ziehen und immer wieder etwas Besonderes entdecken kannst.“
Aber wie genau soll das funktionieren? Was genau könnte Politik tun, um der Lage Herr zu werden?
„Kultur(frei)räume“ etablieren
Das Clubkombinat fordert etwa: „Kultur(frei)räume“ und meint damit, dass bestehende Kulturräume besser geschützt und neue Freiräume leichter nutzbar gemacht werden müssten. Ein Abriss wie vor einigen Jahren beim Molotow auf der Reeperbahn jedenfalls wäre vielleicht ebenso verhinderbar gewesen wie die Schließung des Harburger Traditionsclubs ´Consortium`, das zum Hebammen-Café werden sollte. Benötigt würde, so der Verband, eine referatsübergreifende Arbeitsgruppe “Kultur(frei)räume” mit Vertretern aus der Behörde für Stadtentwicklung, Umwelt und Energie, Gesundheitsbehörde, Kultur und Medien, Finanzbehörde, Kreativgesellschaft, Bezirksämtern, den Bauämtern und eben des Clubkombinats. Diese soll dann die vielen Handlungsfelder Stück für Stück und konstant voranbringen. In akuten Fällen soll mit der Task-Force auch schnell und behördenübergreifend Hilfestellung geleistet werden. Im Dialog sollen so auch Verfahren für neue Flächenakquisen, die Einrichtung eines Club-Katasters wie in Berlin, Lösungen für ein Beschwerdemanagement, effizientere Genehmigungsprozesse im Bau- und Gewerberecht und eine Vereinfachung von Sonder- und Zwischennutzungen erarbeitet werden. „Eine Folge dieses Austausches sollte auch eine reichhaltige und lebendige Free Open Air-Szene sein, die von vereinfachten Genehmigungsverfahren und vielfältigen Flächenangeboten profitiert“, heißt es.
Mehr Open Air-Flächen für Musiknutzungen
Und so zielt eine weitere Forderung auf mehr Open Air-Flächen für Musiknutzungen. So wollen Hamburgs Musikclubs in einer Gemeinschafts- und Solidaraktion unter dem Arbeitstitel FutureMusicPlaza die wachsenden Umsatzlücken des jährlichen Sommerlochs verkürzen und gleichzeitig das Kulturangebot ausweiten. „Die langfristige Überlassung geeigneter Freiluftveranstaltungsfläche/n mit einem symbolischen (Erbbau)Pachtvertrag zur Selbstverwaltung durch das Clubkombinat ist dafür erforderlich“, so die Forderung.
Fonds für Lärmschutz & grüne Energie
Ja und auch ökologisch verträglich sollen die Musikclubs werden, können es aber aus eigener Kraft kaum stemmen. So solle die Hamburger Politik Zuschüsse in Höhe von jährlich 2 Mio. EUR für zwei niedrigschwellige Förderprogramme gewähren, die eine Landesförderung für dringende Bedarfe von Musikspielstätten für Lärmschutz- und Ressourceneffizienzmaßnahmen vorsehen. Als Abwicklungsstelle könne die Stiftung zur Stärkung privater Musikbühnen Hamburg dienen, die bereits Erfahrungen beim Sanierungsfonds Hamburg 2020 gesammelt hat.
Möglichkeiten, Gewerbeleerstände kreativ zu nutzen
Hamburg benötige, so die Clubmacher, als Stadt mit hoher Bevölkerungsdynamik ein stetiges Monitoring-Verfahren, das die räumlichen Verfügbarkeiten und Entwicklungen von Musikclubs, Bandübungsräumen, Studios und Open Air-Flächen kontinuierlich dokumentiert und in Berichtsform jährlich aufbereitet. „Hierfür erscheint uns die Einrichtung eines „Kultur(Frei)räume-Katasters“ geeignet. Ein derartiges Planungsmonitoring ist erstrebenswert, um Angebote und Nachfrage zu verknüpfen und neue standörtliche Entwicklungstendenzen frühzeitig zu erkennen. Nach Errichtung einer solchen Plattform ließe sich ein Verfahren zur aktiven Flächenausweisung (z. B. durch die Finanzbehörde, LIG und SpriAG) implementieren, das nutzbare Veranstaltungsflächen (Langzeit- und temporäre Zwischennutzungen) auflistet. Zudem erhielten die Behörden auf Bezirksebene für Neubauvorhaben ein Tool, um nach dem Rücksichtnahmegebot umliegende Kulturbetriebe abzuprüfen.“
Als Beispiele solcher Monitoringverfahren werden das Berliner Clubkataster, die Londoner Grassroot Music Venues, die Initiative OpenBerlin oder auch der Leerstandsmelder angeführt.
