Deine innere Therapeutin

Ulrike Hinrichs: Innere Kraft

Dir geht es nicht gut? Viele Menschen sind derzeit psychisch überlastet. Krieg und Pandemie haben die Situation noch verschlimmert. In einem ohnehin überlasteten Gesundheitssystem ist es fast unmöglich, zeitnah einen Psychotherapieplatz zu finden.

von Ulrike Hinrichs

Wie kannst du deine innere Therapeutin aktivieren, um dir erstmal selbst zu helfen? Das Konzept der modernen Psychotherapie geht auf die von Siegmund Freud begründete Psychoanalyse zurück. Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene Therapieformen, die sich heute auf dem Markt etabliert haben. So weit, so gut. Das Problem ist allerdings, dass es kaum freie Therapieplätze gibt. Mir begegnen in meiner Praxis immer wieder Menschen, die mir von der erfolglosen Suche nach Therapieplätzen berichten, welche von der Krankenkasse übernommenen werden.

Gerade der Hamburger Süden ist unterversorgt. Die wenigen Psychotherapeut*innen, die mit der Krankenkasse abrechnen können, sind völlig überlastet. Wartelisten werden oft nicht mal mehr geführt. Auch das Kostenerstattungsverfahren über die Krankenkasse ist ein sehr mühsamer Weg, der oft Monate dauert.

Was also tun?

Erwecke deine innere Therapeutin. Es sind die Selbstheilungskräfte, die du damit aktivierst. Die moderne Psychotherapie ist in der Menschheitsgeschichte ein recht neues Konzept, das sich erst Ende des 19. Jahrhunderts etablierte. Davor waren es je nach Kultur und Kontext die Ärzte oder Pfarrer, Hexen oder Schamanen, die sich um das seelische Wohlergehen der Menschen kümmerten. Auch die alte Weise im Dorf oder die Kräutertante hat zugehört und geholfen.

Nun will ich den Psychotherapeut*innen nicht ihre Kompetenz absprechen. Ich biete selbst psychologische Hilfe an.  Mein Anliegen ist darauf hinzuweisen, dass wir eine Kraft in uns tragen, die wir nutzen können und dass es in deiner Umgebung Menschen gibt, denen du dich anvertrauen kannst. Du kannst in der Wartezeit auf einen Therapielatz für dich sorgen, indem du deine innere Therapeutin erweckst. Das ist jener Anteil in dir, der genau weiß was richtig für dich ist.

Deine Kreativität ist die Brücke zu deiner Weisheit. Wenn du magst, kannst du diese innere Weise auch kreativ umsetzen. Du kannst sie malen oder als Skulptur gestalten. Trete mit ihr in einen Dialog. Du musst allerdings genau zuhören und fühlen.

Das Ganze hat einen weiteren Vorteil: Du verschaffst dir damit die Erkenntnis, dass du schwierige oder herausfordernde Situationen aus eigener Kraft meistern kannst. Das nennt man Selbstwirksamkeit. Wichtig ist, dass du für dich selbst sorgst.

Für eine ausreichende Selbstfürsorge gilt:

  • Bedürfnisse wahrnehmen

Du gehörst vielleicht zu denen, die nicht gelernt haben, für sich zu sorgen. Hast du Schuldgefühle, wenn du dich um dich selbst kümmertest? Fühlst du dich dabei egoistisch? Wie steht es um die Bereiche Ernährung, Schlaf, Körperpflege, soziale Kontakte, Bewegung und Ruhepausen in deinem Leben? Sorgst du genug für dich? Achtest du auf Stressfaktoren in deiner Umgebung?

  • Gefühle ernst nehmen

Selbstfürsorge hat mit der Wahrnehmung innerer Gefühlszustände zu tun. Achtest du auf deine Gefühle und Impulse? Wie geht es dir? Kannst du deine Gefühle spüren? Nimmst du deine Gefühle ernst? Kannst du dich fühlen? Ist da etwas taub in dir? Gibt es vielleicht sogar Körperstellen die sich taub anfühlen?  Bist du unzufrieden mit etwas? Was macht dich glücklich? Schließt du Kompromisse, die sich faul anfühlen?

  • Grenzen respektieren

Selbstfürsorge bedeutet, dass du auf deine Grenzen achtest. Kannst du Stopp sagen, wenn du etwas nicht willst? Wie leicht kommt dir ein Nein über die Lippen? Umgibst du dich mit Menschen, die dich unterstützen? Kannst du dich so nehmen wie du bist? Kannst du dich von Menschen trennen, die dir nicht guttun? Wer unterstützt dich? Wen unterstützt du? Kannst du anderen helfen, ohne dich zu verausgaben? Kannst du andere versorgen und pflegen, ohne dich zu vernachlässigen?  

  • Eigene Fehlertoleranz

Dein strengster Kritiker bist du selbst. Ein liebevoller Umgang setzt voraus, dass du dich nicht selbst zerfleischst. Entwaffne deine inneren Kritiker, stoppe die zermürbende Selbstkritik. Wie redest du mit dir selbst? Beschimpfst du dich, wenn du etwas falsch machst? Wie klingt die Stimme in dir? Kennst du diese Stimme aus deiner Kindheit?

  • Achtsamkeit und Dankbarkeit als Stimmungsaufheller

Achtsamkeitsübungen und eine Dankbarkeitspraxis können dich in deiner Selbstfürsorge unterstützen. Achtsamkeit bedeutet, dass du dich für den Moment öffnest. Dankbarkeit ist eine innere Haltung. Die Drei-Schritte-Übung zur Dankbarkeit von Bruder David Steindl-Rast geht ganz einfach: Stop – Look – Go, wie an der Ampel (anhalten – schauen –  weitergehen). Fühle, lausche, schaue, rieche, schmecke den Moment.

Mir ist aus der Praxis bekannt, dass gerade diese Selbstfürsorge oft das Problem. Bei vielen sind die Stimmen der Selbstfürsorge leise oder werden sogar unbewusst sabotiert (siehe dazu meinen Artikel Boykott der Selbstfürsorge).

 

Literaturtipp

Neff, Kirstin (2012): Selbstmitgefühl. Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund sind. München: Kailash Verlag.

 

Ulrike Hinrichs ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Gesprächstherapeutin und Kunsttherapeutin (M.A). www.lösungskunst.com

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