Bezahlbare Werbeflächen
Auch um die Werbung und Wahrnehmung von Musikclubs sorgt sich der Aufruf. „Musikclubs benötigen als Kleinstkulturveranstalter mehr bezahlbare Plakatierungsflächen – hauptsächlich in den Szenevierteln Hamburgs. Die Bereitstellung von Finanzmitteln aus dem laufenden Stadtvertrag, u.a. für zusätzliche Kulturflächen durch die Vergrößerung bestehender bezirklicher Werbeanlagen, wäre ein erster Schritt.“ Und auch die Änderung der Hamburger Bauordnung, welche Brückenwerbung für Kultur im Gegensatz zu anderen Städten wie Hannover, Bremen oder Kiel verbiete, sei ein weiteres Ziel.
Keine Pflichtgebühren für unnötige Parkplätze
Ein immer wiederkehrendes Thema ist auch die sogenannte Stellplatzabgabe, die auch Musikclubs an die Bezirke abführen müssen, so sie nicht ausreichend Parkplätze vorhalten können. Konkret: „Clubgänger kommen in den seltensten Fällen mit dem Auto. Fast alle Clubs sind problemlos mit dem ÖPNV zu erreichen. Daher fordern wir – analog wie jüngst beschlossen beim Wohnungsbau – die generelle Abschaffung der Stellplatzabgabe für kulturelle Musikclubs bis zu einer Größe von 1.000qm.“
Ausbau der Strukturförderung für Musikspielstätten & Veranstalter
Und da das Clubkombinat schon in mehreren Bereichen durchaus kulturpolitisch Erfolge aufweisen kann – etwa mit dem „Live Concert-Account“ zur Förderung von Live-Konzerten, wollen die Petitionsinitiatoren dies gewürdigt und ausgebaut wissen. „Die in Hamburg etablierte Infrastrukturförderung für private Musikclubs – der jährliche Live Concert Account (LCA) – gilt es, als Sockelförderung von aktuell 150.000 € auf 1 Million € pro Jahr aufzustocken. So kann künftig in einem Future Music Fonds auch die Förderung für kleine Nachwuchskonzerte und experimentelle Tanzveranstaltungen erreicht und stark ausgeweitet werden. Zielgröße ist eine Fördersumme als Produktionskostenzuschuss von 200 € pro förderfähiger Veranstaltung, um Künstler und Veranstalter gleichwertig zu unterstützen. Damit würden sich die Förderquoten an jahrzehntelange Förderpraxis von Einzelprojekten (z.B. von ca. 3,60 EUR pro Besucher) angleichen und eine gerechtere Verteilung ergeben. Gegenwärtig liegt der Vergleichswert im Live Concert Account für alle beantragenden Musikspielstätten bei ca. 0,20 € pro Besucher.“
Durchaus also alles Forderungen, die zu diskutieren der Stadt Hamburg gut stünde. Und vermutlich kommt man auch dauerhaft nicht drumherum. London, Amsterdam und Paris als ähnliche europäische Metropolen jedenfalls sehen bereist akuten Handlungsbedarf. Wachsen will eben – auch als Metropole – gelernt sein.
Die gesammelten Unterschriften der Petition sollen letztlich dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz übergeben werden. „Es geht um den gesellschaftlichen Wert von Musikclubs als soziale und kulturelle Orte. Wie wollen wir bestehende musikalische Bühnen für Freiräume, Experimente, Kreativität und musikalische Innovationen zu erschwinglichen Preisen erhalten, wie neue Räume schaffen?“, so die entscheidende Frage, die nicht nur von den Clubs beantwortet werden kann.
Weiterführender Link: clubkombinat.de – zur Petition: openpetition.de/futuremusiccity